Nach Zeitumstellung landen mehr Menschen im Notfall
Am 26. Oktober ist es wieder so weit: Die Uhren werden um eine Stunde zurückgestellt. Zwar können wir länger schlafen, doch selbst diese Zeitumstellung hat gesundheitliche Folgen: Sie beeinflusst unsere Gesundheit und die Fälle auf den Notfallstationen.
Eine aktuelle Auswertung des Bundesamts für Statistik (BFS) dokumentiert einen deutlichen Anstieg der Notfallhospitalisierungen rund um die Zeitumstellung. Auffällig ist der Unterschied zwischen der Umstellung auf Sommerzeit und Winterzeit: Während die Notfalleintritte nach der Rückkehr zur Winterzeit am Sonntag nach der Umstellung um 3,5 Prozent steigen im Vergleich zum Sonntag davor, sind es bei der Umstellung auf die Sommerzeit ganze 6,5 Prozent.
Fehlende Stunde fehlt
Die Ursachen für diese Unterschiede liegen vermutlich in den Auswirkungen auf den menschlichen Biorhythmus. Beim Wechsel zur Sommerzeit geht eine Stunde Schlaf verloren. Ein scheinbar kleiner Eingriff, der jedoch grosse Folgen haben kann. Die innere Uhr, die unseren Schlaf-Wach-Rhythmus steuert, gerät aus dem Takt.
Eine Metaanalyse des Universitätsklinikums Köln aus dem Jahr 2024 zeigte, dass das Risiko für Herzinfarkte in der Woche nach der Frühjahrsumstellung signifikant erhöht ist. Die abrupten Veränderungen der biologischen Abläufe gelten als mögliche Auslöser. Auch Studien aus Bologna, Schweden und den USA bestätigen diese Beobachtung. So dokumentierte das Karolinska-Institut in Schweden einen Anstieg des Herzinfarktrisikos um fünf Prozent in der Woche nach der Sommerzeitumstellung – ein Effekt, der im Herbst nicht nachweisbar war.
Folgende Krankheiten treten vermehrt auf
Neben Herz-Kreislauf-Erkrankungen treten auch andere Beschwerden vermehrt auf: Schlafstörungen, Schlaganfälle, Migräneattacken, Konzentrationsprobleme sowie eine Zunahme von Verkehrs- und Arbeitsunfällen wurden in verschiedenen Studien beobachtet.
Besonders deutlich zeigt sich der Unterschied bei Migräne: Eine Untersuchung der Schmerzklinik Kiel ergab, dass die Häufigkeit von Migräneattacken nach der Umstellung auf Sommerzeit um 6,4 Prozent steigt, während sie nach der Herbstumstellung um 5,5 Prozent sinkt. Die gestörte Synchronisation des biologischen Rhythmus gilt als Hauptursache. «Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Wechsel zur Sommerzeit die Anpassung der inneren Uhr verzögert, während die Rückkehr zur Standardzeit im Herbst die Synchronisation mit den natürlichen Lichtverhältnissen wiederherstellt», erklärt Professor Hartmut Göbel.
Die innere Uhr braucht Zeit zur Anpassung
Die innere Uhr steuert, wann wir schlafen, essen und aktiv sind. Sie orientiert sich vor allem am Licht. Im Winter produziert der Körper mehr vom Müdigkeitshormon Melatonin, im Sommer wird dessen Produktion durch das zusätzliche Licht gehemmt. Doch die hormonellen Prozesse und die innere Uhr lassen sich nicht einfach umstellen – viele Menschen fühlen sich deshalb nach der Zeitumstellung müde und unausgeglichen. Diese Effekte sind zwar vorübergehend, doch die Anpassungszeit ist individuell und kann mehrere Tage bis Wochen dauern.
Die Schweiz hat seit 1981 die Sommerzeit, obwohl das Stimmvolk drei Jahre zuvor mit über 83 Prozent gegen deren Einführung gestimmt hatte. Damals entschieden sich Bundesrat und Parlament dennoch für die Zeitumstellung – laut dem Eidgenössischen Institut für Metrologie (Metas) vor allem aus wirtschaftlichen Gründen. Damals drohte die Schweiz zur Zeitinsel zu werden. Die Entscheidung wurde getroffen, um sich mit den europäischen Partnern zu synchronisieren.
Ganzjährige Sommerzeit ist keine gute Idee
2019 sprach sich das EU-Parlament für die Abschaffung aus. Umgesetzt ist aber noch nichts, denn es bleibt offen, ob Sommer- oder Winterzeit gelten soll. Fachleute warnen vor gesundheitlichen Folgen einer dauerhaften Sommerzeit: Die innere Uhr gerät aus dem Takt, weil das Morgenlicht fehlt. Würde die Sommerzeit ganzjährig gelten, würde die Sonne in Städten wie Zürich im Winter erst gegen 9 Uhr aufgehen. Das bedeutet, dass viele Menschen ihren Tag im Dunkeln beginnen müssten, was den natürlichen Schlaf-Wach-Rhythmus stört. Denn Sonnenlicht am Morgen ist entscheidend für die Aktivierung des Körpers. Es unterdrückt die Produktion des Schlafhormons Melatonin und fördert die Ausschüttung von Cortisol, das uns wach und leistungsfähig macht.
Christian Baumann, Neurologe am Universitätsspital Zürich, betont gegenüber dem SRF: «Optimal ist es, wenn möglichst bald nach dem Aufwachen helles Sonnenlicht auf die Augen trifft und wir abends im Dunkeln ins Bett gehen können.»
Die Erkenntnisse des BFS und der medizinischen Forschung werfen ein neues Licht auf die gesellschaftliche Praxis der Zeitumstellung. Während die Diskussion über deren Abschaffung weiterläuft, zeigen die Daten, dass nicht nur Einzelpersonen, sondern auch das Gesundheitssystem spürbar betroffen ist – und dass die Umstellung zur Sommerzeit dabei die deutlich grössere Belastung darstellt. (aargauerzeitung.ch)