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Russland: Kampf zwischen Finanzen und Sicherheit in der Schweiz

Analyse

Weshalb es für die Armee so schwierig ist, mehr Geld zu bekommen

Seit dem Ukraine-Krieg versucht die Sicherheitspolitik mit immer neuen Vorschlägen, mehr Geld für die Armee zu bekommen. Fast immer scheitert sie an der Finanzpolitik. Weshalb das so ist.
15.12.2025, 10:1615.12.2025, 10:18
Othmar von Matt / ch media

Die Warnungen, die der Bundesrat zu hören bekommt, sind deutlich wie nie seit 1989. Von einem «fundamentalen Wandel der geopolitischen Situation» ist am Freitag die Rede in der neuen sicherheitspolitischen Strategie. Russland könnte ab 2028 seine hybriden Aktionen intensivieren und weitere Staaten in Europa angreifen. Für die Schweiz habe sich die Sicherheitslage «erheblich verschlechtert».

Bundesrat Martin Pfister spricht waehrend der Wintersession der Eidgenoessischen Raete, am Mittwoch, 10. Dezember 2025 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
Bundesrat Martin Pfister in Schieflage: Er muss dem Bundesrat bis Ende Januar eine Liste aller Rüstungsvorhaben liefern.Bild: keystone

Die Landesregierung segnet den brisanten Bericht von Verteidigungsminister Martin Pfister zwar ab. Mehr Geld will sie für die Armee aber nicht sprechen, obwohl Pfister die Mehrwertsteuer um 0,5 Prozentpunkte erhöhen möchte. Das hat mit einem Versäumnis von Pfister zu tun: Er liefert seinen Kolleginnen und Kollegen keine Liste der Rüstungsbeschaffungen für die nächsten Jahre – obwohl die Politik genau das seit Viola Amherds Zeiten fordert.

Die Landesregierung verknurrt Pfister zu einer Strafaufgabe: Er soll die Liste bis Ende Januar liefern, mit Antworten auf drei Fragen: Welche Systeme will die Armee beschaffen? Welche Priorität haben sie? Wie sollen sie finanziert werden?

Das Beispiel verdeutlicht zweierlei: Erstens wird die Sicherheitspolitik oft von der Finanzpolitik ausgebremst. Die Schuldenbremse bleibt wichtiger als mehr Geld für die Armee. Zweitens: Die Sicherheitspolitik trägt eine erhebliche Mitschuld, dass es so ist.

Das lässt sich auch an einem Beispiel aus dem Ständerat zeigen. Mitte-Politikerin Andrea Gmür beantragt im Budgetprozess der Dezembersession, der Armee jene 300 Steuermillionen aus Genf zu geben, die der Bund unerwartet aus Genf erhalten hat. Die Mittel der Armee reichten «bei weitem nicht» angesichts der Bedrohungslage, die sich dramatisch zugespitzt habe, argumentiert Gmür.

Staenderaetin Andrea Gmuer, Mitte-LU, links, spricht neben Staenderat Daniel Faessler, Mitte-AI, rechts, bei der Debatte um die Motion "Neue Ausschreibung fuer die UKW-Funkkonzessionen ab 1. Janu ...
Mitte-Ständerätin Andrea Gmür.Bild: keystone

Es wäre für die Bürgerlichen ein leichtes, dieses bürgerliche Sicherheitsanliegen durchzubringen. Mitte, FDP und SVP verfügen im Ständerat mit 34 von 46 Stimmen über eine komfortable Mehrheit.

Nur: Gmürs Anliegen scheitert mit ebenso komfortablen Gegenmehr (13:30). Was ist da passiert? Eine Auswertung der Abstimmung führt zu drei Erkenntnissen.

Erstens: Die wichtigsten bürgerlichen Sicherheitspolitiker stimmen für Gmürs Anliegen. Sie werden aber von einer unheiligen Allianz bürgerlicher Finanzpolitiker mit linken Armeekritikern überstimmt.

Zweitens: Die Mitte neutralisiert sich selbst, obwohl der Antrag aus den eigenen Reihen kommt. Sechs Ratsmitglieder stimmen mit Gmür, sechs gegen sie.

Drittens: Parallel zum Nein für die Armeemillionen beschliesst der Ständerat, den Grossteil der Genfer Gelder in der Arbeitslosenversicherung (ALV) zu «parkieren». So kann das Parlament diese Gelder später für andere Anliegen nutzen. Ein Finanztrick.

Mathias Zopfi, GP-GL, spricht zur Kleinen Kammer, an der Wintersession der Eidgenoessischen Raete, am Montag, 1. Dezember 2025 im Staenderat in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)
«Ein Penalty auf das leere Tor vergeben»: Der grüne Nationalrat Mathias Zopfi zum Entscheid des Ständerats, die 300 Genfer Millionen nicht der Armee zu geben.Bild: keystone

Der grüne Ständerat Mathias Zopf, neuer Präsident der sicherheitspolitischen Kommission, spricht von einem «Penalty auf das leere Tor» für die Armeebefürworter, den sie vergeben hätten: «Es ist erstaunlich, dass viele bürgerliche Politiker den Antrag ablehnten. Man hätte die Beschaffung von bewilligten Rüstungsgütern beschleunigen können.» Auch für Finanzpolitiker Benedikt Würth (Mitte) ist der Entscheid «sicherheits- und finanzpolitisch nicht nachvollziehbar». Denn: «Die Armee hat einen Planungsüberhang von 700 Millionen Franken.»

Es fragt sich: Weshalb übersteuert die bürgerliche Finanzpolitik die bürgerliche Sicherheitspolitik dermassen?

Die Ohnmacht der Sicherheitspolitik

In den letzten Jahren gab es zahllose Vorstösse bürgerlicher Sicherheitspolitiker für mehr Armeegeld. Oft stammten sie aus der Mitte: von Viola Amherd selbst, von Nationalrat Martin Candinas und Ständerätin Marianne Binder (Fonds), von Ständerat Benedikt Würth (Mehrwertsteuer), von Andrea Gmür (Sicherheitsanleihen).

Alt Bundesraetin Viola Amherd ist bei der Rede von der scheidende Parteipraesident Gerhard Pfister, Nationalrat Mitte-ZG, geruehrt, an der Delegiertenversammlung der Mitte Partei, am Samstag, 28. Juni ...
Alt Bundesrätin Viola Amherd.Bild: keystone

Sie scheiterten stets an der Phalanx der Finanzpolitik. Die Sicherheitspolitik denkt zu wenig strategisch und vernetzt sich zu wenig gut, gerade über die Ratsgrenzen hinweg. Gmürs 300-Millionen-Antrag ist ein Beispiel dafür. Er sei zu spät und ohne Allianz eingereicht worden, sagen sowohl Sicherheits- wie Finanzpolitiker. Und er lege das Versagen der Mitte-Sicherheitspolitik bloss. Zwar hat Gmür ihren Vorstoss in der Mitte-Fraktion angekündigt. Mitte-Nationalrat Reto Nause, Präsident der Allianz Sicherheit Schweiz, sagt aber: «Davon wusste ich im Vorfeld nichts.»

Nach dreissig Jahren Friedensdividende muss die Sicherheitspolitik erst wieder lernen, wie Lobbying funktioniert. «Wir Sicherheitspolitiker waren uns nicht gewohnt, dass wir im Zentrum von Entscheidungen stehen», analysiert SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf. Und was sagt Andrea Gmür? «Von Beginn weg war klar, dass mein Antrag einen schweren Stand haben würde. Das Anliegen bleibt.»

Bundesrat Martin Pfister spricht mit Schweizer Soldaten vor einem Schuetzenpanzer 2000 am Truppenversuch TRIAS 25 der Schweizer Armee, am Donnerstag, 1. Mai 2025, auf dem Truppenuebungsplatz in Allent ...
Nach 30 Jahren Friedensdividende muss die Sicherheitspolitik (im Bild Bundesrat Martin Pfister) wieder lernen, wie Lobbying funktioniert.Bild: keystone

Die Macht der Finanzpolitik

«Die Finanzpolitiker sind gut vernetzt», anerkennt Sicherheitspolitiker Nause. «Sie können Mehrheiten machen.» Die Finanzpolitik ist heute das vielleicht am besten vernetzte Politikfeld.

Reto Nause, Mitte-BE, spricht in der Debatte um die Bekaempfung des Hooliganismus, waehrend der Herbstsession der Eidgenoessischen Raete, am Mittwoch, 10. September 2025 im Nationalrat in Bern. (KEYST ...
Mitte-Nationalrat Reto Nause .Bild: keystone

Finanzpolitiker von Stände- und Nationalrat treffen sich jährlich zum zweitägigen finanzpolitischen Seminar. 2025 fand es in Basel bei SP-Nationalrätin Sarah Wyss statt. Es gibt regelmässige Sitzungen der Delegationsleiter über alle Fraktionen hinweg. Im Nationalrat orchestriert das bürgerliche Trio um Alex Farinelli (FDP) Lars Guggisberg (SVP) und Pius Kaufmann (Mitte) die Budgetdebatte. Zudem haben die Finanzpolitiker einen direkten Draht zu Finanzministerin Karin Keller-Sutter.

Sie beherrschen auch das Zusammenspiel zwischen den Räten. Das zeigt sich bei den Genfer Millionen. Alex Farinelli bringt im Nationalrat die Idee ein, 290 Millionen in der ALV zu parkieren. Damian Müller (FDP) beantragt im Ständerat ähnliches. Das Vorgehen ist abgesprochen.

Die Rolle der Regierung

Zwar hat der Mythos der Macht von Karin Keller-Sutter im Präsidialjahr gelitten. Dennoch gibt sie in der Debatte um die 300 Genfer Millionen den Takt vor. Es sei zwar der Entscheid des Parlaments, wie es die 300 Millionen verwende. Sollte das Parlament aber darüber hinaus der Armee mehr Geld geben wollen, «muss dies der Schuldenbremse entsprechen».

Bundespraesidentin Karin Keller-Sutter spricht zur Budgetdebatte, an der Wintersession der Eidgenoessischen Raete, am Dienstag, 2. Dezember 2025 im Staenderat in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle ...
Bundesrätin Karin Keller-Sutter.Bild: KEYSTONE

Mitte-Nationalrat Nause ortet das Dilemma der Sicherheitspolitik darin, «dass wir im Bundesrat eine Vierer-Achse haben, welche die Schuldenbremse über alles stellt». Dazu komme Karin Keller-Sutter «als erratischer Block». Nauses Folgerung: «Das sind bedeutende Startvorteile für die Finanzpolitik.» Sein Parteikollege Pius Kaufmann bestätigt das indirekt: «Für mich als Finanzpolitiker ist in der Sicherheitspolitik entscheidend, was der Gesamtbundesrat verabschiedet hat.»

Die Sicherheitspolitik hat grosse Mühe, die Mauer der Finanzpolitikk zu durchbrechen. Ob das Martin Pfister Ende Januar im Bundesrat gelingt, gilt als eine der spannendsten Wetten in Bundesbern. Reto Nause übt sich schon mal in vorsorglichem Zynismus: «Immerhin können wir unser Land Putin schuldenfrei übergeben.»

Wie es gehen kann, haben in der Dezembersession Nationalrat Gerhard Andrey (Grüne) und Ständerat Werner Salzmann (SVP) vorgemacht. Ihnen gelingt das Husarenstück, den Etat des Bundesamts für Cybersicherheit im Verteidigungsdepartement um 25 Millionen aufzustocken. Gegen den Willen von Karin Keller-Sutter.

Wie sie das geschafft haben? Sie haben alle vernetzt: Sicherheits- und Finanzkommission und Fraktionen. Und spielten zwischen National- und Ständerat über die Bande. Von ihnen können viele lernen. Auch Martin Pfister. (aargauerzeitung.ch)

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Das waren die bisher knappsten Abstimmungen in der Schweiz
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Bundesbeschluss über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR)
Abgestimmt am: 06.12.1992
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119 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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El_Chorche
15.12.2025 10:35registriert März 2021
"Weshalb es für die Armee so schwierig ist, mehr Geld zu bekommen"

Weil sie nicht damit umgehen können.
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Automatix
15.12.2025 10:54registriert Juni 2025
In der Schweiz gibt es sicher gegen 1 Million Menschen, die in den letzten 70 Jahren in der Armee Dienst geleistet haben. Und die haben alle gesehen, wie das Militär mit Ressourcen und Manpower umgeht. Die Skepsis gegenüber Blankoschecks für die Armee kommt also nicht von ungefähr.
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ABWESEND
15.12.2025 10:27registriert September 2024
wer will schon jemandem mehr Geld zusprechen, wenn dieser jemand nicht klar aufzeigt, für was er Geld braucht.

wir würden im Privaten auch nicht einfach allen Geld geben, ohne zu wissen, wo das Geld hinfliesst. also warum sollte dies in der Politik anders sein?

kein Geld für unklare Investitionen, genau so ist es richtig.
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