Zwei gesunde Frauen plötzlich tot: Ermittlungen gegen Appenzeller Alternativ-Mediziner
Das ist passiert
Die Ausserrhoder Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Alternativmediziner Thomas Rau und eine ärztliche Mitarbeiterin des Biomed Center Sonnenberg wegen fahrlässiger Tötung in zwei Fällen. Dies bestätigt die Staatsanwaltschaft am Dienstag gegenüber dem Tagblatt. Das Biomed Center Sonnenberg, wo die beiden verstorbenen Patientinnen behandelt wurden, befindet sich im ausserrhodischen Schwellbrunn.
Die beiden Mediziner weisen jede Schuld von sich. Der Kanton Appenzell Ausserrhoden hat bisher weder gegen die Klinik noch gegen Rau Massnahmen ergriffen. Thomas Rau ist als Alternativmediziner international bekannt und hat schon Royals, Manager und Hollywood-Schauspieler behandelt. Das Ausserrhoder Amt für Gesundheit sagte gegenüber der «NZZ am Sonntag», ein Verwaltungsverfahren werde grundsätzlich nur eröffnet, wenn gegen einen Arzt bzw. eine Ärztin ein rechtskräftiges Urteil in einem einschlägigen Strafverfahren vorliege.
Nicht zugelassenes Medikament führte zum Tod
Bei einem der beiden nun untersuchten Fälle kam eine eigentlich gesunde Frau wegen Verdauungsbeschwerden und Kopfschmerzen ins Biomed Center Sonnenberg. Sie erhielt dort Infusionen, zunächst nur mit Vitamin C und homöopathischen Mitteln. Danach wurde ihr auch Artesunat verabreicht, ein Arzneistoff gegen Malaria. Abschliessend wurde ihr eine Alpha-Liponsäure-Mischung gespritzt – von der ebenfalls beschuldigten Ärztin verordnet. Die Substanz wird hauptsächlich zur Behandlung der Zuckerkrankheit Diabetes eingesetzt.
Nur Stunden später klagte die Frau über starke Bauchkrämpfe und schliesslich Schmerzen im ganzen Körper. Der beschuldigte Thomas Rau fuhr die Patientin im Privatwagen ins Spital. Weder in Herisau noch im Kantonsspital St.Gallen konnte man der Frau noch helfen, sie verstarb an der massiven Blutgerinnungs-Störung. Das rechtsmedizinische Gutachten belastet das Biomed Center Sonnenberg schwer: Die Frau bekam ein in der Schweiz damals nicht zugelassenes Medikament, an dessen Nebenwirkungen sie starb.
Der Einsatz des Medikaments war damals in Deutschland für Diabetes-Patienten mit Nervenschäden zugelassen, die Patientin litt aber nicht unter solchen. Weiter war sie über die Risiken nicht aufgeklärt worden und hatte keine schriftliche Einwilligung gegeben. Im Gutachten wird die Frage gestellt, «ob die medizinische Behandlung im Biomed Center Sonnenberg mit der notwendigen ärztlichen Sorgfalt erfolgt ist». Die beiden Beschuldigten weisen jede Schuld von sich und zweifeln das Gutachten an.
Herz-Kreislauf-Versagen nach Behandlung
In einem zweiten Fall werfen andere Gutachter Thomas Rau schwere Pflichtverletzungen vor, wie die «NZZ am Sonntag» aufdeckte. Konkret geht es um den Tod einer 77-Jährigen, die zuvor Patientin im Biomed Center Sonnenberg war. Sie war zu einer Art Kur in der Klinik und als sie abreisen wollte, begann sie heftig zu zittern und hatte extreme Bauchschmerzen. Thomas Rau führte Ultraschalluntersuchungen bei der Frau durch und verabreichte ihr Schmerzmittel, darunter Morphin. Als sie sich besser fühlte, ging sie nach Hause und fiel dort über Nacht in einen komaähnlichen Zustand. Sie wurde notfallmässig ins Unispital Zürich eingeliefert, starb dort aber an einem Herz-Kreislauf-Versagen bei septischem Schock.
Die Zürcher Rechtsmediziner nennen in ihrem Gutachten eine Darmlähmung als Ursache. Es sei aus rechtsmedizinischer Sicht unbegreiflich, warum Thomas Rau als behandelnder Arzt keine geeignete Diagnostik durchgeführt habe. Sein Verhalten entspreche «einer Verletzung der ärztlichen Sorgfaltspflicht». Auch in diesem Fall wies Rau jede Schuld von sich: Die 77-Jährige sei in «gutem Zustand» abgereist und es gebe keine Kausalität zwischen ihrem Klinikaufenthalt und dem Todesfall.
Frühere Anschuldigungen
Dies ist nicht das erste Mal, dass Rau negativ in den Schlagzeilen ist. 2003 kam ein Gutachten zum Schluss, dass Prinz Sadruddin Aga Khan, ehemaliger UNO-Hochkommissar für Flüchtlinge, an den Folgen einer Infektion verstorben war, die er sich in der Paracelsus-Klinik zugezogen hatte. Damals war Rau dort medizinischer Direktor und Teilhaber. Trotz jahrelangem Rechtsstreit kam es nie zu einem Urteil: Der Fall verjährte.
(rbu)
