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Fasten ist gesund: Bald könnte es eine Pille dafür geben

Fasten ist gesund – vielleicht funktioniert das bald ganz ohne Hungern

Essensverzicht bietet nachweislich gesundheitliche Vorteile – und könnte gar das Leben verlängern. Forscher haben nun ein Molekül gefunden, das in Form einer Pille das Fasten nachahmen könnte.
13.01.2025, 21:53
Stephanie Schnydrig / ch media
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Vor bald hundert Jahren setzte der amerikanische Biochemiker Clive McCay einige seiner Laborratten auf Diät. Er gab ihnen ein Drittel weniger Kalorien zu essen als ihren Artgenossen – und beobachtete Erstaunliches: Die Lebenszeit der hungernden Ratten verlängerte sich um die Hälfte. Es war das erste Mal, dass lebensverlängernde Effekte durch Fasten nachgewiesen werden konnten.

Intervallfasten
Beim Intervallfasten wird nur während eines bestimmten Zeitfensters gegessen.Bild: Shutterstock

Studie um Studie bestätigte die Ergebnisse: Mäuse, Fruchtfliegen, Fadenwürmer, Wasserflöhe und Killifische profitierten offenbar von regelmässigem Nahrungsverzicht. So soll er nicht nur das Leben verlängern, sondern auch das Risiko für chronische Krankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs senken sowie für die Gehirngesundheit förderlich sein. Die Gründe dahinter versuchen Forschende seit Jahrzehnten zu entschlüsseln.

Ein chinesisches Forschungsteam von der Xiamen-Universität um den Stoffwechselexperten Sheng-Cai Lin hat nun neue Erkenntnisse durch Versuche an Fruchtfliegen und Fadenwürmern gewonnen. Diese haben sie in zwei soeben erschienenen Studien im Fachblatt «Nature» dargelegt. Sie berichten, ein Molekül gefunden zu haben, das die gesundheitsfördernden Mechanismen des Fastens in Gang setzt.

Nobelpreis für körpereigene Müllabfuhr

Man weiss bereits, dass das Protein namens AMPK eine entscheidende Rolle spielt. Dieses überwacht nämlich den Energiezustand der Körperzellen. Befinden sich die Zellen in einem durchs Fasten hervorgerufenen Energiemangel, sorgt das Protein dafür, dass der Körper vermehrt Energie aus Fettdepots gewinnen kann. Zudem startet der Körper nach 10 bis 16 Stunden ohne Kalorienzufuhr die sogenannte Autophagie. Das ist ein Prozess, bei dem beschädigte Zellen abgebaut und als Energiequelle genutzt werden. Für die Entdeckung dieser körpereigenen Müllabfuhr erhielt der japanische Zellforscher Yoshinori Osumi 2016 den Medizinnobelpreis.

Das chinesische Team hat nun zahlreiche Moleküle analysiert, um herauszufinden, welches davon den AMPK-Schalter während einer Kalorienrestriktion aktiviert. Dabei stiessen sie auf die Lithocholsäure, einen Bestandteil der Gallensäure. Daraufhin verfütterten die Forschenden Lithocholsäure an Fadenwürmer und Fruchtfliegen – welche daraufhin deutlich länger lebten als die Artgenossen, die keine Lithocholsäure bekamen. Würde man diese Substanz nun also in eine Pille verpacken, könnten sich die positiven Effekte des Fastens ganz ohne Hungern entfalten.

Noch raten die chinesischen Wissenschafter aber entschieden davon ab, einfach Lithocholsäure zu schlucken. Denn in hohen Dosen könnte sie giftig sein. Sheng-Cai Lin und sein Team möchten daher in einem nächsten Schritt in Versuchen mit Affen herausfinden, in welcher Dosierung Lithocholsäure sicher und wirksam sein könnte.

Entzündliches Bauchfett wird angegriffen

Gerade das Intervallfasten hat sich in den vergangenen Jahren zum grossen Diät-Hype gemausert. Dabei zählt man nicht Kalorien, sondern Stunden. Denn man isst nicht unbedingt weniger, sondern legt regelmässige Essenspausen ein.

Auch hierzu gibt es beeindruckende Studien an Tieren. Eine der ersten stammt von amerikanischen Forschern, die vor einigen Jahren in der Fachzeitschrift «Cell Metabolism» veröffentlicht wurde. Darin ist ein Foto von zwei Mäusen abgebildet. Die eine ist dick und krank, die andere schlank und rank. Dies, obschon beide genau gleich viele Kalorien zu sich genommen hatten. Der Unterschied: Die dicke Maus durfte den ganzen Tag futtern, die schlanke nur innerhalb eines Zeitfensters von 8 Stunden.

Die FT-Maus erhielt nur während 8 Stunden etwas zu essen.
Die FT-Maus erhielt nur während 8 Stunden etwas zu essen.Bild: Hatori et al.

Dennoch: Die grossen, langfristigen Studien am Menschen fehlen noch. «Vieles ist noch Hypothese», hält Michelle Egloff, Endokrinologin und Diabetologin am Kantonsspital Baden, in einem Blogbeitrag des Spitals denn auch fest. Aber die Evidenz werde immer grösser. So greife intermittierendes Fasten etwa gezielt Bauchfett an, dessen Entzündungsstoffe ein Risiko darstellten für Herzinfarkte oder Schlaganfälle.

Zwar deuten Studien darauf hin, dass diese positiven Effekte auch bei normalen Kalorienreduktionsdiäten auftreten. Aber Intervallfasten ist deutlich einfacher durchzuhalten, als den ganzen Tag über immer mit etwas Hunger im Bauch vom Tisch zu gehen. Und: Positive Effekte sind auch messbar, wenn man nur an zwei oder drei Tagen pro Woche das Intervallfasten betreibt – und das schon nach kurzer Zeit. So verbessern sich die Blutwerte, der Bluthochdruck lässt nach.

Fastenart ist nicht so entscheidend

Beim Intervallfasten gibt es verschiedene Varianten, zum Beispiel:

16:8-Methode: Das ist die beliebteste Fastenmethode. Bei dieser wird während 8 Stunden gegessen, die restlichen 16 Stunden wird gefastet. Am leichtesten fällt es dabei den meisten, auf das Frühstück zu verzichten. Noch besser für den Stoffwechsel wäre es laut Forschenden aber, das Abendessen auszulassen.

5:2-Methode: Bei dieser Methode wird an fünf Tagen wie gewohnt gegessen, an den beiden anderen Tagen der Woche reduziert man die Nahrungsaufnahme auf rund einen Viertel der üblichen Kalorienmenge. Das entspricht bei den meisten Personen einer Energiemenge von rund 500 Kalorien.

Alternierendes Fasten: Bei dieser Variante isst man einen Tag normal, am nächsten Tag nimmt man wie bei der 5:2-Methode ebenfalls nur 25 Prozent der sonst üblichen Energiemenge zu sich.

Für welche Fastenart man sich entscheidet, spielt letztlich keine grosse Rolle. Die Wirkung soll jeweils ähnlich sein. Andreas Michalsen, Chefarzt für Naturheilkunde am Immanuel Krankenhaus Berlin und Professor für klinische Naturheilkunde an der Charité, ist einer der renommiertesten Fastenexperten und empfiehlt, dass man einfach ausprobieren soll, um den für sich passenden Rhythmus zu finden.

Ausprobieren ist auch wichtig, weil Fasten den Hormonhaushalt durcheinanderbringen kann. Bei Frauen ist dieser Effekt grösser als bei Männern. Deshalb sollte man auf den eigenen Körper hören – und sich bei Bedarf mit der Frauenärztin absprechen. Ganz aufs Fasten verzichten sollten Schwangere, Stillende, Kinder, Jugendliche und chronisch Kranke.

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