Wer sich in der Schweiz medizinisch versorgen lässt, weiss: Viele Arbeitskräfte im Gesundheitssektor kommen aus dem Ausland. 2023 hatte rund die Hälfte der fast 6900 neu registrierten Pflegefachkräfte ein ausländisches Diplom, ähnlich sieht es bei den Hebammen aus. Von den rund 1500 frisch ausgebildeten Physiotherapeuten stammten gut 70 Prozent aus dem Ausland, wie die Statistik der Bildungsabschlüsse des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) zeigt.
Das SRK ist zuständig für die Anerkennung der Diplome im Gesundheitsbereich und unterstützt ausländische Fachkräfte, sich im hiesigen System zu integrieren.
Um die Qualität der Versorgung angesichts der Vielfalt ausländischer Diplome besser abzusichern, legte die Politik 2016 für sieben Gesundheitsberufe national einheitliche Standards fest: für die Pflege, Physiotherapie, Ergotherapie, für Hebammen, Ernährung und Diätetik, Optometrie sowie Osteopathie. Vorgaben für die Ausbildung und die Anerkennung von Diplomen sollen die Patientensicherheit gewährleisten. 2020 trat das eigens geschaffene Gesundheitsberufegesetz in Kraft.
Und dieses sorgt nun seit geraumer Zeit für Aufregung: Denn in knapp drei Wochen läuft die fünfjährige Übergangsfrist ab. Wer es bis am 1. Februar verpasste, eine Berufsausübungsbewilligung (BAB) beim Kanton zu beantragen, darf nicht mehr in eigener fachlicher Verantwortung arbeiten. Für viele Berufsleute mit eigener Praxis gleicht das faktisch einem Berufsverbot.
Seit 2013 hat das Schweizerische Rote Kreuz 50'860 ausländische Abschlüsse im Gesundheitsbereich anerkannt. Marc Bieri, der beim SRK für die Gesundheitsberufe zuständig ist, sagt: «Für fünf der sieben Berufe, die neu in eigener fachlicher Verantwortung arbeiten, bedeutet die neue Regelung keine massive Änderung; für die neuen Berufe Osteopathie und Optometrie hingegen schon.» In der Osteopathie ist auch die Anerkennung ausländischer Diplome schwierig, weil die meisten Staaten den Gesundheitsberuf nicht anerkennen. Die Schweiz ist da Vorreiterin.
Um die Unterschiede in der Ausbildung zu verdeutlichen, weist Bieri auf den Aufwand hin: «Eine Ausbildung kann zwischen 200 Stunden und 8100 Stunden dauern.» In der Schweiz werde mit dem neuen Gesundheitsberufegesetz ein Masterabschluss und 8000 Stunden Ausbildung verlangt, damit ein Osteopath selbstständig als Erstversorger arbeiten darf. Das ist der Massstab. Bieri erklärt: «Das SRK muss das umsetzen, um die Qualität der Behandlung sicherzustellen.»
Was bedeutet das nun für die hiesigen Fachkräfte? Der Studiengang ist in der Schweiz relativ neu, 2014 eingeführt. Viele in der Schweiz praktizierenden Osteopathinnen verfügen daher über ein ausländisches Diplom. Und dieses genügt den Anforderungen häufig nicht.
Einen Lösungsweg hat das SRK längst aufgezeigt: «Die Betroffenen hatten seit langer Zeit die Möglichkeit, über eine Ausbildung oder die GDK-Prüfung den Nachweis ihrer fachlichen Kompetenz zu erbringen», sagt Marc Bieri. Derzeit absolvieren rund 300 Osteopathinnen eine Zusatzausbildung. Rund 1450 sind derweil im Gesundheitsberuferegister erfasst und erfüllen die Anforderungen vollumfänglich. In den letzten fünf Jahren habe man lediglich 40 Gesuche abgelehnt.
Wie viele Berufsleute trotzdem vor dem Aus stehen, lässt sich nicht beziffern. Teilweise wird von Rechtsexperten empfohlen, gar nicht erst ein Gesuch einzureichen, weil dies sowieso aussichtslos ist. Der Grund ist ein seit 2020 hängiges Verfahren am Bundesverwaltungsgericht, das über die Anerkennung ausländischer Diplome noch entscheiden muss.
«Die lange Dauer der Verfahren hindert unsere Mitglieder, rechtzeitig die Anerkennung zu erlangen», wie die Vereinigung akademischer OsteopathInnen Schweiz (Vaos) in einem Schreiben an die Kantonsregierungen formuliert. Die Vaos suchte bis zuletzt noch Lösungen für ihre Mitglieder. Sie sagt, die zeitliche Frist sei aufgrund der Gerichtsverfahren zu knapp bemessen. Doch auf politischer Ebene fand sie kein Gehör. Der Bundesrat erklärte auf eine Anfrage, das Gesetz sei seit 2016 beschlossen. Die Berufsverbände hätten acht Jahre Zeit gehabt, sich auf die Umstellung vorzubereiten.
Auch wenn die meisten Osteopathinnen und Osteopathen abgesichert sein dürften, könnten einzelne bald ihre Praxis verlieren. Den möglichen Konsequenzen ist sich auch das SRK bewusst. Marc Bieri sagt, das Gesetz diene der Patientensicherheit: «Wir hatten Abschlüsse aus Deutschland mit 800 Stunden Ausbildung. In der Schweiz werden 8100 verlangt – also 10 Mal mehr.»