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Schädigen Glencore & Co. den Ruf der Schweiz wie einst das Bankgeheimnis?

Schädigen Glencore & Co. den Ruf der Schweiz wie einst das Bankgeheimnis? 

Die «Paradise Papers» treffen einen wunden Punkt: Die Tätigkeiten der hiesigen Rohstofffirmen werden von Nichtregierungsorganisationen seit langem kritisiert. Kommt nun der Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative?
07.11.2017, 05:3807.11.2017, 07:14
Doris Kleck / Nordwestschweiz
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Die Verantwortlichen der Konzernverantwortungsinitiative reagierten prompt «Paradise Papers zeigt vor allem: Freiwillig verzichtet kein Konzern auf Gewinn – und er geht weit dafür. Dagegen helfen nur klare Gesetze!»

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«Paradise Papers» sind Enthüllungen eines internationalen Journalistennetzwerkes. Der «Tages-Anzeiger» zeichnete nach, wie der Zuger Rohstoffkonzern Glencore im Kongo Kupfer- und Kobalt-Minenlizenzen zu einem Spottpreis erworben hat – über einen der Korruption verdächtigen israelischen Geschäftsmann. Glencore selbst streitet die Vorwürfe ab. Der Preis sei fixiert worden, bevor Dan Gertler mit Vermittlungen beauftragt worden sei.

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Der Hauptsitz von Glencore in Zug. Bild: AP/Keystone

Die «Paradise Papers» treffen einen wunden Punkt: Die Tätigkeiten der hiesigen Rohstofffirmen werden von Nichtregierungsorganisationen seit langem kritisiert. Und sie kommen zu einem Zeitpunkt, wo das Thema wegen der Revision des Aktienrechts und der Konzernverantwortungsinitiative auf der politischen Agenda steht.

Milliardäre hier, Armut da

SP und Grüne priesen gestern die Konzernverantwortungsinitiative als Antwort auf die Tätigkeiten von Rohstoffkonzernen in Afrika an: «Es darf uns nicht egal sein, wenn Schweizer Firmen wie Glencore in Afrika Milliarden verdienen, während die lokale Bevölkerung in bitterer Armut lebt», sagte der Berner SP-Nationalrat Corrado Pardini.

Selbst in der politischen Mitte heisst es: «Egal ob legal oder illegal: Solche Vorfälle geben der Konzernverantwortungsinitiative Auftrieb», sagte Nationalrat Karl Vogler (CSP/OW). Er spricht von Reputationsrisiken, welche die Schweiz verringern muss: «Die Probleme mit dem Finanzplatz haben gezeigt, dass wir präventiv aktiv werden müssen.»

Vogler lehnt die Konzernverantwortungsinitiative ab. Diese verlangt, dass Schweizer Unternehmen für die Verletzung von Menschenrechten und Umweltstandards haftbar gemacht werden können – und zwar entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Also auch von Zulieferern und deren Zulieferern.

21.01.2011, Lubumbashi, Provinz Katanga
Am Rande der Abraumhalde (franz. terril) der ehemaligen staatlichen Minengesellschaft GŽcamines graben junge MŠnner illegal nach Erzen. Da sich die technologisc ...
Eine Mine in Afrika. 

Vogler sieht die Lösung in der Revision des Aktienrechtes. Der Bundesrat will, dass Zahlungen von Rohstoffkonzernen an Regierungen ab 100 000 Franken offengelegt werden müssen. Allerdings soll diese Bestimmung nur für Firmen gelten, die im Abbau von Rohstoffen tätig sind. Die Handelsunternehmen sind ausgenommen. Die Nichtregierungsorganisation Public Eye spricht deshalb von einer Alibiübung. Die Aktienrechtsrevision wird derzeit von der Rechtskommission des Nationalrates beraten. Die Chancen für die Transparenzbestimmungen sind intakt, weil sie nicht über die EU-Regeln hinausgehen.

Zudem geht von der Konzernverantwortungsinitiative Druck aus. Das Volksbegehren wird von 85 Organisationen getragen. Das Ziel der Initianten ist unbestritten: die bessere Durchsetzung von Menschenrechten und der Schutz der Umwelt. Deshalb wird die Initiative von den Gegnern – allen voran dem Wirtschaftsdachverband Economiesuisse – sehr ernst genommen. Derzeit ist die Initiative in der Rechtskommission des Ständerates hängig. Sie wird in den nächsten Wochen wichtige Weichen stellen. Der Bundesrat lehnt die Initiative ab. Simonetta Sommaruga scheiterte mit einem Gegenvorschlag.

Durch die «Paradise Papers» könnte die Idee eines Gegenvorschlags neuen Auftrieb erhalten. Bereits jetzt sind entsprechen Gespräche im Gang. Ständerat Stefan Engler (CVP/GR) hält die Chancen für ein Gegenprojekt, das sich im internationalen Rahmen bewegt, nicht für aussichtslos: «Es wird sich weisen, ob sich die Mängel der Initiative mit einem Gegenvorschlag beheben lassen.» Engler stört sich daran, dass die Initiative keinen Unterschied zwischen KMU und Grosskonzernen macht.

Die Gegner weisen denn auch konsequent darauf hin, dass der Titel der Initiative irreführend sei, weil nicht nur Konzerne betroffen seien – und schon gar nicht nur Rohstofffirmen. Dennoch geht Public-Eye-Sprecher Oliver Classen davon aus, dass die «Paradise-Papers» der Initiative einen «Sensibilisierungsschub» verleihen. 

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18 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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jangoB
07.11.2017 06:00registriert Januar 2015
Natürlich schaden diese Firmen der Schweiz. Glencore exportierte 2011 Kupfer für 3 Mrd aus Sambia und liess nur 50 Mio als Steuern zurück. Als Schweizer profitieren wir, so wie die Bürger von Rüschlikon ZH. Mit den gesparten Steuern kauft man sich Ferien im Süden. Will aber ein Sambier in den Norden, weil er zu Hause keine Perspektiven hat, gilt er als Wirtschaftsflüchtling und hat keine Milde zu erwarten. Wenn diese Firmen die Länder Afrikas nicht plündern würden, müssten die Leute da nicht weggehen.

PS. https://de.m.wikipedia.org/wiki/Liste_der_gr%C3%B6ssten_Unternehmen_in_der_Schweiz
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dorfne
07.11.2017 08:22registriert Februar 2017
In welchen Kreisen wird der Ruf der Schweiz beschädigt durch Korruptionsskandale? Bei jenen, die schmieren, plündern, Geld verstecken hat die Schweiz sicher einen ausgezeichneten Ruf. Die dürfen das Volk auch noch für blöd verkaufen. Glencore: die 140 Mio Dollar für Minenrechte seien vereinbart worden, bevor die Gertler-Firma ihre Vermittlungsaufgabe übernommen habe. Wofür brauchte es dann noch einen Vermittler? Dann bekam Gertler 45 Mio, gleich nachdem der Preis auf 140 Mio gedrückt worden war. Sogar die USA witterten einen Korruptionsfall. Ja zur Initiative.
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reaper54
07.11.2017 10:56registriert März 2015
Lustig haben einige Länder welche das Bankgeheimnis am stärksten kritisierten, selber x Steueroasen. (z.B. USA, GB)
Es ging nur darum die Kundengelder in ihre Länder zu verlegen, also reine Wirtschaftspolitik, der Normalbüger war immer egal.
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