Die Klimaseniorinnen vertreten die Meinung, dass der Bund nicht genug gegen den Klimawandel unternimmt und damit ihre Menschenrechte verletzt. Weil ihre Klage in der Schweiz zurückgewiesen wurde, tragen sie sie am Mittwoch, dem 29. März, weiter nach Strassburg an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Die Klimaseniorinnen sind ein Verein mit über 2000 pensionierten Mitgliedern – ihr Durchschnittsalter liegt bei 73. Gegründet wurde der Verein im Jahr 2016. Die Rentnerinnen treten laut ihrer Webseite auch schweizweit als Rednerinnen auf und geben Workshops. Ihr grösstes Projekt ist aber die Klage gegen den Bundesrat.
Die Initiative für die Klage stammt von der Wohltätigkeitsorganisation «Greenpeace». Nachdem 2015 zum ersten Mal eine Klimaklage gegen den niederländischen Staat erfolgreich war, wollte man hierzulande nachziehen. Ein Gutachten stellte fest, dass so etwas auch in der Schweiz möglich wäre, wenn sich eine von der Klimakrise besonders schwer betroffene Personengruppe finden lassen würde. Diese Bedingung trifft auf die Pensionärinnen zu: Ihre Gesundheit ist besonders stark von den immer häufiger werdenden Hitzewellen tangiert.
In ihrer Klage vor dem Europäischem Gerichtshof für Menschenrechte fordern der Verein und vier weitere Frauen jetzt, dass die Schweiz stärker gegen den Klimawandel vorgeht. Die Klimaziele, die im Pariser Klimaabkommen festgelegt wurden, können ihnen zufolge mit der aktuellen Politik nicht erreicht werden. Somit unternehme die Schweiz zu wenig, um die Gesundheit der besonders gefährdeten Gruppen zu schützen, und verletze dadurch ihre Menschenrechte. Konkret sehen sie sich in ihrem Recht auf Leben und ihrem Recht auf Privatleben verletzt.
Bereits 2016 haben die Klimaseniorinnen den Bund dazu angehalten, seine Klimapolitik zu verschärfen – und wurden zurückgewiesen. Ihre darauffolgende Beschwerde lehnten das Bundesgericht sowie das Bundesverwaltungsgericht ab. Die Begründung lautete wie folgt: Die Klägerinnen seien nicht oder noch nicht stärker als andere Personengruppen von der Krise betroffen und es sei nicht erwiesen, dass die Schweizer Klimapolitik der Gesundheit der älteren Frauen dieses Landes schaden würde. Zudem müsse eine Änderung der Klimapolitik auf dem politischen Wege in Angriff genommen werden und nicht über den Rechtsweg. Die Klage ziehen die Klimaseniorinnen nun weiter an die oberste Instanz: den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Jessica Simor, die Anwältin der Beschwerdeführerinnen, sagt, dass Seniorinnen bereits heute unter den Folgen des Klimawandels litten. Der Temperaturanstieg sei in der Schweiz doppelt so stark wie im weltweiten Durchschnitt. Die Hitzewellen erhöhten das Risiko für Nierenprobleme, Asthmaanfälle und Herz-Kreislauf-Störungen.
Der Vertreter der Schweizer Regierung, Alain Chablais, kontert, man versuche mit dieser Beschwerde zu suggerieren, dass die Schweiz «untätig sei», heisst es in einer Mitteilung der SDA. Er führt zudem an, dass dies nicht der richtige Ort sei, um über die Klimapolitik der Schweiz zu entscheiden.
Die Mühlen der Politik mahlen in der Schweiz sowie anderswo bekanntlich langsam. Damit sich auf politischer Ebene etwas tut, braucht es viel Arbeit, Unterstützung und vor allem Geduld. Eine unbefriedigende Klimapolitik über den Rechtsweg anzugehen, ist womöglich der effizientere und schnellere Weg zum Wandel. Wie der Tagesanzeiger schreibt, ist das Urteil nur ein Effekt dieser Vorgehensweise – der andere ist die Aufmerksamkeit, die so generiert wird.
Wenn Strassburg den Fall anders beurteilt als die Schweiz, müsste der Bund die Sache erneut aufrollen. Sollte die Schweiz vor dem Europäischen Gerichtshof verurteilt werden, wäre sie gezwungen, ihre Klimapolitik zu verschärfen. Und nicht nur sie, sondern die ganze europäische Politik wäre vom Urteil betroffen. So wäre es künftig möglich, dass die Bürger eines Landes den Staat verklagen können, wenn dieser aufgrund seiner Klimapolitik ihre Menschenrechte verletzt.
Unabhängig davon, wie das Urteil schlussendlich aussehen wird, ist dieser Fall wichtig. Es handelt sich dabei nämlich um einen Präzedenzfall: Es ist das erste Urteil zum Klimaschutz als Menschenrechtsverletzung.
Erwartet wird das Urteil erst zu einem späteren Zeitpunkt dieses Jahr.
Aber in der Praxis gibt es irgendwie einen logischen Knoten:
Wenn der angeklagte Staat ein griffiges Klimagesetz ausarbeitet, dann wird das garantiert leider von der Mehrheit der Stimmbevölkerung abgelehnt.
Also müsste man eigentlich die Stimmbevölkerung und nicht den Staat anklagen.
Allgemein gibt es ja auch das Problem, dass die Mehrheit der Stimmenden sich wiedersprechen können:
Initiave "In 20 Jahren 10% weniger CO2" wird angenommen.
Der Beschluss "Jetzt eine neue Autobahn bauen" aber genau so.