Schweiz
Gesundheit

Schweizer sparen bei den Medikamenten wegen Selbstbehalt

Der Einkauf wird in einer Amavita Apotheke an der Kasse abgewickelt, fotografiert am 24. Januar 2020 in einer Filiale in Zuerich. (KEYSTONE/Christian Beutler)
Schweizerinnen und Schweizer greifen häufiger zu Generika.Bild: KEYSTONE

Wenn es ums eigene Geld geht, sparen Schweizer sogar bei den Medikamenten

Seit 2024 ist der Selbstbehalt bei Originalpräparaten deutlich angehoben worden. Das hat Wirkung, wie nun erstmals eine exklusive Auswertung der Krankenkasse Swica zeigt.
12.04.2025, 15:1812.04.2025, 15:18
Florence Vuichard / ch media
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Egal, ob beim Cholesterin- oder Bluthochdrucksenker, dem MS-Präparat oder dem Cortison-Nasenspray: Der unachtsame Kauf eines kassenpflichtigen Medikamentes kann teuer werden. Denn wer zum Originalpräparat greift statt zum Nachahmerprodukt, zahlt seit Anfang 2024 stolze 40 Prozent statt nur die üblichen 10 Prozent Selbstbehalt.

Der Bundesrat wollte mit dieser Verordnungsrevision den Marktanteil der vergleichsweise günstigen Generika und Biosimilars, also der Nachahmerprodukte von Biopharmaka, erhöhen – und als Folge davon das Wachstum bei den Gesundheitskosten dämpfen.

Mehrere Experten waren damals skeptisch, ob die Massnahme die gewünschte Wirkung haben würde. Denn: Wer viele Medikamente bezieht, erreicht den maximalen Selbstbehalt von 700 Franken pro Jahr so oder so – mit dem höheren Selbstbehalt einfach etwas früher.

Patienten greifen häufiger zu den Generika

Doch die Zweifler haben ihre Rechnung ohne die Patienten gemacht: Denn die Erhöhung des Selbstbehalts scheint zu wirken, wie eine Datenauswertung der Krankenkasse Swica für mehrere Präparate zeigt. So hat sich zum Beispiel die Anzahl der bei der Swica versicherten Patienten, welche zum Cholesterinsenker Crestor greifen, innert eines Jahres fast halbiert.

Gleichzeitig hat sich 2024 im Vergleich zu 2023 die Anzahl jener Personen erhöht, die nun ein geeignetes Generikum nehmen. Das gleiche Muster zeigt sich auch bei den Auswertungen für den Cholesterinsenker Atozet und für den Bluthochdrucksenker Exforge HCT von Novartis.

Beim MS-Medikament Gilenya, ebenfalls aus dem Hause Novartis, nahm die Anzahl bei den Swica-Versicherten gar um drei Viertel ab. Und das wiederum zahlt sich aus: Denn ein Gilenya-Patient kostet die Swica, berechnet anhand der Zahlen von 2024, im Schnitt 8896 Franken pro Jahr, wer hingegen zum entsprechenden Generikum greift, kommt auf durchschnittlich rund 4555 Franken pro Jahr. «Da zeigen sich schon markante Unterschiede», sagt Swica-Sprecher Oliver Steimann.

Interessantes Sparpotenzial

Kleiner sind die Differenzen bei Crestor. So belaufen sich die Kosten hier auf gut 219 Franken pro Jahr und Person, für das entsprechende Generikum sind es 141 Franken. Da aber im Vergleich zu MS-Präparaten viel mehr Patientinnen und Patienten Cholesterin- und Bluthochdrucksenker nutzen, sei das Sparpotenzial auch hier interessant, ergänzt Steimann.

Ähnliche Erfahrungen wie die Swica dürften andere Krankenversicherer gemacht haben. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) kann jedoch «zum aktuellen Zeitpunkt» noch keine detaillierten Statistiken vorlegen, wie es auf Anfrage festhält. Hingegen verweist das Amt auf eine Präsentation eines Beratungsunternehmens für den Branchenverband der Pharma (Vips).

Demnach hat der Absatz 2024 von Originalpräparaten in der Schweiz um 14 Prozent oder 86 Millionen Franken abgenommen, jener von Generika gleichzeitig um knapp 13 Prozent auf 118 Millionen Franken zugenommen. Bei den biologischen Wirkstoffen sind die Umsätze von Originalpräparaten um fast 106 Millionen Franken gesunken, diejenigen von Biosimilars um gut 50 Millionen Franken gewachsen.

Sparziel von 300 Millionen Franken

Das Ziel des Bundesrats war es, mit der Selbstbehaltserhöhung Einsparungen von 300 Millionen Franken pro Jahr zu erreichen. Beim BAG zeigt man sich zuversichtlich, dass dies auch erreicht werden kann – umso mehr, als seit Mitte 2024 auch noch eine weitere, gleich gerichtete Reform in Kraft getreten ist, die Fehlanreize beim Medikamentenvertrieb eliminiert hat.

Früher war der Verdienst der Apotheken, Spitäler und Ärzte an den Medikamentenpreis gekoppelt. Je höher der Preis des Medikamentes war, desto mehr Geld erhielten die Leistungserbringer.

Neu gibt es einen fixen Betrag, der unabhängig ist vom Medikamentenpreis. Auch das, so die Hoffnung der Promotoren der Reform, sollte den Verkauf der vergleichsweise günstigeren Generika und Biosimilars ankurbeln – und sich bald in den Statistiken der Krankenkassen niederschlagen.

(aargauerzeitung.ch)

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19 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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PlusUltra
12.04.2025 16:50registriert Juni 2019
Weshalb verwundert das? Ich bin Patient, nicht Arzt. Was mir verschrieben wurde, nehme ich. Gibt es eine gleichwertige günstige Alternative, dann ja bitte. Aber doch nicht nur auf aktives Nachfragen meinerseits. Das ist ein Job für Ärzte/Apotheker.
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Garp
12.04.2025 16:06registriert August 2018
Man müsste den Ärzten die Rechnung stellen. Die sollen Generika verschreiben.
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Herr Hirnweh Grübelmüd
12.04.2025 18:53registriert März 2025
Meine Hausarztpraxis gibt von sich aus - wo irgendwie möglich - nur noch Generika raus. Sehr gut.
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