Schweiz
Gesellschaft & Politik

Albert Rösti und die SRG: Zahlen fehlen zu seinen Argumenten

Das SRF-Logo, fotografiert anlaesslich der Jahresmedienkonferenz in Zuerich, am Donnerstag, 10. Januar 2013. Die Fernsehsender von Schweizer Radio und Fernsehen SRF sind bei den Schweizerinnen und Sch ...
Dem SRF geht es künftig an den Kragen – mit Albert Röstis Vorgaben.Bild: KEYSTONE

Schweizer geben mehr Geld für Medien aus, sagt Rösti – BFS-Zahlen widersprechen ihm

Bundesrat Albert Rösti will die SRG-Gebühren senken. Auch, um die Haushalte finanziell zu entlasten, wie sein Departement schreibt. Denn Schweizerinnen und Schweizer würden immer mehr Geld für Medien ausgeben müssen. Nur: Zahlen kann er nicht nennen.
08.01.2024, 18:1109.01.2024, 00:52
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«200 Franken sind genug!» Das ist der Slogan der Halbierungs-Initiative, die fordert, dass die Abgaben, die jeder Haushalt derzeit an die Schweizerische Radio- und Fehrensehgsellschaft (SRG) bezahlen muss, gekürzt werden. Die Serafe-Gebühren belaufen sich heute auf 335 Franken pro Haushalt. Voraussichtlich 2026 wird das Schweizer Stimmvolk über die Vorlage entscheiden.

Gekürzt werden die Gebühren höchstwahrscheinlich aber so oder so. Egal wie sich die Stimmbürgerinnen und -bürger entscheiden. Denn Bundesrat Albert Rösti, der bis vor Kurzem als Nationalrat selbst noch im Komitee der Halbierungs-Initiative sass, hat als Vorsteher des Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) etwas vor: Er will die Serafe-Gebühren bis 2029 schrittweise auf 300 Franken pro Haushalt kürzen. Kleine Unternehmen mit einem Jahresumsatz von 1,2 Millionen Franken will er gar ganz von der Abgabepflicht befreien.

Warum kein Gegenvorschlag?

Mit Röstis Gebührensenkung würden für die SRG künftig 170 Millionen Franken jährlich wegfallen und müssten 900 Stellen gestrichen werden.

Als Rösti im November vor die Medien trat und seinen Plan vorstellte, sagte er, mit der Gebührensenkung wolle man der Halbierungs-Initiative «den Wind aus den Segeln nehmen».

SVP-Parteipraesident und Nationalrat Albert Roesti, links, fotografiert wahrend der Elefantenrunde des Schweizer Fernsehens RTS und SRF mit den Praesidenten der Parteien, am Tag der eidgenoessischen W ...
Bundesrat Albert Rösti ist Vorsteher des UVEK.Bild: KEYSTONE

Bei SP-Nationalrätin Jacqueline Badran sorgt diese Aussage für Empörung. «Wie bitte? Wenn man das Gefühl hat, einer Initiative etwas entgegenzusetzen, macht man in unserem Land einen direkten oder indirekten Gegenvorschlag, über den die Bevölkerung ebenso abstimmen kann», schreibt sie in ihrer Kolumne am Wochenende im «Tages-Anzeiger».

Jacqueline Badran, SP-ZH, spricht an der Ausserordentliche Session "Wohnen und Mieten" waehrend der Herbstsession der Eidgenoessischen Raete, am Mittwoch, 27. September 2023 im Nationalrat i ...
Jacqueline Badran, SP-Nationalrätin des Kantons Zürich.Bild: keystone

Denn tatsächlich, bei Röstis Gebührensenkung für die SRG handelt es sich nicht um einen Gegenvorschlag, sondern um eine Teilrevision einer Verordnung. Bei der Ausgestaltung dieser hat der Bundesrat relativ viel Spielraum. Einzig interessierte und betroffene Kreise können sich noch bis zum 1. Februar dazu äussern. Bis dann läuft die Vernehmlassung.

Auf Kriegsfuss mit den Zahlen

Im Bericht zur Vernehmlassung schreibt Röstis Departement auch: Mit der SRG-Gebührensenkung wolle man die Bevölkerung zudem entlasten. Denn die Ausgaben für Medienangebote pro Haushalt seien in den letzten Jahren gestiegen.

Der «Tages-Anzeiger» hat dieses Argument genauer unter die Lupe gekommen. Und kommt zum Schluss: Es stimmt ziemlich sicher nicht.

Denn Zahlen, die belegen würden, dass sich die Medienausgaben der Schweizerinnen und Schweizer erhöht haben, finden sich nirgends im Vernehmlassungsbericht. Dafür Daten des Bundesamts für Statistik (BFS), die das Gegenteil aufzeigen: dass die Medienausgaben von 2012 bis 2020 von 309 auf 264 Franken pro Haushalt und Monat gesunken sind.

Auf Nachfrage beim UVEK hätte die Kommunikationsabteilung Röstis keine eigenen Zahlen liefern können, schreibt der «Tages-Anzeiger». Stattdessen verwies man auf den Digimonitor der Interessengemeinschaft Elektronischer Medien (IGEM). Diese erhebt mit Befragungen jährlich das Mediennutzungsverhalten der Schweizer Bevölkerung. Gemäss dem Digimonitor streamte die Bevölkerung im vergangenen Jahr deutlich häufiger als noch 2019. Die Netflix-Nutzung stieg beispielsweise von 28 auf 43 Prozent.

Dieser Entwicklung tragen aber auch die Auswertungen des BFS Rechnung. Auch sie zeigen eine Zunahme bei der Nutzung von Streaminganbietern wie Netflix, Amazon Prime, Disney+ und Co. Diese Zunahme hat aber noch nicht zu steigenden Ausgaben für den Medienkonsum pro Haushalt geführt.

Einen viel grösseren Einfluss auf das Medienbudget eines Haushalts haben gemäss der BFS-Statistik hingegen die Kosten für Zeitungen, Bücher, Zeitschriften sowie Radio und Fernsehen. Aber nicht kostensteigernd, sondern -senkend. Denn der Konsum dieser Medien geht stetig zurück. Schweizerinnen und Schweizer geben darum Jahr um Jahr weniger Geld für Journalismus und Unterhaltung aus.

Fairerweise muss festgehalten werden: Die neusten Daten des BFS stammen aus dem Jahr 2020. Aktuellere Daten kann das Amt nicht liefern. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass sich die 2020 festgestellte Entwicklung des Medienbudgets der Schweizerinnen und Schweizer nicht komplett verändert hat. Und die Tatsache bleibt, dass das UVEK keine Belege für sein Argument der gestiegenen Medienausgaben liefern kann. (aye)

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175 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Acai
08.01.2024 18:27registriert März 2017
Ich finde es bedenklich wenn ein Bundesrat einfach so Behauptungen in den Raum stellt.
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StellaStracciatella
08.01.2024 18:48registriert Juni 2020
Oh. herr Röschti lügt. (Schon wieder). Wer hätte das nur gedacht. Ich bin nicht überrascht, aber halt auch nicht besonders erfreut. Jänu. Es wird seine Wähler nicht stören daher 🤷🏼‍♀️ erzähl halt BR Röschti, erzähl was immer du willst. Bisher habe sogar ich die SVP Bundesräte geachtet (bis der Maurer mit dem „kä Luscht“-abdriften angefangen hat) aber was sich dieser Herr hier alles so leistet ist echt nicht mehr ernst zu nehmen.
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Gina3
08.01.2024 18:46registriert September 2023
Ich habe den Eindruck, dass mit Rösti im Bundesrat der Wolf in den Schafstall gelassen wurde.(Le loup dans la bergerie!!)
Sabotage der Demokratie von innen heraus
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