Die «Paradise Papers» zeigen die Mechanismen in der Welt der Offshore-Konten, der Briefkastenfirmen und der Hinterzimmer-Deals. Sie bestehen aus insgesamt 13,4 Millionen Dokumenten, die aus 21 Quellen stammen: der Anwaltskanzlei Appleby auf Bermuda, der kleinen Treuhandfirma Asiacity Trust aus Singapur sowie den internen Daten der Firmenregister von 19 Steueroasen, unter anderem den Bermudas, den Cookinseln oder Malta.
Die Daten wurden vor rund einem Jahr der «Süddeutschen Zeitung» zugespielt. Wie genau sie an die Daten gekommen ist, legt die Zeitung aus Gründen des Quellenschutzes nicht offen. Die Daten wurden über das International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) mit anderen Medien geteilt: Insgesamt arbeiteten mehr als 380 Journalistinnen und Journalisten aus 67 Ländern an den Dokumenten. In der Schweiz sind der «Tages-Anzeiger», «Der Bund», «SonntagsZeitung», «24heures», «Tribune de Genève» und «Le Matin Dimanche» beteiligt.
Rund die Hälfte der 13,4 Millionen Dokumente stammen von Appleby. Sie bilden den gesamten Geschäftsverkehr der Anwaltskanzlei ab: E-Mails, Verträge sowie behördliche Dokumente. Appleby berät unter anderem Institutionen im Finanzbereich, private Unternehmen und «Personen mit hohem Eigenkapital».
Die Firma wirbt damit, dass sie eine Kombination von «Einfallsreichtum und Talent» aus den bedeutendsten Offshore-Finanzzentren repräsentiere. Appleby hat nach eigenen Angaben weltweit 470 Mitarbeiter, darunter 60 Partner. Gegründet wurde die Firma auf den Bermudas. Sie hat weltweit zehn Büros, zum Beispiel in Steueroasen wie den Britischen Jungferninseln und der Isle of Man.
Appleby betont, auf legale Offshore-Praktiken zu setzen und im Einklang mit den Gesetzen zu handeln. Man nehme alle Vorwürfe «extrem ernst». Nach sorgsamer und intensiver Prüfung sei man aber zu dem Ergebnis gekommen, dass es keinerlei Belege für Fehlverhalten seitens der Firma oder ihrer Klienten gebe. Appleby sprach nicht von einem Datenleck, sondern von einem illegalen «Cyber-Angriff».
Neben den US-Konzernen Apple, Nike, Facebook und Twitter tauchen in den Daten die Namen von mehr als 120 Politikern aus 50 Ländern auf, dazu auch Unternehmer und Sportler. Hier eine unvollständige Auflistung:
Mehr über die Verwicklungen der Personen findest du in den verlinkten Artikeln.
Laut Tages-Anzeiger zählt Appleby 2363 Schweizer Kunden, darunter Einzelpersonen und Unternehmen. Der Rohstoffkonzern Glencore mit Sitz in Baar (ZG) nimmt dabei laut Recherchen des Tagesanzeigers eine Hauptrolle ein. Glencore sei der drittgrösste Kunde bei Appleby. Angeblich sollen rund 30' 000 Dokumente allein Glencore betreffen und auf «korruptionsverdächtige» Geschäfte hinweisen.
Auch der Name von SBB-Präsidentin Monika Ribar taucht in den Daten auf. Ihr Name steht im Zusammenhang mit demjenigen des schweizerisch-angolanischen Geschäftsmannes Jean-Claude Bastos.
Bislang ist keine Verstrickung Donald Trumps in die Geschäfte einer der betroffenen Firmem bekannt. Trotzdem taucht ein Namen seiner Regierung auf: Laut den «Paradise Papers» profitiert US-Handelsminister Wilbur Ross über Offshore-Konstrukte von einer Gasfirma, welche mit dem engsten Zirkel um den russischen Präsidenten verbunden ist – unter anderem mit dessen Schwiegersohn.
Auf Anfrage des internationalen Journalistennetzwerks ICIJ bestritt der 79-jährige Milliardär nicht, dass er am russischen Gasgeschäft mitverdiene. Er trage aber «generell» die US-Sanktionen gegen russische Entitäten mit, lässt er über einen Sprecher des Handelsministerium mitteilten. Die Sibur-Mitbesitzer aus Putins engstem Zirkel – Michelson, Timchenko und Schwiegersohn Schamalow – habe er nie getroffen.
Wie die «New York Times» weiter berichtet, findet sich in den «Paradise Papers» auch Hinweise auf weitere Mitglieder der Trump-Administration: Gary Cohn, der dem National Economic Council, dem Wirtschaftsbeirat des Weissen Hauses, vorsitzt und Aussenminister Rex Tillerson werden beide in den geleakten Dokumenten erwähnt. Es gibt jedoch keinerlei Hinweise auf illegale Aktivitäten von Cohn oder Tillerson.
Nicht zwingend. Die involvierten Medien betonen, dass ein Auftauchen in den Dokumenten nicht «automatisch rechtliches oder moralisches Fehlverhalten» bedeute. Oft sind Steuertricks über Offshore-Firmen legal oder bewegen sich in einer Grauzone. Die Enthüllungen dürfte auch der Frage mehr Gewicht verleihen, ob die Politik genügend gegen bekannte Steuertricks tut.
Die Panama Papers wurden im Frühjahr 2016 veröffentlicht. Sie schlugen die höchsten Wellen. Der Datenberg zeigte grosse Geldströme nach Panama, wo Tausende Briefkastenfirmen angesiedelt sind. Ob es sich dabei auch um strafbare Geschäfte handelt, prüften weltweit Staatsanwälte.
Durch die Enthüllungen gerieten Politiker, Geschäftsleute und Prominente unter Druck. So verlor der pakistanische Regierungschef Nawaz Sharif wegen Korruptionsvorwürfen sein Amt. Die Opposition stützte ihre Vorwürfe auch auf Dokumente, die im Zuge der Panama Papers-Enthüllungen aufgetaucht waren.
In Malta gab es im Juni wegen der Panama Papers Neuwahlen und in Island führte die Veröffentlichung zum Rücktritt des Ministerpräsidenten Sigmundur Gunnlaugsson und zum Verzicht des Staatschefs Ólafur Ragnar Grímsson auf eine Wiederwahl.
(nfr/mlu/sda)