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1000.- mehr pro Monat: So dreist erhöht ein Immobilien-Riese die Mieten

Plötzlich 1000 Franken mehr pro Monat: So dreist erhöht ein Immobilien-Riese die Mieten

Nach einem Mieterwechsel verlangt die Versicherung Baloise in Zürich plötzlich 1000 Franken mehr Miete pro Monat für eine Wohnung. Das wirft Fragen zur Legalität auf, ist aber kein Einzelfall.
24.10.2025, 21:2324.10.2025, 22:47
Stefan Ehrbar / ch media
Kostet über Nacht 1000 Franken mehr pro Monat: Eine Wohnung von Baloise im Zürcher Kreis 2.
Kostet über Nacht 1000 Franken mehr pro Monat: Eine Wohnung von Baloise im Zürcher Kreis 2.Bild: Elizabeth Desintaputri (24.10.2025)

Eine «moderne und helle Wohnung» im Quartier Greencity in der Stadt Zürich mit «hochwertigen Materialien, offenen Wohnräumen und industriellem Charakter» verspricht ein aktuelles Wohnungsinserat. Zu reden macht es wegen des Preises: 4330 Franken pro Monat will die Vermieterin, die Versicherung Baloise, für die 4,5-Zimmer-Wohnung. Dabei war sie gerade noch viel günstiger.

Vor zwei Jahren war die identische Wohnung im selben Gebäude eine Etage tiefer für 3262 Franken ausgeschrieben. CH Media weiss: Andere Mieter zahlen für baugleiche Wohnungen im gleichen Gebäude derzeit 3300 Franken. Baloise nutzt einen Mieterwechsel also, um den Preis um 1000 Franken zu erhöhen. Ist das überhaupt erlaubt?

Vermieter dürfen bei einem Mieterwechsel zwar einen Teil der Inflation und der Kostensteigerung verrechnen, die seit der letzten Anpassung aufgelaufen ist. Damit lässt sich in diesem Fall aber maximal eine Kostensteigerung von 100 Franken pro Monat begründen.

Baloise lässt einen Fragenkatalog unbeantwortet. Zu einzelnen Wohnungen könne man keine Stellung nehmen, teilt ein Sprecher mit. «Grundsätzlich» orientiere sich die Mietpreisgestaltung an verschiedenen Faktoren. Baloise nennt sechs – doch nicht alle eignen sich in diesem Fall als Argument, wie eine Überprüfung zeigt:

  • Der Ausbaustandard. An diesem hat sich in diesem Fall nichts geändert.
  • Die Grösse und Lage der Wohnung. Auch hier gab es keine Änderungen.
  • Die Nachfrage. Diese ist in der Stadt Zürich höher denn je – doch das Mietrecht kennt dieses Argument nicht für Mietzinserhöhungen.
  • Investitionen. Solche wurden laut Informationen von CH Media seit dem letzten Mieterwechsel nicht in wesentlichem Umfang getätigt. Baloise beantwortet eine Frage danach nicht.
  • Das Zinsniveau. Dieses Argument spricht für eine Preissenkung, nicht für eine Erhöhung. Der Leitzins der Nationalbank liegt mit 0,0 Prozent deutlich tiefer als vor zwei Jahren mit 1,75 Prozent. Der hypothekarische Referenzzinssatz, massgebend für die Mieten, ist mit 1,25 Prozent ebenfalls tiefer als damals mit 1,5 Prozent.
  • Orts- und Quartierüblichkeit. Damit gemeint sind die Preise von vergleichbaren Wohnungen in der Umgebung. Unbestritten sind die Preise in Zürich und in diesem Quartier in den vergangenen Jahren gestiegen. In einem Neubau von Swiss Life im gleichen Quartier wurden vergangenes Jahr 4,5-Zimmer-Wohnungen ab 4150 Franken pro Monat vermietet. Das Gesetz sieht die Orts- und Quartiersüblichkeit als Begründung auch vor. Das Bundesgericht hat aber entschieden, dass sie im Grundsatz nur bei über 30-jährigen Gebäuden relevant ist. Bei jüngeren Gebäuden wie in diesem Fall – Baloise gibt als Baujahr 2017 an – ist die Rendite das entscheidende Kriterium bei der Frage, ob ein Mietzins überhöht ist.Vermieter dürfen in der Schweiz nicht einfach Mieten verlangen, die gerade noch bezahlt werden können. Zumindest in der Theorie kennt das Mietrecht keine Marktmiete.

Stattdessen sind verschiedene Indikatoren massgeblich bei der Frage, wie hoch ein Mietzins sein darf. Bei jüngeren Gebäuden mit einem Alter von bis zu 10 Jahren zählt gemäss Bundesgericht die Bruttorendite. Wenn der hypothekarische Referenzzinssatz bei unter 2 Prozent liegt, darf sie maximal 3,5 Prozent über dem Referenzzinssatz liegen, aktuell also bei 4,75 Prozent.

Selbst wenn Baloise bisher mit den Wohnungen eine Bruttorendite von 0 Prozent erzielt hätte, ist es fast unmöglich, dass die neue Rendite 4,75 Prozent nicht übersteigt. Der Verdacht liegt deshalb nahe, dass Baloise eine Marktmiete erzielen will – im Wissen darum, dass es genug Menschen gibt, die sich solch hohen Mieten leisten können.

«Die Situation wird ausgenutzt»

Die Mietzins-Praxis von Baloise ist nicht nur für den Einzelfall relevant. Mit fast 14'000 Wohnungen gehört sie zu den grössten Vermietern. Nur die UBS, Swiss Life, Pensimo und die Migros-Pensionskasse verfügen über mehr Wohnungen. Nach der Fusion mit Helvetia wird sich das Gewicht von Baloise auf dem Immobilienmarkt weiter erhöhen. Wie der Konzern seine Mieten berechnet, hat Einfluss auf Zehntausende Menschen, den Wohnungsmarkt und die Wirtschaft, denn was die Menschen an Miete bezahlen, fehlt ihnen für den Konsum.

Baloise ist nicht alleine: CH Media hat den Fall einer grossen Berner Immobilien-Firma dokumentiert, die in Zürich-Höngg versuchte, eine 4,5-Zimmer-Wohnung für 4400 Franken zu vermieten – und den Preis erst um 500 Franken reduzierte, als sie keine Mieter fand. Der Immobilienkonzern Allreal vermietet in Zürich-Wollishofen 3,5-Zimmer-Wohnungen ab 4160 Franken pro Monat und gibt gegenüber dem Portal Watson freimütig zu, dass Abschreibungen für ein Geschäftshaus mit ein Grund für die hohen Mieten seien. Ähnliche Fälle gibt es im ganzen Land, doch in Zürich ist die Wohnungsnot besonders akut und damit der Anreiz gegeben, Mieten zu erhöhen.

Wenig erstaunt über Fälle wie diese sind Verfechter einer mieterfreundlicheren Politik. Grünen-Nationalrat und Mieterverbands-Vize Michael Töngi hält den Aufschlag im Greencity-Fall für «sehr hoch». Das komme aber oft vor. Solche Fälle trieben das Mietzinsniveau weiter in die Höhe. «Die Situation wird ausgenutzt», sagt er.

Vermieter schlagen hemmungslos auf

Die neuen Mieter können den Anfangsmietzins zwar anfechten. Im Kanton Zürich müssen Vermieter auf einem Formular den Grund für Preiserhöhungen angeben. Leider aber habe das Bundesgericht mehrere Urteile gefällt, die eine Anfechtung erschwerten, sagt Töngi. Längere Zeit habe etwa die Vermutung gegolten, dass ein Aufschlag von 10 Prozent missbräuchlich sei. Neu müsse er höher sein, und die Vermieterseite könne Indizien vorbringen, für die weniger strenge Vorgaben gelten. Dann liege die Beweislast bei den Mietern.

Solche Änderungen hätten dazu geführt, dass die Vermieterinnen und Vermieter «hemmungslos aufschlagen». Zuvor habe der Aufschlag oft unter 10 Prozent gelegen, um die Beweislast zu umgehen. Die Strategie ist laut Töngi oft, eine möglichst hohe Rendite herauszuholen. Die Argumentation von Baloise zeige, dass je nach Situation andere Gründe genannt würden – was gerade am besten passe.

Der Mieterverband sammelt nun Unterschriften für eine Initiative, die eine automatische und regelmässige Überprüfung von Mietzinsen verlangt. Auf bürgerlicher Seite argumentieren Politiker damit, dass es nur wenige schwarze Schafe gebe. Wer alle Vermieter als «böse, illegale Abzocker» in einen Topf rühre, «politisiert an der Realität vorbei», sagte der damalige FDP-Präsident Thierry Burkart kürzlich zu SRF. Preise würden steigen, weil es zu wenig Wohnraum gebe im Verhältnis zur Nachfrage – und weil vor allem «linke Städte» zu viele Auflagen machten. (aargauerzeitung.ch)

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128 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Tom Scherrer (1)
24.10.2025 21:34registriert Juni 2015
Ist IRGENDWER erstaunt?

Sie tun es weil sie es können. Und da kommt noch mehr von dem.

Punkt.
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mikel
24.10.2025 21:36registriert Februar 2014
Am besten die Versicherung der Basler kündigen. Das ist die einzige Sprache die sie kennen.
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Vogu Lisi
24.10.2025 21:42registriert April 2025
Ich bezweifle, dass das in irgendeiner Form legal ist oder legal sein sollte.

Vor allem ist die Baloise ein riesiges Unternehmen, die gehen nicht konkurs, wenn sie faire Mieten verlangen.
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