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Warum ein Schweizer aus P.1-Brasilien unkontrolliert durch den Zoll kam

Menschen mit Reisegepaeck am Flughafen Zuerich, fotografiert am Donnerstag, 1. April 2021. (KEYSTONE/Alexandra Wey)
Das BAG sieht nicht vor, dass jede aus einem Risikogebiet einreisende Person kontrolliert wird.Bild: keystone

Warum ein Schweizer aus P.1-Brasilien unkontrolliert in die Schweiz spazierte

Frankreich kappt die Flugverbindungen nach Brasilien, wo die Corona-Lage verheerend ist. In der Schweiz müssen Brasilien-Einreisende zwar ihre Ankunft anmelden und in Quarantäne. Nur werde das nicht wirklich kontrolliert, erzählt ein watson-User.
16.04.2021, 18:4917.04.2021, 10:10
Vanessa Hann
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Frankreich hat diese Woche sämtliche Flüge nach Brasilien gestoppt. Während unser Nachbarland den Riegel schiebt, lässt die Schweiz weiterhin Einreisen aus dem Corona-Hotspot zu. In Brasilien grassiert seit einigen Wochen der Virusmutant P.1. Kanada, wo sich der Mutant ebenfalls ausbreitet, steht seit Freitag ebenfalls auf der Risikoliste. Das teilte das Bundesamt für Gesundheit (BAG) via Twitter mit.

Für Einreisende aus Risikogebiete gelten verbindliche Regeln: Sie müssen zwingend einen negativen Test vorweisen können, ihre Einreise bei den jeweiligen Kantonen anmelden und sich zehn Tage in Quarantäne begeben.

«Die Passkontrolle dauerte keine 20 Sekunden. Ein Testresultat wurde nicht verlangt.»
Luca Rieder*, reiste kürzlich von São Paulo nach Zürich

Die Selbstregistration basiert komplett auf Eigenverantwortung. So hat Luca Rieder* bei seiner Ankunft aus der brasilianischen Metropole São Paulo von den geltenden Regeln nicht viel gemerkt. «Die Passkontrolle dauerte keine 20 Sekunden. Ein Testresultat wurde nicht verlangt. Ob ich das Registrations-Formular ausgefüllt hatte, kontrollierte auch niemand», schildert er. Auf die Quarantäne-Pflicht sei er ebenfalls nicht hingewiesen worden.

Zoll setzt auf Eigenverantwortung

In Brasilien sei zwar beim Check-in für seinen Swiss-Flug der negative Corona-Test verlangt worden, erzählt Rieder. Weiter seien während des Fluges die Passagiere per Durchsage darauf hingewiesen worden, dass sie ihre Ankunft anmelden und sich in Quarantäne begeben müssen. Aber nie von offizieller Stelle: Bei der Einreise in Zürich hingegen sei bis auf den Pass nichts kontrolliert worden.

Rieder denkt nicht, dass sich alle Passagiere auf dem Web gleich gut informieren, geschweige denn an die Vorschriften halten würden. Er findet: «Bei Einreisen aus Risikogebieten sollte man strenger sein und die Passagiere zumindest beim Zoll nochmals eindringlich auf die Quarantänepflicht hinweisen», findet er.

BAG verlangt Stichproben

Warum ist die Schweiz so lasch? Das BAG sieht nicht vor, jede einreisende Person aus einem Risikogebiet zu kontrollieren. Die negativen PCR-Tests kontrolliert der Zoll stichprobenartig, heisst es.

Wie viele Stichproben der Zoll und die Kantonspolizei machten, sei vertraulich, sagt Beat Lauper von der Zürcher Gesundheitsdirektion. Er sieht die Verantwortung vielmehr bei den Reisenden: «Alle Einreisenden sind verpflichtet, sich selbständig zu informieren.» Die Selbstregistrierungen würden täglich in einer Liste erfasst und für die Stichprobenkontrolle verwendet.

Der Kanton Zürich werde weiter ab sofort alle aus Brasilien Einreisenden aktiv anrufen, sobald sie das entsprechende Online-Formular ausgefüllt hätten.

Eigentlich könnten die Kantone betroffene Personen kontaktieren und prüfen, ob sie die Quarantäne einhalten. Laut Auskunft des BAG würden sie die Passagierlisten von Flügen aus Risikogebieten erhalten. Das sei aber nicht vorgesehen, sagt Lauper: Die einzigen Personen, welche auf diese Weise kontaktiert worden seien, seien jene aus Südafrika, Grossbritannien und Irland gewesen, «um abzuklären, ob eventuell eine mutierte Virusversion miteingeschleppt wurde.»

Berset sieht keinen Flugstopp vor

Als Corona-Forscher Ende 2020 die britische und die südafrikanische Virusmutation entdeckte, kappte die Schweiz die Flugverbindungen innert weniger Tage.

Wegen der Lage in Brasilien forderten verschiedene Seiten in der Schweiz schon Ende März einen Flugstopp. Alain Berset sagte damals, dass man die Situation «sehr besorgt» verfolge, weitere Massnahmen wurden nicht als notwendig betrachtet.

Bundesrat Berset zur Lage in Brasilien am 31. März:

Video: extern / rest

Patrick Mathys, Leiter Sektion Krisenbewältigung und internationale Zusammenarbeit beim BAG, sagte zudem, ein Flugstopp aus Brasilien würde nur Sinn ergeben, wenn dieser europaweit koordiniert sei.

Nach dem Stopp von Frankreich werden die Flugverbindungen von Brasilien nach Europa immer weniger. In Zürich landet derweil weiterhin fünfmal pro Woche ein Swiss-Direktflug aus São Paulo.

* Name durch die Redaktion geändert.

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104 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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R10
16.04.2021 19:12registriert Juli 2016
Da werden Milliarden von Nothilfen ausgezahlt, Restaurants und Läden monatelang geschlossen, das Intensivpersonal in den Spitälern zeitweise an den Rand der Erschöpfung getrieben und am Zoll werden nichtmal diese 2-3 Minuten aufgewendet um bei jedem einzelnen Passagier konsequent das negative Testergebnis und die Anmeldung beim Kanton zu kontrollieren. Irgendwie lässt einem das schon sprachlos und ehrlich gesagt auch ein bisschen wütend zurück.
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Mr. Stärneföifi
16.04.2021 18:59registriert November 2016
Liebes BAG, ein Flugstopp minimiert jedoch das Risiko, P1 direkt in die Schweiz zu bringen. Denkt ihr nicht, dass man es dem Virus ein wenig schwerer machen sollte?
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Liebu
16.04.2021 18:57registriert Oktober 2020
Und genau so werden die Franzosen ankommen und in den TGV steigen und unterwegs ein bisschen Virus streuen.
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