Schweiz
Gesundheit

Gesundheitsberufegesetz: Osteopathen haben ab Februar strengere Regeln

osteopathie
Osteopathie gewinnt in der Schweiz an Beliebtheit.Bild: shutterstock

Neues Gesetz verschärft Vorgaben: Fallen ab Februar die Osteopathen aus?

Das Gesundheitsberufegesetz setzt neue Standards punkto Ausbildung. Das hat in der Osteopathie nun direkte Konsequenzen - und sorgt für Unruhe.
14.01.2025, 10:11
Anna Wanner / ch media
Mehr «Schweiz»

Wer sich in der Schweiz medizinisch versorgen lässt, weiss: Viele Arbeitskräfte im Gesundheitssektor kommen aus dem Ausland. 2023 hatte rund die Hälfte der fast 6900 neu registrierten Pflegefachkräfte ein ausländisches Diplom, ähnlich sieht es bei den Hebammen aus. Von den rund 1500 frisch ausgebildeten Physiotherapeuten stammten gut 70 Prozent aus dem Ausland, wie die Statistik der Bildungsabschlüsse des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) zeigt.

Das SRK ist zuständig für die Anerkennung der Diplome im Gesundheitsbereich und unterstützt ausländische Fachkräfte, sich im hiesigen System zu integrieren.

Um die Qualität der Versorgung angesichts der Vielfalt ausländischer Diplome besser abzusichern, legte die Politik 2016 für sieben Gesundheitsberufe national einheitliche Standards fest: für die Pflege, Physiotherapie, Ergotherapie, für Hebammen, Ernährung und Diätetik, Optometrie sowie Osteopathie. Vorgaben für die Ausbildung und die Anerkennung von Diplomen sollen die Patientensicherheit gewährleisten. 2020 trat das eigens geschaffene Gesundheitsberufegesetz in Kraft.

Und dieses sorgt nun seit geraumer Zeit für Aufregung: Denn in knapp drei Wochen läuft die fünfjährige Übergangsfrist ab. Wer es bis am 1. Februar verpasste, eine Berufsausübungsbewilligung (BAB) beim Kanton zu beantragen, darf nicht mehr in eigener fachlicher Verantwortung arbeiten. Für viele Berufsleute mit eigener Praxis gleicht das faktisch einem Berufsverbot.

1450 Osteopathinnen können aufatmen

Seit 2013 hat das Schweizerische Rote Kreuz 50'860 ausländische Abschlüsse im Gesundheitsbereich anerkannt. Marc Bieri, der beim SRK für die Gesundheitsberufe zuständig ist, sagt: «Für fünf der sieben Berufe, die neu in eigener fachlicher Verantwortung arbeiten, bedeutet die neue Regelung keine massive Änderung; für die neuen Berufe Osteopathie und Optometrie hingegen schon.» In der Osteopathie ist auch die Anerkennung ausländischer Diplome schwierig, weil die meisten Staaten den Gesundheitsberuf nicht anerkennen. Die Schweiz ist da Vorreiterin.

The International Committee of the Red Cross (ICRC) headquarters is pictured, in Geneva, Switzerland, Friday, June 23, 2023. (KEYSTONE/Martial Trezzini)
Hauptquartier des Roten Kreuzes: Seit 2013 hat das Schweizerische Rote Kreuz 50'860 ausländische Abschlüsse im Gesundheitsbereich anerkannt.Bild: KEYSTONE

Um die Unterschiede in der Ausbildung zu verdeutlichen, weist Bieri auf den Aufwand hin: «Eine Ausbildung kann zwischen 200 Stunden und 8100 Stunden dauern.» In der Schweiz werde mit dem neuen Gesundheitsberufegesetz ein Masterabschluss und 8000 Stunden Ausbildung verlangt, damit ein Osteopath selbstständig als Erstversorger arbeiten darf. Das ist der Massstab. Bieri erklärt: «Das SRK muss das umsetzen, um die Qualität der Behandlung sicherzustellen.»

Was bedeutet das nun für die hiesigen Fachkräfte? Der Studiengang ist in der Schweiz relativ neu, 2014 eingeführt. Viele in der Schweiz praktizierenden Osteopathinnen verfügen daher über ein ausländisches Diplom. Und dieses genügt den Anforderungen häufig nicht.

Einen Lösungsweg hat das SRK längst aufgezeigt: «Die Betroffenen hatten seit langer Zeit die Möglichkeit, über eine Ausbildung oder die GDK-Prüfung den Nachweis ihrer fachlichen Kompetenz zu erbringen», sagt Marc Bieri. Derzeit absolvieren rund 300 Osteopathinnen eine Zusatzausbildung. Rund 1450 sind derweil im Gesundheitsberuferegister erfasst und erfüllen die Anforderungen vollumfänglich. In den letzten fünf Jahren habe man lediglich 40 Gesuche abgelehnt.

Wie gross ist das Problem eigentlich?

Wie viele Berufsleute trotzdem vor dem Aus stehen, lässt sich nicht beziffern. Teilweise wird von Rechtsexperten empfohlen, gar nicht erst ein Gesuch einzureichen, weil dies sowieso aussichtslos ist. Der Grund ist ein seit 2020 hängiges Verfahren am Bundesverwaltungsgericht, das über die Anerkennung ausländischer Diplome noch entscheiden muss.

«Die lange Dauer der Verfahren hindert unsere Mitglieder, rechtzeitig die Anerkennung zu erlangen», wie die Vereinigung akademischer OsteopathInnen Schweiz (Vaos) in einem Schreiben an die Kantonsregierungen formuliert. Die Vaos suchte bis zuletzt noch Lösungen für ihre Mitglieder. Sie sagt, die zeitliche Frist sei aufgrund der Gerichtsverfahren zu knapp bemessen. Doch auf politischer Ebene fand sie kein Gehör. Der Bundesrat erklärte auf eine Anfrage, das Gesetz sei seit 2016 beschlossen. Die Berufsverbände hätten acht Jahre Zeit gehabt, sich auf die Umstellung vorzubereiten.

Auch wenn die meisten Osteopathinnen und Osteopathen abgesichert sein dürften, könnten einzelne bald ihre Praxis verlieren. Den möglichen Konsequenzen ist sich auch das SRK bewusst. Marc Bieri sagt, das Gesetz diene der Patientensicherheit: «Wir hatten Abschlüsse aus Deutschland mit 800 Stunden Ausbildung. In der Schweiz werden 8100 verlangt – also 10 Mal mehr.»

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
19 Gesundheitstipps vom schlechtesten Arzt der Welt
1 / 21
19 Gesundheitstipps vom schlechtesten Arzt der Welt
«Wenn du Bauchschmerzen hast, bedeutet das, dass dein Magen etwas Öl braucht, um wieder wie geschmiert zu funktionieren. Iss viel Frittiertes und du wirst dich sofort besser fühlen!»
bild: twitter

Auf Facebook teilenAuf X teilen
«Suizid-Gedanken haben sich seit Corona verdoppelt» – 147-Beraterin erzählt
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
116 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
frau süss
14.01.2025 10:32registriert März 2014
bei einer übergangsfrist von fünf jahren muss die vaos drei wochen vorher wirklich nicht mehr das heulen anfangen.
676
Melden
Zum Kommentar
avatar
Pürschtli
14.01.2025 10:23registriert Oktober 2023
Gerade die Osteopathie darf durchaus kritisch betrachtet werden, weil der Übergang zwischen Medizin und Esoterik dort fliessend ist.
7532
Melden
Zum Kommentar
avatar
Onyx
14.01.2025 10:56registriert Dezember 2014
So leid es mir für die Betroffenen tut, aber in der evidenzbasierten Medizin gibt es auch extrem hohe Standards für eine eigene Praxis. Und dass die Schweiz Verfahren ohne empirischen Wirknachweis fördert, kann man finden wie man will, aber es ist nur richtig, dass sie als Gesundheitsberufe dann strengen Regeln unterliegen.
326
Melden
Zum Kommentar
116
    Kanton Bern soll elektronische Einwegzigaretten verbieten

    Der Kanton Bern soll den Verkauf von elektronischen Einwegzigaretten verbieten. Der Grosse Rat hat am Donnerstag eine entsprechende Motion mit 92 zu 49 Stimmen angenommen.

    Zur Story