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Zu dieser Katastrophe hätte es nie kommen dürfen

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Am Sonntagabend verkündeten die Bundesräte Karin Keller-Sutter und Alain Berset zusammen mit CS-Chef Axel Lehmann (l.), UBS-Chef Colm Kelleher (2.v.l.) und SNB-Präsident Thomas Jordan (r.) die Übernahme der CS durch die UBS.Bild: keystone
Kommentar

Zu dieser Katastrophe hätte es nie kommen dürfen

Was in Bern kommuniziert wurde, ist nicht nur schlecht, es ist katastrophal: Ein Kommentar zum Ende der 167-jährigen Credit Suisse und den Folgen für die Schweiz.
20.03.2023, 05:47
Patrik Müller / ch media
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Am Ende blieb keine andere Wahl. Es musste bis Sonntagabend eine Lösung her – noch bevor die ersten Börsen in Asien öffnen. Sonst wäre die Credit Suisse am Montag kollabiert, das Schweizer Finanzsystem wäre erschüttert worden – und mit ihm das globale Finanzsystem. Es hätte ein Flächenbrand, eine internationale Bankenkrise ausgelöst werden können. Dieses Risiko wollte in der Schweiz niemand eingehen.

Unter solch gewaltigem Druck können keine guten Lösungen gefunden werden, und was am Sonntagabend in Bern kommuniziert wurde, ist nicht nur schlecht, es ist katastrophal.

Die Credit Suisse wird geopfert, für grössere Ziele, für die Stabilität des Finanzsystems. Die UBS übernimmt die CS zu einem Schnäppchenpreis von 3 Milliarden Franken, und sie lässt sich die übernommenen Risiken vom Bund mit einer Garantie von 9 Milliarden Franken abgelten. Zur Erinnerung: Der Buchwert der CS betrug zuletzt 40 Milliarden Franken, ihr Börsenwert knapp 8 Milliarden.

Das ist demütigend für die Credit Suisse und für alle, die dort arbeiten, und beschämend für ihre obersten Chefs, denen das Heft vergangene Woche völlig entglitten war und die dem Bank-Run nichts mehr entgegenzusetzen hatten. Schuld sind aber nicht primär sie, sondern ihre Vorgänger.

Schuld sind unfähige CEO und Verwaltungsräte, die in den letzten 10 Jahren die honorable, 167-jährige Bank an den Abgrund geführt haben – jene Bank, die das Schweizer Schienennetz und den ersten Gotthard-Eisenbahntunnel finanziert hat und bei der 40 Prozent aller KMU ein Konto haben.

UBS wollte die Übernahme nicht

Ist es immerhin ein guter Deal für die UBS? Das kann man erst in ein paar Jahren beantworten, aber für den Moment lautet die Antwort: nein. Die UBS wollte diese Übernahme nicht, sie wurde dazu gedrängt, von der Nationalbank, der Finanzmarktaufsicht und ausländischen Regulatoren – im Interesse der Schweiz und der weltweiten Stabilität.

Es hätte nie so weit kommen dürfen, dass sich die Schweiz in einer solchen Zwangslage wiederfindet.

Kann eine Zwangsheirat funktionieren? Sie wird auch bei der UBS Opfer bringen, denn die Tausenden von Jobs, die nun überflüssig werden, die fallen nicht nur bei der Credit Suisse weg, sondern auch bei der UBS. Bei jener Bank, die sich seit ihrem eigenen Nahtod-Erlebnis in der Finanzkrise 2008 hervorragend entwickelt hat und die auch dank weitsichtiger Chefs nicht derart folgenschwere Dummheiten angestellt hat wie die CS.

epa10532707 Axel Lehmann (L), Chairman Credit Suisse, speaks beside Colm Kelleher (R), Chairman UBS, during a press conference in Bern, Switzerland, 19 March 2023. The bank UBS takes over Credit Suiss ...
Kann die Zwangsheirat UBS-CS funktionieren?Bild: keystone

Demütigend für die Credit Suisse, zweifelhaft für die UBS – ist die Übernahme dann wenigstens für die Schweiz gut? Es hätte nie so weit kommen dürfen, dass sich die Schweiz in einer solchen Zwangslage wiederfindet. In einer Situation, in der Bundesrat, Nationalbank und Aufsichtsbehörden nicht die beste, sondern die am wenigsten schlechte Lösung treffen müssen. Noch schlechter gewesen wäre: ein Konkurs der CS, denn dann wäre die Reputation der Schweiz massiv beschädigt worden und unser Land womöglich zum Epizentrum eines globalen Finanzbebens geworden.

Schlechter wäre auch eine Übernahme durch den Bund gewesen, denn dann wären den Steuerzahlern milliardenschwere Risiken aufgebürdet worden. Und schlechter wäre vermutlich auch die Übernahme der CS durch eine ausländische Bank gewesen, die kaum Gehör für eine sozialverträgliche Sanierung gehabt hätte.

Gestern war ein schwarzer Sonntag. Eine Traditionsbank verschwindet, und der Bund wendet Notrecht an.

Ein Sündenfall, der nach der UBS-Krise 2008 nie mehr hätte geschehen sollen. Diesmal dürfen die Verantwortlichen der Bank – insbesondere die früheren – nicht davon kommen. Auch die Rollen von Nationalbank und Finma müssen aufgearbeitet werden. Sie haben zu spät reagiert. Werden jetzt keine Konsequenzen gezogen, ist der liberale Wirtschaftsstandort Schweiz in akuter Gefahr. (aargauerzeitung.ch)

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Einmaliger Gebrauch: CS-Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann zur Übernahme
Video: youtube
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106 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Barth Simpson
20.03.2023 06:12registriert August 2020
An der gestrigen Arena hat man einsehen müssen, dass eine Auffächerung der Bankgeschäfte zwischen Risikogeschäften und traditionellem Bankgeschäft goldrichtig gewesen wäre. Dies wurde sogar von der SVP unterstützt und kam mit einer Mehrheit des Nationalrates vor die kleine Kammer.

Dieses Vorlage ist im Ständerat aber abgeblitzt - Federführend war KKS, welche heute unsere Finanzvorsteherin ist.
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Majoras Maske
20.03.2023 06:33registriert Dezember 2016
Ja, das ehemalige Management und auch der Verwaltungsrat der CS gehören vor Gericht. Es kann nicht sein, dass die sich üppige Boni auszahlen für das Verbrennen von Milliarden und dann am Ende unzählige Menschen den Job verlieren. Aber auch die Rolle der Finma und der SNB muss sehr kritisch überprüft werden. Wenn eine Bank von der Grösse einer CS hops geht, dann haben diese beiden AKteure auch versagt. Und ein solches Versagen können wir uns mit der neuen UBS, deren Bilanzsumme das Doppelte des Schweizerischen BIPs beträgt, schlicht nicht leisten.
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Cosmopolitikus
20.03.2023 06:37registriert August 2018
Diese Empörung steht uns nicht gut an. Wir sind Weltmeister im Wegschauen. Jahrzehntelang haben VR und GL nur Eigen- und Stakeholderinteressen verfolgt. Grosse Gewinne, gleich hohe Entschädigungen und viel Schulterklopfen. Verluste, gleich Marktversagen. Das System ist in Tat und Wahrheit noch viel kränker, als was wir aktuell erleben. Ändert sich nun etwas?
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