Die meisten werdenden Mütter wünschen sich, ihr Kind natürlich zu stillen. Durch die Teilnahme an Stillkursen können sie sich schon vor der Geburt umfassend mit dem Thema auseinandersetzen und sich vorbereiten.
Doch trotz intensiver Vorbereitung funktioniert das Stillen bei vielen Müttern nicht so, wie sie es gerne hätten. Für sie kann das besorgniserregend sein, denn beispielsweise die Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie und die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung empfehlen ausschliessliches Stillen während der ersten vier bis sechs Lebensmonate.
Influencerin Anja Zeidler schreibt nun, dass sich viele verzweifelte Mütter an sie gewendet hätten. Deshalb habe sie sich entschieden, ihre Community in einem Post auf die Facebook-Gruppe Human Milk for Human Babies hinzuweisen. In dieser Gruppe können Mütter ihre überschüssige Muttermilch anderen Frauen, die nicht stillen können, zur Verfügung stellen.
Eine der Betreiberinnen der Facebook-Gruppe sagt gegenüber watson: «Human Milk for Human Babies hat zur Mission, allen Kindern, deren Familien dies wünschen, den Zugang zu menschlicher Milch zu ermöglichen.» Sie führt aus: «Es gibt Eltern, die ihre Kinder nicht stillen können, und sie aber trotzdem mit menschlicher Milch ernähren möchten. Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die mehr Muttermilch produzieren, als sie brauchen. Unsere Seite stellt den Kontakt zwischen den beiden Gruppen her.»
Den Post über die Facebook-Gruppe hat Zeidler scheinbar nur zögerlich verfasst, so schreibt sie: «Ich habe lange überlegt, ob ich Folgendes wirklich posten soll, da es keine offizielle Empfehlung ist.»
Sie schreibt weiter aber auch, dass sie jegliche Verantwortung von sich weise und fordert ihre Follower auf, sich vollumfänglich über die korrekte Handhabung zu informieren.
Auf Anfrage von watson äusserte sich Zeidler nicht zu dem Post.
Zeidlers umfänglicher Disclaimer kommt nicht von ungefähr, denn beispielsweise die Stillförderung Schweiz, ein unabhängiges, nationales Kompetenzzentrum für Schwangerschaft, Geburt und Kleinkinder, findet solche Facebook-Gruppen bedenklich. Stillförderung Schweiz sagt gegenüber watson: «Aus hygienischen und gesundheitlichen Gründen ist die Abgabe von Frauenmilch über unkontrollierte Vermittlungsstellen abzulehnen.»
Die Stillförderung sagt, dass sie ihren Klientinnen nicht empfehlen würde, einer solchen Facebook-Gruppe beizutreten. Sie weist auf die Gefahren solcher Websites hin: «Wenn man die Muttermilch von unkontrollierten Vermittlungen annimmt, ist die Milch nicht auf Krankheitserreger oder eingenommene Substanzen wie Medikamente oder Drogen geprüft.»
Sie erklärt weiter: «Eine ununterbrochene Kühlkette kann nicht garantiert werden, was zum Problem werden kann, vor allem weil die Milch nicht pasteurisiert ist. Es gibt keine Qualitätskontrollen und einen Mangel an Haftung. Benutzerinnen und ihre Kinder übernehmen sämtliche Risiken beim Verwenden von nicht pasteurisierter Frauenmilch.»
Die Facebook-Gruppe entgegnet diesen Vorwürfen gegenüber: «Es bleibt den Familien selbst überlassen, zu entscheiden, ob sie die gespendete Milch an ihre Kinder verfüttern möchten oder nicht. Dazu nehmen Spender und Empfänger persönlich Kontakt zueinander auf, ein Austausch über Dritte ist durch unsere Regel explizit ausgeschlossen. Empfänger können alle relevanten Fragen stellen und sich von der Spenderin selbst ein Bild machen. Sie können Atteste über Krankheiten einfordern oder die Milch in einem Labor untersuchen lassen.»
Sie ergänzt: «In diesem Prozess ist unsere Seite dann nicht mehr involviert. Ein wichtiger Aspekt unserer Seite ist es, dass Spenderinnen keine finanzielle Entschädigung erhalten. Lediglich der Ersatz von Verbrauchsmaterial wie Muttermilchbeutel, Schläuche und Ventile der Milchpumpe ist erlaubt. Dadurch haben die Spenderinnen keinen Anreiz, die Milch in irgendeiner Art und Weise zu strecken.»
Die Stillförderung zeigt sich skeptisch gegenüber solchen Facebook-Gruppen. Die Frage steht im Raum, was die Stillförderung einer Mutter, welche nicht stillen kann, empfiehlt. Milchpulver? Laut Stillförderung gibt es viele individuelle Lösungen: «Stillende Mütter, die das Gefühl haben, zu wenig Milch für die Ernährung ihres gesunden Kindes zu haben, sollten sich bei Hebammen oder Stillberaterinnen informieren und beraten lassen.»
Es gibt schweizweit offizielle Frauenmilchbank-Zentren an verschiedenen Standorten. Diese nehmen gespendete, überschüssige Frauenmilch entgegen. Nachfolgend wird die Milch mikrobiologisch untersucht, pasteurisiert und an die Babys abgegeben, welche die Milch dringend benötigen, vorwiegend Risiko-Frühgeborene.
Das Angebot der offiziellen Milchbanken reicht aber laut der Facebook-Gruppe nicht aus: «In der Schweiz können die wenigen Muttermilchbanken den Bedarf aller Kinder nicht abdecken. Dort haben selbstverständlich besonders fragile Kinder wie kranke Babys oder Frühgeborene Priorität. Wenn das Kind nicht unter diese Kriterien fällt, aber die Eltern es dennoch mit Muttermilch ernähren möchten, gibt es hier die Möglichkeit, Muttermilch zu bekommen.»
Sie ergänzt: «Wir wollen nicht in Konkurrenz mit den offiziellen Milchbanken treten. Am besten für die Kinder in der Schweiz wäre es natürlich, wenn es genügend Milchbanken-Milch für alle Kinder gäbe, ob sie nun krank oder gesund, neugeboren oder schon älter sind. Das ist bisher aber nicht der Fall.»
Fazit: Es gibt noch Optimierungspotenzial