Die Schweizer Pharmaindustrie hat im vergangenen Jahr rund 218 Millionen Franken an Ärztinnen und Ärzte sowie Spitäler bezahlt. Spitzenreiter war Novartis mit 31 Millionen Franken. Das geht aus der Selbstdeklaration von 65 Pharmafirmen hervor.
Die Industrie weist ihre Zahlungen seit 2015 aufgrund ihres Pharma-Kooperations-Kodex aus. Seit damals betrugen diese Zuwendungen an Fachpersonen und Gesundheitsorganisationen 1.4 Milliarden Franken.
Das Recherche-Netzwerk des Verlags Ringier Axel Springer wertete die Zahlen aus und veröffentlichte sie am Donnerstag. An der Datenauswertung beteiligten sich die Publikationen «Beobachter», «Handelszeitung», «Blick» und «SonntagsBlick».
Scienceindustries, der Verband Pharma und Chemie, bestätigte die Zahlungen auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Hinter Novartis findet sich 2022 mit einem Aufwand von 21.9 Millionen Franken Roche. Den dritten Platz nimmt der US-Konzern Pfizer ein, der 20 Millionen aufwarf.
Der Vergleich zeigt seit Beginn der Selbstdeklaration, dass sich die Pharmafirmen ihre Kontakte zu Fachpersonal und Kliniken Jahr für Jahr mehr kosten lassen. 2015 bezahlten sie noch 141 Millionen Franken. Neben Ärzteschaft, Apotheken und Spitälern erhalten auch medizinische Fachgesellschaften, Patientenorganisationen und andere Akteure der Gesundheitsbranche Zuwendungen.
Jürg Granwehr, Bereichsleiter Pharma und Recht bei Scienceindustries, erklärte das Wachstum der Zahlungen gegenüber Keystone-SDA auch mit der Anzahl der Firmen, welche dem Kodex angeschlossen sind. 2015 hätten ihm nur gut 50 Firmen angehört, aktuell seien es 65.
Es seien unterdessen aber weit mehr als 15 Unternehmen der Transparenzinitiative beigetreten, denn einige Unterzeichnerfirmen sind aufgrund von Fusionen auch wieder von der Liste verschwunden, deren Zuwendungen aber in der Summe erhalten geblieben.
2022 überstieg der Betrag erstmals die 200-Millionen-Grenze; 2021 hatten die Konzerne noch 196 Millionen Franken ausgeschüttet, 2020 183 Millionen.
2022 zahlten die Pharmafirmen aufgeschlüsselt auf die einzelnen Posten 7.5 Millionen Franken an Ärztinnen und Ärzte, 15 Prozent mehr als im Vorjahr. Das Niveau vor der Covid-19-Pandemie von 11 Millionen Franken war gemäss dem Branchenverband damit nicht wieder erreicht. Generell verlagere sich die direkte Unterstützung von den Fachpersonen hin zu Organisationen, hiess es weiter.
Das schlug sich in den Sponsorengelder an Spitäler, Ärztenetzwerke, Patientenorganisationen, Fachgesellschaften und weitere Akteure nieder. Sie beliefen sich auf 121 Millionen Franken nach 106 Millionen 2021.
Unter «Forschung und Entwicklung» finanzierten die Unternehmen die klinische Forschung in Spitälern mit 89.7 Millionen Franken. Das sind 7 Millionen mehr als 2021. Gemäss dem Verband schwankt das von Jahr zu Jahr stark, was sich mit wechselnd intensiven Aktivitäten in der klinischen Forschung erklären lässt. Die Spitäler sind unter diesem Posten nicht einzeln ausgewiesen. Die Pharmabranche verweist auf das Forschungsgeheimnis.
Granwehr verwies zudem auf den hohen individuellen Transparenzgrad bei den Zahlungen der Branche. So haben im Schnitt 92.4 Prozent der unterstützten Ärzte und Apotheker zugestimmt, ihre Namen und die erhaltenen Beträge im Internet öffentlich zu machen. Bei den geförderten Institutionen waren es 97.2 Prozent.
Dass die Betroffenen der Offenlegung zustimmen müssen, legt das Datenschutzgesetz fest. Laut Granwehr ist der Transparenzgrad in Deutschland oder Österreich viel tiefer.
Die Zahlungen von Pharmafirmen an Akteure im Gesundheitswesen sind gesetzlich geregelt. So sind Abgeltungen für Beratungsleistungen, Forschung und Fortbildung zulässig. Zur Verhütung überrissener Honorare bei Beratungsverträgen dürfen nur angemessene Ansätze vereinbart werden. Die Aufsicht nimmt das Bundesamt für Gesundheit wahr.
(yam/sda)