Wie stark darf und soll der Mensch in die Natur eingreifen, damit wir genug Strom haben? Es ist die Gretchenfrage, die in der Debatte um den Ausbau der Stromproduktion aus Wind, Wasser und Sonne immer wieder auftaucht; diesmal im Gewand der Biodiversitätsinitiative.
Seit wenigen Wochen ist klar, dass die Initiative zur Abstimmung kommt. Der Bauernverband formiert bereits eine Nein-Allianz. Zu den ersten, die sich dieser angeschlossen haben, gehören zwei Verbände aus der Strombranche: der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) und aeesuisse. Sie befürchten, die Initiative würde den Bau von Wind- und Wasserkraftwerken sowie alpinen Solaranlagen erschweren.
«Es ist unbestritten, dass Biodiversität wichtig ist», betont VSE-Sprecher Julien Duc. Die Initiative gehe aber zu weit. «Eine Annahme käme einer Vollbremsung für den Ausbau der erneuerbaren Energien gleich.» Laut VSE wären das Erreichen der Energie- und Klimaziele sowie die Versorgungssicherheit gefährdet.
Die Biodiversitätsinitiative wurde von Umwelt- und Naturschutzorganisationen lanciert als Reaktion auf das Artensterben. Die Schweiz unternehme zu wenig für den Erhalt von Natur und Landschaft, kritisieren sie. Die Initiative fordert einen stärkeren Schutz sowie mehr Flächen und Geld zur Stärkung der Biodiversität. Im Initiativtext heisst es unter anderem: «Der Kerngehalt der Schutzwerte ist ungeschmälert zu erhalten.»
Dagegen stellt sich der Wirtschaftsdachverband für erneuerbare Energien und Energieeffizienz, aeesuisse. Er kritisiert, die Ziele der Energiestrategie 2050 würden mit der Initiative «weiter erschwert bis verunmöglicht». Die Schutzinteressen würden zu stark bevorteilt zulasten der Nutzungsinteressen. Dies führe zu einer «weiteren Verschlechterung» der Rahmenbedingungen für erneuerbare Energien.
Nach Ansicht des VSE wären bei Annahme der Initiative zahlreiche Projekte zum Ausbau der Wasser- und Windkraft sowie der alpinen Photovoltaik gefährdet, darunter auch solche des runden Tischs Wasserkraft, auf die sich die wichtigsten Akteure geeinigt haben.
Das Parlament hat diese Projekte im Mantelerlass Strom festgeschrieben, mit dem es den Ausbau erneuerbarer Energien vorantreiben will. Der VSE warnt jedoch, mit der Biodiversitätsinitiative würden die erzielten Fortschritte Makulatur. Auch Bundesrat Albert Rösti sagte im Parlament, bei Annahme der Initiative wäre es «kaum möglich», den Mantelerlass «konsequent umzusetzen». In anderen Worten: Die Umwelt- und Naturschützer stehen einmal mehr als Verhinderer der Energiewende da.
Erstaunt ob der Argumentation zeigt sich Martina Munz, SP-Nationalrätin und Präsidentin der Umweltschutzorganisation Aqua Viva. Die Initiative sei wichtig, um das dramatische Artensterben und den Verlust an Lebensraum zu stoppen, sagt sie. Und: «Von Vollbremsung kann keine Rede sein.»
Munz verweist auf die Botschaft des Bundesrats zur Initiative. Dort sei nicht die Rede davon, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien gebremst würde, betont sie. Es steht lediglich, dass «eine Umsetzung der Initiative zum Beispiel zu erheblichen Zielkonflikten mit der Energie- oder der Landwirtschaftspolitik führen» würde.
«Zielkonflikt bedeutet, dass es eine Interessensabwägung braucht zwischen Schutz- und Nutzungsinteresse», sagt Munz. «Das ist gängige Praxis.» Die Initiative lasse dem Parlament zudem bei der Umsetzung Spielraum.
Das sieht auch der Grüne Nationalrat Bastien Girod so, der die Initiative nach dem Scheitern des Gegenvorschlags unterstützt. Er würde sich bei einem Ja für eine Umsetzung einsetzen, die den geplanten Zubau der erneuerbaren Energien nicht gefährdet. «Das ist möglich, wird aber eine konzentrierte und präzise Gesetzesarbeit notwendig machen.»
Munz widerspricht auch der Kritik, die Initiative gefährde den Mantelerlass. Die Trägerorganisationen der Initiative stünden hinter diesem, betont sie. Wo der Ausbau der erneuerbaren Energien hauptsächlich stattfinden soll, ist für sie klar: auf überbautem Gebiet, auf Dächern, Fassaden, Parkplätzen. «So können wir die Energiewende schaffen, ohne die Biodiversität zu gefährden.»
Doch auch im linken Lager werden nicht alle warm mit der Biodiversitätsinitiative. Wenig Begeisterung zeigt SP-Energiepolitiker Roger Nordmann. Dass der Ausbau der erneuerbaren Energien gebremst würde, glaubt er zwar nicht. «Die Initiative könnte theoretisch genutzt werden, um die Windkraft auszubremsen», sagt er. «Aber ich glaube nicht, dass das Parlament sie so umsetzen würde.»
Seiner Ansicht nach fokussiert die Initiative jedoch zu stark auf den Landschaftsschutz; Nordmann spricht von einer «Ballenberg-Herangehensweise». Unter Druck sei die Biodiversität aber vor allem wegen der Landwirtschaft, und dieses Problem werde nicht gelöst, sagt er. Und stellt auch gleich klar: «Die Klimaerwärmung ist die grössere Bedrohung für die Biodiversität als ein paar Windkraftanlagen.» (bzbasel.ch)
Die Naturschutzverbände verhindern seit Jahrzehnten den Zubau erneuerbarer energien.
Auch für Windkraft in mittleren Lagen sind genügend Möglichkeiten gegeben.
Ebenso entscheidend ist die Speicherung die gute Fortschritte macht.
Es sollte also möglich sein auch für die Biodiversität eine Lanze zu brechen und wirklich störende Projekte zu redimensionieren.
Gegeneinander ausspielen ist der falsche Weg.
Die grossen Player sind mitunter das Problem.
Dabei sind es diejenigen, die die Biodiversitätsinitiative unterstützen, die auch für erneuerbare Energien einstehen.
Gut inszeniert Herr Röstli und Herr Ritter. Aber sehr durchsichtig