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Appenzell

Todesfälle: Ermittlungen gegen Appenzeller Alternativ-Mediziner

Arzt Kittel ohne Kopf
Der bekannte Alternativmediziner Thomas Rau steht im Fokus von Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung.Bild: Shutterstock

Zwei gesunde Frauen plötzlich tot: Ermittlungen gegen Appenzeller Alternativ-Mediziner

Die Ausserrhoder Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Alternativmediziner Thomas Rau wegen fahrlässiger Tötung. Zwei eigentlich gesunde Frauen starben, nachdem sie bei ihm in Behandlung waren.
22.11.2023, 15:3022.11.2023, 16:20
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Das ist passiert

Die Ausserrhoder Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Alternativmediziner Thomas Rau und eine ärztliche Mitarbeiterin des Biomed Center Sonnenberg wegen fahrlässiger Tötung in zwei Fällen. Dies bestätigt die Staatsanwaltschaft am Dienstag gegenüber dem Tagblatt. Das Biomed Center Sonnenberg, wo die beiden verstorbenen Patientinnen behandelt wurden, befindet sich im ausserrhodischen Schwellbrunn.

Die beiden Mediziner weisen jede Schuld von sich. Der Kanton Appenzell Ausserrhoden hat bisher weder gegen die Klinik noch gegen Rau Massnahmen ergriffen. Thomas Rau ist als Alternativmediziner international bekannt und hat schon Royals, Manager und Hollywood-Schauspieler behandelt. Das Ausserrhoder Amt für Gesundheit sagte gegenüber der «NZZ am Sonntag», ein Verwaltungsverfahren werde grundsätzlich nur eröffnet, wenn gegen einen Arzt bzw. eine Ärztin ein rechtskräftiges Urteil in einem einschlägigen Strafverfahren vorliege.

Nicht zugelassenes Medikament führte zum Tod

Bei einem der beiden nun untersuchten Fälle kam eine eigentlich gesunde Frau wegen Verdauungsbeschwerden und Kopfschmerzen ins Biomed Center Sonnenberg. Sie erhielt dort Infusionen, zunächst nur mit Vitamin C und homöopathischen Mitteln. Danach wurde ihr auch Artesunat verabreicht, ein Arzneistoff gegen Malaria. Abschliessend wurde ihr eine Alpha-Liponsäure-Mischung gespritzt – von der ebenfalls beschuldigten Ärztin verordnet. Die Substanz wird hauptsächlich zur Behandlung der Zuckerkrankheit Diabetes eingesetzt.

Arzt verabreicht Spritze.
Der Frau wurde unter anderem ein nicht zugelassenes Medikament verabreicht. Bild: Shutterstock

Nur Stunden später klagte die Frau über starke Bauchkrämpfe und schliesslich Schmerzen im ganzen Körper. Der beschuldigte Thomas Rau fuhr die Patientin im Privatwagen ins Spital. Weder in Herisau noch im Kantonsspital St.Gallen konnte man der Frau noch helfen, sie verstarb an der massiven Blutgerinnungs-Störung. Das rechtsmedizinische Gutachten belastet das Biomed Center Sonnenberg schwer: Die Frau bekam ein in der Schweiz damals nicht zugelassenes Medikament, an dessen Nebenwirkungen sie starb.

Der Einsatz des Medikaments war damals in Deutschland für Diabetes-Patienten mit Nervenschäden zugelassen, die Patientin litt aber nicht unter solchen. Weiter war sie über die Risiken nicht aufgeklärt worden und hatte keine schriftliche Einwilligung gegeben. Im Gutachten wird die Frage gestellt, «ob die medizinische Behandlung im Biomed Center Sonnenberg mit der notwendigen ärztlichen Sorgfalt erfolgt ist». Die beiden Beschuldigten weisen jede Schuld von sich und zweifeln das Gutachten an.

Herz-Kreislauf-Versagen nach Behandlung

In einem zweiten Fall werfen andere Gutachter Thomas Rau schwere Pflichtverletzungen vor, wie die «NZZ am Sonntag» aufdeckte. Konkret geht es um den Tod einer 77-Jährigen, die zuvor Patientin im Biomed Center Sonnenberg war. Sie war zu einer Art Kur in der Klinik und als sie abreisen wollte, begann sie heftig zu zittern und hatte extreme Bauchschmerzen. Thomas Rau führte Ultraschalluntersuchungen bei der Frau durch und verabreichte ihr Schmerzmittel, darunter Morphin. Als sie sich besser fühlte, ging sie nach Hause und fiel dort über Nacht in einen komaähnlichen Zustand. Sie wurde notfallmässig ins Unispital Zürich eingeliefert, starb dort aber an einem Herz-Kreislauf-Versagen bei septischem Schock.

Die Zürcher Rechtsmediziner nennen in ihrem Gutachten eine Darmlähmung als Ursache. Es sei aus rechtsmedizinischer Sicht unbegreiflich, warum Thomas Rau als behandelnder Arzt keine geeignete Diagnostik durchgeführt habe. Sein Verhalten entspreche «einer Verletzung der ärztlichen Sorgfaltspflicht». Auch in diesem Fall wies Rau jede Schuld von sich: Die 77-Jährige sei in «gutem Zustand» abgereist und es gebe keine Kausalität zwischen ihrem Klinikaufenthalt und dem Todesfall.

Frühere Anschuldigungen

Dies ist nicht das erste Mal, dass Rau negativ in den Schlagzeilen ist. 2003 kam ein Gutachten zum Schluss, dass Prinz Sadruddin Aga Khan, ehemaliger UNO-Hochkommissar für Flüchtlinge, an den Folgen einer Infektion verstorben war, die er sich in der Paracelsus-Klinik zugezogen hatte. Damals war Rau dort medizinischer Direktor und Teilhaber. Trotz jahrelangem Rechtsstreit kam es nie zu einem Urteil: Der Fall verjährte.

(rbu)

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104 Kommentare
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BG1984
22.11.2023 16:00registriert August 2021
Immerhin hat er die Patientin im Privatauto und nicht wie für Esotheriker üblich im Liegevelo ins Spital gebracht.

Hat er das Morphin zumindest vorher noch ein paarmal auf einen Ledersattel geschlagen damit es lernt zu wirken? Morphin als Medikament gegen Bauchschmerzen... ja, die schmerzen sind weg und jetzt kan man endlich Feierabend machen, damit man die Lieblingssendung bei klaTV nicht verpasst.
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Maurmer
22.11.2023 15:57registriert Juni 2021
Vielleicht könnte man mal mit der Sprache anfangen. Was soll "Alternativ-" oder Komplementärmedizin" sein? Etwas, das sich als Alternative oder Ergänzung zu wissenschaftlich begründeten Methoden der Medizin versteht ist ja dann genau nicht wissenschaftlich begründbar.
Und die Medizin ist die Wissenschaft der Vorbeugung, Erkennung und Behandlung von Krankheiten oder Verletzungen bei Menschen und Tieren.

Wie kann es dann eine alternative Medizin geben, sozusagen eine Wissenschaft, die nicht wissenschaftlich ist???

Verbietet Begriffe wie Medizin/Spital/Klinik/med/... in diesem Kontext!
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Amateurschreiber
22.11.2023 16:24registriert August 2018
Das Geschäftsmodell von Alternativmedizinern und Esoterikern ist, gesunden Menschen einzureden, sie seien krank um sie dann mit "nützts nüt schad's nüt" - Mittelchen zu "kurieren".
Es war leider zu erwarten, dass irgendwann mal jemand ein Mittelchen bekommt, das er oder sie nicht verträgt.
Ich höre auch schon die Ausrede der "Alternativen": "Ja aber gestorben sind beide Frauen schliesslich im konventionellen Spital. Also wurden sie dort falsch behandelt!"
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