Am 15. Mai stimmt das Schweizer Stimmvolk darüber ab, ob das Transplantationsgesetz geändert werden soll. Bundesrat und Parlament wollen mit der Vorlage ein zentrales Problem beseitigen: Es gibt zu wenig Spenderorgane.
Gegenstimmen sagen allerdings, dass die sogenannte Widerspruchslösung nicht zu mehr Spenden führen würde. Doch in welchen Fällen ist eine Organspende überhaupt möglich? Und in welchen weniger? Hier kommen sieben Beispiele, die du kennen solltest.
Der Fall, in dem eine Organspende im Durchschnitt am ehesten möglich ist, sieht so aus:
Ein 56-jähriger Mann wacht am Morgen auf und hat starke Kopfschmerzen. Er geht trotzdem arbeiten. Vor der Kaffeemaschine im Geschäft bricht er zusammen. Der Notarzt kommt, doch der Mann ist nicht mehr ansprechbar. Er wird beatmet und in die Notfallstation gebracht. Auf der Computertomografie (CT) sieht die Neurochirurgin, dass der Mann eine schwere Hirnblutung erlitten hat. Sie kann nichts mehr tun. Das Leben endet mit dem unumkehrbaren Hirntod.
Nun kommt die Familie ins Spital und wird aufgeklärt. Sofern kein Organspendeausweis vorliegt, müssen sie nach aktuellem Gesetz entscheiden, ob die Organe des Mannes transplantiert werden können oder nicht.
Ein möglicher Spender muss also zuerst auf der Intensivstation stabilisiert und beatmet werden. In dieser Zeit werden die Organe beurteilt und eine mögliche Spende abgeklärt. Die Umstände sind also sehr entscheidend.
Die Hirnblutung als Todesursache machte letztes Jahr 36 Prozent der Organspenden in der Schweiz aus, sagt Franz Immer. Er ist Direktor der Stiftung «Swisstransplant». «Dass jemand aus dem Nichts eine Hirnblutung hat, kann tatsächlich passieren. Im Alter ist der Grund dafür häufig, dass die Arterien verkalkt sind oder der Blutdruck zu hoch ist.»
Motorradfahrer und -fahrerinnen gelten häufig als Zielgruppe Nummer 1, wenn es um Organspenden geht. Ein Trugschluss, erklärt Franz Immer. «Motorradfahrer sind eine absolute Rarität als Spender.»
Der Grund: Verunfallte Motorradfahrerinnen versterben häufig am Unfallort. Für eine Spende muss man jedoch bei Eintritt des Hirntods bereits im Spital sein. Schafft es die Person doch noch auf die Intensivstation, sind ihre Verletzungen häufig so schwer, dass viele Organe geschädigt und nicht mehr brauchbar sind.
Beim Thema Unfälle ist die Frage, bei welchem Szenario eine Organspende möglich ist. Unter Punkt zwei steht bereits, was die Grundprinzipien sind: Hirntod tritt erst im Spital ein und die Organe sind intakt.
Das kann beispielsweise bei Kopfverletzungen durch einen Unfall sein: Wenn eine Bauarbeiterin vom Gerüst stürzt und sich den Kopf schwer anstösst. Auch hier ist entscheidend, dass die Person sofort künstlich beatmet und ins Spital gebracht wird.
Gleiches gilt, wenn etwa ein Fahrradfahrer stürzt oder angefahren wird. Allerdings sind diese Fälle eher selten: «Unfallbedingte Kopfverletzungen machen zehn bis 15 Prozent der Spender aus», erklärt Franz Immer von Swisstransplant.
Auch Kinder sind mögliche Spender. Ein möglicher Fall wäre beispielsweise eine Gehirnblutung:
Ein 6-jähriger Junge bläst einen Luftballon auf. Plötzlich hat er starke Kopfschmerzen. Er kommt ins Kinderspital, wo der Arzt eine Hirnblutung feststellt. Durch das Aufblasen ist ein Gefäss im Hirn gerissen. Jetzt müssen die Eltern entscheiden, ob sie die Organe ihres Sohnes spenden wollen.
Die Altersuntergrenze zum Organspenden ist die 44. Schwangerschaftswoche, erklärt Franz Immer. Ein Neugeborenes muss also mindestens vier Wochen alt sein. Stirbt ein Baby bei der Geburt, fällt es häufig unter die Grenze. «Überhaupt sei es äusserst selten, dass Kinder zu Spendern werden», so der Arzt.
Der Herzinfarkt zählt in der Schweiz zu einer der häufigsten Todesursachen. Allerdings können Organe in den wenigsten Fällen gespendet werden:
Ein 70-jähriger Pensionär erleidet zu Hause einen Herzinfarkt. Sein Partner alarmiert sofort die Ambulanz und beginnt mit der Herzmassage. Leider bringt die Hilfe nichts mehr.
Bei einem Infarkt kann das Hirn beschädigt werden, wenn es zu lange keinen Sauerstoff erhält. Diese Schäden führen dazu, dass die Hirnzellen sterben und es passiert ein ähnlicher Prozess wie bei der Blutung: Der Druck wird zu hoch. Kann die Ambulanz die Person reanimieren, wäre eventuell eine Organspende möglich. Allerdings gilt auch hier: Der Patient muss genug früh auf die Intensivstation gebracht werden, um dort anhand von Medikamenten und Maschinen stabilisiert zu werden.
Eine Altersobergrenze gibt es bei der Organspende nicht. «50 Prozent der Spender und Spenderinnen in der Schweiz sind über 60 Jahre alt», sagt Franz Immer.
Allerdings altern die Organe mit, was bedeutet, dass einige irgendwann nicht mehr brauchbar sind. Ab wann genau, lasse sich nicht sagen, erklärt der Facharzt für Herzchirurgie. Was aber klar sei: «Das Alter tangiert das Herz am stärksten und die Leber am wenigsten.» Der älteste Spender, der Franz Immer bekannt ist, war 88 Jahre alt.
Wer regelmässig Alkohol trinkt oder raucht, gilt deshalb nicht zwingend als ungeeignet für eine Organspende. Selbst wenn das die Angehörigen häufig vermuten:
Die Ärztin bespricht mit den Angehörigen einer 59-jährigen Patientin, ob ihre Organe gespendet werden können. Der Sohn sagt: «Unsere Mutter hat drei Flaschen Bier pro Tag getrunken. Besonders ihre Leber ist wohl nicht mehr intakt.» Bei der Gewebeentnahme stellen die Ärzte jedoch fest, dass die Leber tadellos ist.
«Es kommt sehr darauf an, wie viel eine Person täglich trinkt und wie lange schon», sagt Franz Immer. Das Gleiche gelte beim Rauchen. Überhaupt würden alle Organe zuerst untersucht, ob sie für eine Spende infrage kommen. «Ob und welche Organe man zuteilen kann, stellt sich erst nach dem Ereignis, wenn der Hirntod eingetreten ist und die Einwilligung zur Spende vorliegt.»
Selbst Viruskrankheiten wie HIV/Aids oder Hepatitis schliessen eine Organspende nicht aus. Jedoch spielt hier der Empfänger eine zentrale Rolle:
Eine 28-Jährige wartet auf eine Spenderlunge. Jetzt wird sie benachrichtigt, dass eine verfügbar wird, allerdings hat der Spender HIV/Aids. Die Empfängerin ist selber ebenfalls von der Viruskrankheit betroffen. Sie muss nun ausdrücklich zustimmen, dass sie diese Lunge empfangen will.
Organe von HIV-positiven Spendern würden nur bei Menschen transplantiert, die die Krankheit selber auch haben, erklärt Franz Immer. Ausserdem braucht es eine Einwilligung. Das Gleiche gilt bei Hepatitis.
Nur bei Hepatitis C könne man die Organe der ganzen Warteliste zuteilen. Der Empfänger muss ebenfalls informiert sein. Der Grund: Hepatitis C kann man medikamentös gut behandeln.
Auch mit HIV/Aids können Betroffene dank Medikamenten gut und lange leben. Hier sei man allerdings noch nicht so weit, sagt Arzt Franz Immer. «Es ist aber denkbar. Die Diskussionen laufen in der Schweiz wie auch in Italien oder Spanien in diese Richtung.»
Obwohl Krebs nicht pauschal ein Todesurteil bedeutet, macht man sich dann häufig über das Ableben Gedanken. Ist es mit dieser Diagnose auch sinnvoll, über eine Organspende nachzudenken?
Das komme sehr auf den Tumor an, sagt Franz Immer. Mehrere Fragen sind entscheidend: Was für einer ist es? Welche Organe hat er befallen? Wie aggressiv ist er? Bei einem bösartigen Lungenkarzinom, das bereits gestreut hat, ist eine Spende wenig sinnvoll. Hingegen ein Hirntumor, Prostata- oder Darmkrebs bildet weniger Metastasen. «Krebs ist je länger je weniger ein Ausschlusskriterium», sagt Immer.
Wer aus religiösen, ethischen oder anderen Gründen nicht spenden will, sollte aus denselben keine Spende annehmen. Weil der Spender in der eigenen Weltanschauung ja was „falsches“ macht, wäre logisch, dass man ihn davor bewahrt resp. zumindest nicht Beihilfe bietet…
Es ist nicht alles perfekt, abrr das ist es jetzt auch nicht…