Maria De Marco strahlt eine Wärme aus, wie es wenige Menschen tun. Wenn sie mit ihrer ruhigen Stimme spricht, tut sie dies auch mit ihren Händen und Augen. Sie ist 33 Jahre alt, lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern im Aargau, liebt es zu kochen und interessiert sich für fremde Religionen und Kulturen.
Früher sei sie auch lebensfroh gewesen, sagt sie. 2016 sollte die Zäsur folgen. Maria wurde krank, hatte das Pfeiffersche Drüsenfieber und kurz darauf eine nicht abheilen wollende Lungenentzündung, begleitet von hohem Fieber. Damit begann ihre Odyssee. Drei Jahre lang konnten die Spezialisten nicht herausfinden, was die Ursache für Marias Beschwerden waren.
2019 lag die Diagnose auf dem Tisch: Maria leidet unter dem Familiären Mittelmeerfieber (FMF). Dieses manifestiert sich bei ihr in Fieberschüben, Schmerzen in der Brustregion, die bis zu ihren Ohren ausstrahlen, und Atemnot.
Ein Mal in der Woche wird Maria von diesen Schüben heimgesucht. Schmerzmittel und Cortison leisten Abhilfe. Aber Maria sagt:
Der Grund für ihre Beschwerden: In ihrem Körper bilden sich immer neue Entzündungen. Einige kommen und heilen ab, andere bereiten ihr konstant Schmerzen, wie etwa jene im Herzbeutel und in den Gelenken.
Zudem könnte Maria bald unter einer Spätfolge des FMF leiden: der Amyloidose. Diese entsteht, wenn die Organe zu lange entzündet sind. Aufgrund dieser Komplikation lagert sich ein Protein in gewissen betroffenen Organen ab. Im schlimmsten Fall führen diese Ablagerungen zu Organversagen – bei Maria sind aktuell Milz, Leber, Herz und Lunge entzündet.
Viele Therapieversuche blieben bis dato erfolglos. Um das FMF zu hemmen, werden in der Regel Immunsuppressiva, also Medikamente, die das Immunsystem unterdrücken, wenn es körpereigenes Gewebe angreift, eingesetzt.
An einer Hand kann Maria die verschiedenen Immunsuppressiva, die sie bereits genommen hat, nicht mehr abzählen. Auch an zwei Händen nicht: Insgesamt probierte sie schon 13 Medikamente dieser Sorte. Doch sie reagiert auf viele der Medikamente allergisch, erlitt auch schon einen anaphylaktischen Schock, das ist eine schwere und lebensbedrohliche allergische Reaktion.
Maria vermutet, dass alles anders gekommen wäre, wenn sie die Diagnose schon früher bekommen hätte – dann hätten die Immunsuppressiva die Symptome womöglich lindern können.
2019 ist Maria fast gestorben. Sie wurde damals an der Thymusdrüse, einem Organ hinter dem Brustbein, operiert. «Eigentlich sollte man diese Drüse im Erwachsenenalter nicht mehr haben. Da ich noch keine Diagnose hatte, gingen die Ärzte davon aus, dass meine Fieberschübe von dieser Drüse kommen – deshalb wurde sie entfernt», erklärt Maria.
In den darauffolgenden Wochen hatte sie extreme Schmerzen im Brustbereich. Zuerst habe sie gedacht, dass diese Schmerzen normal seien und abklingen würden. Doch zwei Monate nach dem Eingriff seien die Schmerzen nicht mehr auszuhalten gewesen.
Die Ärzte stellten schliesslich fest: Maria hatte eine Zwerchfellentzündung. Sie musste erneut operiert werden. Bei der OP fanden die Chirurgen einen Liter Flüssigkeit in ihrer Lunge und 350 Milliliter in ihrem Herz. Selbst die Ärzte seien davon schockiert gewesen.
«Der Arzt hat zu meinem Mann gesagt: ‹Wenn wir noch einen Tag länger gewartet hätten, wären Sie neben einer Leiche aufgewacht.›» Nach dieser Operation war ein ganzes Ärzteteam damit beschäftigt, herauszufinden, was Maria hat. Mittels genetischer Untersuchung konnte die Diagnose dann endlich gestellt werden.
Inzwischen zählt Marias Patientendossier über 3000 Seiten. Allein in den letzten sieben Jahren ist sie acht Mal unter Vollnarkose operiert worden.
Ins Spital geht sie zwei bis drei Mal in der Woche für diverse Abklärungen. Für Maria wurde das alles zur – schier nicht aushaltbaren – Gewohnheit.
Von einer Heilung oder Besserung ist Maria weit entfernt. Denn für das Familiäre Mittelmeerfieber gibt es – nach dem aktuellen Forschungsstand – kein Heilmittel.
Wenn man Maria fragt, was ihre Wünsche sind, sagt sie: «Eine Therapie zu finden, die es mir erlaubt, die Krankheit in den Griff zu bekommen und grösstenteils schmerzfrei durchs Leben zu gehen.»
Ein Wunsch, der in Erfüllung gehen könnte. Theoretisch. Doch er kostet 180'000 Franken. Denn in den USA, im UCLA Health – Ronald Reagan Medical Center, einem der besten Spitäler der Welt, gibt es für das FMF eine Therapieform, die speziell auf den Patienten zugeschnitten ist.
Mittels personalisierter Medizin könnte für Maria ein einzigartiges Medikament entwickelt werden. «Im allerbesten Fall könnte ich sogar eine Gentherapie machen, da würde man mein defektes Gen ersetzen und ich wäre von der Krankheit befreit», sagt sie. Laut Maria konnten die Ärzte der UCLA, mit denen sie bereits in Kontakt ist, schon rund 700 FMF-Patienten behandeln – bei allen Patienten hätten sie eine Symptomlinderung erreicht.
Mit dieser Therapie könnten die Ärzte bewirken, dass sich die Entzündungen nicht weiter in ihrem Körper ausbreiten und ihrer grössten Angst – einem Organversagen – entgegenwirken. «Ich habe keine Zeit mehr zum Warten. Ich weiss nicht, wie schnell die Krankheit fortschreitet», sagt sie.
Doch Maria hat ein Problem: Ihre Krankenkasse kann und will die Kosten für diese Therapie nicht übernehmen. Denn es fehlen Studien, die beweisen, dass die Therapie an der UCLA wirklich Besserung bringt.
Vor ein paar Tagen postete Maria deshalb einen Spendenaufruf auf Instagram. Eine Seltenheit in der Schweiz – einem Land, in dem jeder eine obligatorische Krankenversicherung hat und dessen Gesundheitssystem noch dazu im internationalen Vergleich stets auf den vordersten Plätzen rangiert.
Die Idee für den Spendenaufruf hatte eine Freundin von Maria. Zuerst sei sie skeptisch gewesen. Maria ist keine Influencerin, sucht die Öffentlichkeit nicht. Aber sie sieht den Spendenaufruf als letzte Hoffnung. Mit einem möglicherweise positiven Nebeneffekt:
Maria ist stark, weiss, was ihr Ziel ist. Sie spricht klar, die Stimme bricht nicht. Nur einmal im Gespräch füllen sich ihre braunen Augen mit Tränen. Nämlich dann, wenn man sie fragt, was ihr am meisten Angst macht. Man merkt, dass sie die Antwort auf diese Frage täglich beschäftigt.
Sie sagt: «Dass die Krankheit mich eines Tages besiegt und ich nicht mehr für meine Kinder und meinen Mann da sein kann.»
Ich bin ja nicht sicher, ob die Vollkostenrechnung da aufgeht.
https://www.gofundme.com/f/medizinische-hilfe-usamein-kampf-gegen-fmf