Die Verantwortlichen der Konzernverantwortungsinitiative reagierten prompt «Paradise Papers zeigt vor allem: Freiwillig verzichtet kein Konzern auf Gewinn – und er geht weit dafür. Dagegen helfen nur klare Gesetze!»
«Paradise Papers» sind Enthüllungen eines internationalen Journalistennetzwerkes. Der «Tages-Anzeiger» zeichnete nach, wie der Zuger Rohstoffkonzern Glencore im Kongo Kupfer- und Kobalt-Minenlizenzen zu einem Spottpreis erworben hat – über einen der Korruption verdächtigen israelischen Geschäftsmann. Glencore selbst streitet die Vorwürfe ab. Der Preis sei fixiert worden, bevor Dan Gertler mit Vermittlungen beauftragt worden sei.
Die «Paradise Papers» treffen einen wunden Punkt: Die Tätigkeiten der hiesigen Rohstofffirmen werden von Nichtregierungsorganisationen seit langem kritisiert. Und sie kommen zu einem Zeitpunkt, wo das Thema wegen der Revision des Aktienrechts und der Konzernverantwortungsinitiative auf der politischen Agenda steht.
SP und Grüne priesen gestern die Konzernverantwortungsinitiative als Antwort auf die Tätigkeiten von Rohstoffkonzernen in Afrika an: «Es darf uns nicht egal sein, wenn Schweizer Firmen wie Glencore in Afrika Milliarden verdienen, während die lokale Bevölkerung in bitterer Armut lebt», sagte der Berner SP-Nationalrat Corrado Pardini.
Selbst in der politischen Mitte heisst es: «Egal ob legal oder illegal: Solche Vorfälle geben der Konzernverantwortungsinitiative Auftrieb», sagte Nationalrat Karl Vogler (CSP/OW). Er spricht von Reputationsrisiken, welche die Schweiz verringern muss: «Die Probleme mit dem Finanzplatz haben gezeigt, dass wir präventiv aktiv werden müssen.»
Vogler lehnt die Konzernverantwortungsinitiative ab. Diese verlangt, dass Schweizer Unternehmen für die Verletzung von Menschenrechten und Umweltstandards haftbar gemacht werden können – und zwar entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Also auch von Zulieferern und deren Zulieferern.
Vogler sieht die Lösung in der Revision des Aktienrechtes. Der Bundesrat will, dass Zahlungen von Rohstoffkonzernen an Regierungen ab 100 000 Franken offengelegt werden müssen. Allerdings soll diese Bestimmung nur für Firmen gelten, die im Abbau von Rohstoffen tätig sind. Die Handelsunternehmen sind ausgenommen. Die Nichtregierungsorganisation Public Eye spricht deshalb von einer Alibiübung. Die Aktienrechtsrevision wird derzeit von der Rechtskommission des Nationalrates beraten. Die Chancen für die Transparenzbestimmungen sind intakt, weil sie nicht über die EU-Regeln hinausgehen.
Zudem geht von der Konzernverantwortungsinitiative Druck aus. Das Volksbegehren wird von 85 Organisationen getragen. Das Ziel der Initianten ist unbestritten: die bessere Durchsetzung von Menschenrechten und der Schutz der Umwelt. Deshalb wird die Initiative von den Gegnern – allen voran dem Wirtschaftsdachverband Economiesuisse – sehr ernst genommen. Derzeit ist die Initiative in der Rechtskommission des Ständerates hängig. Sie wird in den nächsten Wochen wichtige Weichen stellen. Der Bundesrat lehnt die Initiative ab. Simonetta Sommaruga scheiterte mit einem Gegenvorschlag.
Durch die «Paradise Papers» könnte die Idee eines Gegenvorschlags neuen Auftrieb erhalten. Bereits jetzt sind entsprechen Gespräche im Gang. Ständerat Stefan Engler (CVP/GR) hält die Chancen für ein Gegenprojekt, das sich im internationalen Rahmen bewegt, nicht für aussichtslos: «Es wird sich weisen, ob sich die Mängel der Initiative mit einem Gegenvorschlag beheben lassen.» Engler stört sich daran, dass die Initiative keinen Unterschied zwischen KMU und Grosskonzernen macht.
Die Gegner weisen denn auch konsequent darauf hin, dass der Titel der Initiative irreführend sei, weil nicht nur Konzerne betroffen seien – und schon gar nicht nur Rohstofffirmen. Dennoch geht Public-Eye-Sprecher Oliver Classen davon aus, dass die «Paradise-Papers» der Initiative einen «Sensibilisierungsschub» verleihen.