Die Mieten in der Schweiz steigen. Aber nicht überall und für jedes Wohnobjekt gleich schnell. Das zeigt eine Analyse des Vergleichsdienstleisters Comparis der zehn grössten Schweizer Städte.
Gleichzeitig wollen viele Schweizerinnen und Schweizer umziehen. Und verbleiben dennoch in ihren Wohnungen und Häusern. Der Grund: mangelndes Angebot und fehlende Anreize. Zu diesem Ergebnis ist im Mai eine Studie der ZHAW gekommen.
Was bedeutet diese Ausgangslage für jene, die auf Wohnungssuche sind? Um das herauszufinden, wagt watson ein kleines Gedankenexperiment. Die Frage: Was für ein Wohnobjekt kann man für 1500 Franken Monatsmiete inklusive Nebenkosten in den zehn grössten Schweizer Städten bekommen?
Dafür durchforsten wir an einem Stichtag im Mai Wohnungsinserate.
Das Ergebnis findet ihr hier. In aufsteigender Reihenfolge nach der Grösse der Städte.
In Biel kann man wählerisch sein. Wohnungen unter 1500 Franken sind am Stichtag einige inseriert. Das folgende ist das beste Angebot, das wir finden konnten:
Für 1490 Franken Miete bekommt man eine gut sanierte Wohnung samt 2 Balkonen. Das Inserat hebt besonders eine «grosszügige Wohnküche» und den Parkettboden im Wohnzimmer hervor.
Die Lage kann sich auch sehen lassen: Restaurants und Einkaufsmöglichkeiten befinden sich direkt im Quartier. Zur Bushaltestelle muss man keine 200 Meter zurücklegen. Am Bahnhof ist man in 15 Gehminuten.
In Lugano hat man eine ansehnliche Auswahl an Mietwohnungen. Je nach Nähe zum Bahnhof und Ausstattung bekommt man eine 2- bis 3,5-Zimmer-Wohnung für 1500 Franken Monatsmiete. Die meisten Wohnungen sind vor Kurzem saniert worden. Die zentralste, die wir zu diesem Preis finden, hat die folgenden Eckdaten:
Die Wohnung sei frisch renoviert und ideal für «Singles und Paare» geeignet, heisst es im Inserat. Sie besitze zudem ein «durchdachtes Raumkonzept» und «hochwertige Ausstattung».
Vom zwölf Quadratmeter grossen Balkon aus soll man ein kleines bisschen See zu Gesicht bekommen. Wem das nicht reicht, der darf auf die Dachterrasse, die allen Mieterinnen und Mietern zur Mitbenützung zur Verfügung steht.
Erschlossen ist die Wohnung bestens: Restaurants und Supermarkt befinden sich im selben Quartier. Zum Bahnhof Lugano hat man zu Fuss sechs Minuten.
Eine teilsanierte Altbauwohnung in diesem Preissegment zu finden, scheint in der Stadt St.Gallen nicht schwierig zu sein. Wohnungen wie die folgende sind viele inseriert:
Einen Balkon gibt es zwar nicht. Den Bildern nach zu urteilen auch keinen Geschirrspüler. Dafür bekommt man eine neue Küche und grosse Zimmer. Oder wie es das Inserat verkauft: «Diese Wohnung vereint den Charme eines Altbaus mit dem Komfort moderner Ausstattung.»
Die Wohnung befindet sich mitten in der Altstadt, umringt von Bars, Restaurants, Cafés und Läden. Die Bushaltestelle befindet sich direkt vor der Nase. In zehn Gehminuten ist man am Bahnhof St.Gallen.
An dieser Lage und für diesen Preis findet man in der Stadt Luzern am Stichtag eine überschaubare Handvoll Wohnungen. Die grösste und am zentralsten gelegene ist die folgende:
Für 1480 Franken erhält man grosse und helle Zimmer mit neuem Parkettboden. Die Küche und das Bad mit bunten Plättchen aus den 1970er-Jahren könnten aber nicht jeden Geschmack treffen.
An den Bahnhof hat man zu Fuss 15 Minuten. Mit dem Bus ist man kaum schneller, obwohl sich eine Haltestelle in unmittelbarer Nähe befindet.
Ganz anders als in Luzern sieht es in Winterthur aus. Am Stichtag findet sich keine einzige unbefristete, unmöblierte Wohnung für maximal 1500 Franken Miete.
Anstatt an dieser Stelle kein Beispiel aufführen zu können, weichen wir auf das objektiv beste WG-Zimmer aus, das wir am Stichtag inseriert sehen. Denn in der Studentenstadt suchen zahlreiche Wohngemeinschaften eine neue Mitbewohnerin oder einen neuen Mitbewohner. Das Ergebnis ist das folgende Exemplar:
Hier bekommt man nicht nur ein grosses Zimmer und ein eigenes Bad. Mit seinem WG-Gspänli teilt man auch eine offene Küche und eine «extrem grosse Terrasse», wie es im Inserat heisst. Vorausgesetzt natürlich, man versteht sich im Zusammenleben gut. Die Gesamtwohnfläche beträgt 140 Quadratmeter.
Die WG befindet sich mitten in der Winterthurer Altstadt. Beim Bahnhof Winterthur ist man in drei Gehminuten. Supermärkte, Restaurants, Bars, Kulturangebote befinden sich überall um die Wohngemeinschaft herum.
Obwohl die Stadt Bern 20'000 Menschen mehr beherbergt als Winterthur, ist die Situation für Wohnungssuchende entspannter. Im Zentrum sind ein paar Wohnungen oder WG-Zimmer inseriert, die deutlich unter 1500 Franken Miete kosten. Am Stadtrand sind einige grosse 3,5-Zimmer-Wohnungen zu diesem Preis inseriert.
Das attraktivste Angebot in Bern finden wir am Stichtag mit dieser Maisonette-Wohnung direkt hinter dem Bundeshaus und neben dem Freibad Marzili:
Zwar steht man beim Betreten der Wohnung direkt in der kleinen Küche und die Dachschrägen könnten das Einrichten erschweren. Dafür ist die gesamte Wohnung frisch saniert. Über eine Wendeltreppe gelangt man ins zweite Zimmer hinauf, das ursprünglich wahrscheinlich ein einfacher Dachstock war. Hinter dem Haus darf man einen Garten und eine Grillstelle mitbenützen.
In der Studentenstadt Lausanne gestaltet sich die Wohnungssuche wieder schwieriger. Am Stichtag sind keine einzige Wohnung und auch kein einziges WG-Zimmer inseriert, die sich maximal in 15 Minuten Gehdistanz zum Bahnhof befinden. Zumindest nicht für eine Monatsmiete von maximal 1500 Franken. Das attraktivste Angebot, das wir in Lausanne ausfindig machen können, ist folgendes:
Wie das Bad, der Balkon oder die Waschsituation aussehen, geht nicht aus dem Inserat hervor. Die Küche scheint saniert zu sein. Zum Bahnhof Lausanne dauert es mit dem ÖV 20 Minuten. Immerhin gibt es reichlich Restaurants und Einkaufsmöglichkeiten in der Nähe.
In der Stadt Basel zieht sich der Trend fort: Je mehr Zimmer man braucht, desto weiter weg vom Hauptbahnhof muss man suchen. Aber: Im Gegensatz zu Lausanne ist es noch realistisch, eine eigene Wohnung in Gehdistanz des Bahnhofs Basel SBB zu finden. Eine wie die folgende:
Diese Altbauwohnung hat eine moderne Küche, ein saniertes Bad samt Badewanne und einen Balkon. Wie letzterer aussieht, ist aus dem Inserat allerdings nicht zu entnehmen.
Die Wohnung befindet sich ausserhalb der Altstadt in einem Wohnquartier mit vielen Grünflächen. Trotzdem ist sie zentral gelegen: In 15 Gehminuten ist man am Bahnhof Basel SBB. Einkaufs- und Einkehrmöglichkeiten sind rundherum verfügbar. Eine Tramhaltestelle befindet sich keine 200 Meter von der Wohnung entfernt.
Dass in Genf eine der tiefsten Leerstandsquoten der Schweiz herrscht, zeigt sich auch auf dem Immobilienportal. Am Stichtag lässt sich in der gesamten Stadt keine einzige Wohnung für maximal 1500 Franken Monatsmiete finden, die mehr als 1,5 Zimmer besitzt. Selbst WG-Zimmer zu diesem Preis sind rar und nicht selten so klein, dass kaum ein Bett, Schrank und ein Schreibtisch gleichzeitig hineinpassen.
Die zentralste und grösste Wohnung, die watson nach den gesetzten Kriterien in Genf gefunden hat, ist die folgende:
Die Wohnung sieht auf den ersten Blick eher wie ein Hotelzimmer aus. Hinter einem Einbauschrank versteckt sich eine «Wohnküche», wie es das Inserat beschreibt. Diese besteht aus einem Waschbecken, einem kleinen Kühlschrank und einer kleinen Glaskeramik-Herdplatte. Keine Schubladen, keine Fläche zum Schnippeln, kein Gefrierfach. Im Bad findet sich immerhin eine eigene Waschmaschine. Die Vorhänge sind gemäss Inserat ausserdem «inklusive».
Die Wohnung befindet sich nicht nur in einem historischen Gebäude aus dem 13. Jahrhundert, sie liegt auch im Zentrum der Genfer Altstadt. Restaurants und Kulturangebote befinden sich in unmittelbarer Gehdistanz. Anders steht es um die Supermärkte. Zum nächstgelegenen grösseren Laden hat man zu Fuss 20 Minuten. Mit dem Tram oder Bus ist man nur 3 Minuten schneller, da sich alle Haltestellen ausserhalb des Altstadtkerns befinden. Beim Hauptbahnhof ist man sowohl zu Fuss als auch mit dem ÖV in 15 Minuten angelangt.
Es ist keine Überraschung: In der grössten Stadt der Schweiz ist die Lage für Wohnungssuchende am prekärsten. Wohnungen für unter 1500 Franken Miete findet man am Stichtag zwar, allerdings sind die meisten davon befristet inseriert.
Einen wesentlichen Teil der übrigen Inserate machen Business-Apartments aus, die man nur vollständig möbliert mieten kann. Diese geben teilweise die Miete pro Woche und nicht pro Monat an, was ein Hinweis darauf ist, dass sie nicht Schweizer Wohnungssuchende zur Zielgruppe haben.
Dann gibt es noch eine Handvoll Fake-Inserate und eine ganze Schwette «Tauschwohnungen». Das sind Wohnungen, bei denen Mieterinnen und Mieter bewusst selbst nach einem Nachmieter oder einer Nachmieterin suchen, um ihre Wohnung mit einer anderen Person zu tauschen.
Selbst WG-Zimmer zu diesem Preis sind rar. Viele WGs vergeben ebenfalls nur befristete Zimmer. Am Stadtrand findet sich am Stichtag aber immerhin eine einzige Wohnung, die unsere Kriterien erfüllt:
Diese teilsanierte Altbauwohnung scheint die Ausnahme der Regel in der Stadt Zürich zu sein. Sie ist mit praktischen Einbauschränken, einer relativ grossen Küche und einer relativ grossen Badewanne ausgestattet.
Die Wohnung befindet sich in einer ruhigen, grünen Wohnsiedlung, direkt bei einer Tramhaltestelle. Mit dem Tram hat man 15 Minuten zum Hauptbahnhof. Ein Supermarkt befindet sich direkt im Nachbarhaus.
Diese Übersicht ist selbstverständlich nur ein Gedankenexperiment und erfüllt keine wissenschaftlichen Standards. Trotzdem zeigt sich in dieser Stichprobe ein ähnliches Bild wie in der Statistik des Bundes. Gemäss dieser bewohnt man mit 1500 Franken Monatsmiete in den Kantonen Zug und Zürich im Schnitt 2 Zimmer. Im Kanton Jura hingegen eine 6-Zimmer-Wohnung.
Die Zahlen des Bundes werden der Situation von Wohnungssuchenden allerdings nicht gerecht. Denn in seine Berechnungen fliessen auch tiefe Mietzinsen langjähriger Mieterinnen und Mieter.
Dieses Gedankenexperiment legt den folgenden Schluss nahe: Je höher die Einwohnerzahl einer Stadt, desto weniger erhalten Wohnungssuchende für ihr Geld. Respektive: Je grösser die Nachfrage, desto weniger Komfort müssen Eigentümerinnen und Eigentümer bieten. Aber auch das nur in der Tendenz. In den Städten Bern und Basel war die Situation am Stichtag etwa weniger angespannt als bei kleineren Städten.
Quelle: Comparis.ch, 30.5.25