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Drei Glarner Polizisten von versuchter Tötung freigesprochen

Nach Schüssen auf Flüchtende: Drei Glarner Polizisten von versuchter Tötung freigesprochen

16.05.2025, 15:1116.05.2025, 15:11
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Drei Glarner Kantonspolizisten sind vom Glarner Kantonsgericht vom Vorwurf der mehrfachen versuchten vorsätzlichen Tötung freigesprochen worden. Sie hatten elf Mal auf ein Fluchtfahrzeug geschossen und zwei Flüchtende getroffen.

Anklage erhoben hatte die Glarner Staatsanwaltschaft. Wie dem am Freitag publizierten Urteil zu entnehmen ist, hatte sie für die drei Polizeibeamten Freiheitsstrafen zwischen 10 und 15 Jahren gefordert.

Die drei Polizisten, damals im Alter zwischen 34 und 46 Jahren, hatten 7. Mai 2022 in Näfels ein mit albanischen Einbrechern besetztes Fahrzeug stoppen wollen. Dabei gaben sie insgesamt elf Schüsse ab, zum Teil bewusst und kontrolliert, zum Teil in Todesangst. Einer der drei Diebe wurde dabei lebensgefährlich am Kopf getroffen, ein anderer am Oberschenkel.

Ereignisse überschlugen sich

Die uniformierten Männer waren am frühen Abend aufgeboten worden, um ein mutmasslich mit Einbrechern besetztes Fahrzeug zu stoppen. Noch während zwei Beamte eine Strassensperre mit Polizeiautos errichteten und einer sich ausserhalb ihrer Sichtweite als Vorposten platzierte, überschlugen sich die Ereignisse.

Als der Vorposten das Fluchtauto mit Handzeichen und lauten Anweisungen stoppen wollte, fuhr dieses an ihm vorbei. Der Polizist schoss darauf zweimal auf ein Hinterrad.

Er habe nicht gewusst, wie weit die Kollegen mit der Strassensperre seien, sagte der Mann gegenüber der Justiz aus. Er habe das Fluchtauto verlangsamen wollen, damit dieses weniger schnell auf die Polizisten losfahren könne.

Das Restrisiko, einen der Insassen zu treffen, sei ihm bewusst gewesen. Er habe aber genau gewusst, wohin er aus nächster Nähe schiesse und habe somit das Restrisiko fast «auf null minimiert», so der angeklagte Polizist.

«Mit den Schüssen, die äusserlich wahrnehmbar einzig und allein auf einen Reifen erfolgten, hat der Beschuldigte vorliegend somit den Tod eines oder mehrerer Fahrzeuginsassen eindeutigerweise nicht in Kauf genommen», schrieb dazu das fünfköpfige Richtergremium.

Unklare, bedrohliche Situation

Die beiden anderen Polizisten hörten die Schüsse, wussten aber nicht, wer geschossen hatte. Sie gingen davon aus, dass die Täter bewaffnet waren. Als der zweite Polizist das Fluchtauto herannahen und auf ihn zukommen sah, schoss er viermal auf die Fahrzeugfront und viermal auf das Fahrzeugheck, jeweils auf den Bereich der Nummernschilder.

Der achte Schuss aber durchschlug die Heckscheibe und traf den Beifahrer am Kopf. «Die Schussverletzung führte zu einem schweren Schädel-Hirn-Trauma und war lebensbedrohlich», heisst es dazu im Urteil.

Zum Prozess beigezogene Gutachter wiesen laut der Urteilsschrift auf den Umstand hin, dass Schiessende in Stresssituationen oftmals nach dem bewussten letzten Schuss unkontrolliert noch zwei, drei Schüsse abgeben. Der Beschuldigte dürfte aufgrund der überraschenden und bedrohlichen Situation weitgehend intuitiv gehandelt haben, hiess es im Urteil.

Ähnlich schätzten die Richterinnen und Richter das Verhalten des dritten Polizisten ein. Er musste sich auf die Seite werfen, um vom Fluchtauto nicht überfahren zu werfen. Dabei gab er einen – aus polizeilicher Sicht eigentlich sinnlosen – Schuss auf eine Seitentüre des Autos ab. Dabei traf er den Fahrer am Oberschenkel.

Rund um den Mann seien Schüsse gefallen und ein Auto sei auf ihn zugerast. Der Polizist habe sich in einem Überlebenskampf gewähnt, erkannte das Gericht.

Tödliche Verletzung nicht in Kauf genommen

Keiner der drei Polizisten habe bewusst eine tödliche Verletzung der Fahrzeuginsassen in Kauf genommen, lautete das Schlussverdikt des Gerichts. Das erstinstanzliche Urteil ist nicht rechtskräftig und kann innert 20 Tagen vor dem Glarner Obergericht angefochten werden.

Leer gingen die angeschossenen Einbrecher aus, die als Privatkläger auftraten. Das Gericht trat auf ihre Genugtuungsforderungen nicht ein.

Die Gerichtskosten von 110'000 Franken gehen zulasten des Staates. Die fünf involvierten Anwältinnen und Anwälte werden aus der Gerichtskasse mit insgesamt 140'000 Franken entschädigt. (hkl/sda)

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