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Ziehen die SBB dem Eurocity nach München den Stecker?

Der Eurocity nach München: Beliebt, aber oft zu spät.
EC nach München im Bahnhof St.Gallen.Bild: Ralph Ribi / CH Media

Ziehen die SBB dem Eurocity nach München den Stecker?

Ein deutsches Medium berichtet: Ab Ende 2024 soll der Eurocity von Zürich nach München nur noch bis und ab St.Gallen fahren. Schuld seien die hohen Verspätungen und die Unzuverlässigkeit des Betriebs. Die SBB widersprechen – kündigen aber eine andere Massnahme an.
17.01.2024, 14:3917.01.2024, 15:58
Stefan Ehrbar / ch media
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Der vergangene Sonntag war einer dieser Tage: Von sieben Eurocity-Zügen von München nach Zürich schafften es nur sechs an ihr Ziel, vier davon mit Verspätungen von bis zu 24 Minuten. Geübte Reisende auf dieser Strecke schockieren solche Zustände längst nicht mehr: Die Eurocity-Züge zwischen den beiden Städten verkehren notorisch verspätet und unzuverlässig.

Bei der Abfahrt in St.Gallen in Richtung Zürich waren im letzten Jahr drei Viertel der Eurocitys zu spät. Die durchschnittliche Verspätung betrug 20 Minuten – und zwar selbst, wenn pünktliche Züge einberechnet wurden. Problematisch ist dies nicht nur für internationale Reisende, sondern auch für den Binnenverkehr. Die Eurocity-Züge sind in den hiesigen Taktfahrplan integriert und stellen alle zwei Stunden die schnelle Verbindung von Zürich nach St.Gallen respektive umgekehrt dar.

Um die Situation zu verbessern, sollen die Verantwortlichen der Deutschen Bahn (DB) und der SBB nun zu einer brachialen Methode greifen. Das berichtete diese Woche das Portal DMM. Demnach sollen die Züge ab Dezember 2024 nur noch auf dem Abschnitt München-St.Gallen und umgekehrt verkehren. Reisende von München nach Zürich und umgekehrt müssten dann in St.Gallen umsteigen. Als Kompensation sollen die SBB einzelne IC5-Züge, die von der Westschweiz her teilweise bereits in Zürich enden, nach St.Gallen verlängern.

Die SBB dementieren

Es wäre ein drastischer Schritt, der die Nachfrage deutlich verringern dürfte. Diese hat in den letzten Jahren stetig zugenommen, oft sind die Züge ausgebucht. Ob Reisende aus Zürich und Winterthur nach München und umgekehrt lieber mit dem Zug in St.Gallen umsteigen würden, als gleich auf der ganzen Strecke den Fernbus zu nehmen, der die Strecke zuverlässiger und günstiger zurücklegt, ist offen.

Zudem wäre es eine Art Bankrotterklärung: Die Schweiz hat den Ausbau und die Elektrifizierung der Strecke in Deutschland mitfinanziert. Per Ende 2021 konnte dank dem Ausbau die Reisezeit von vier auf dreieinhalb Stunden reduziert werden, zumindest in der Theorie. Per Dezember 2023 wurde das Angebot um ein siebtes tägliches Zugpaar ausgebaut.

Nur: Die Geschichte stimmt nicht. SBB-Sprecherin Sabrina Schellenberg dementiert den DMM-Artikel. «Es ist nicht geplant, den Eurocity auf St.Gallen einzukürzen», sagt sie. Die Bahn sei aber mit der Betriebsstabilität nach wie vor nicht zufrieden und setze mit den Partnerbahnen DB und ÖBB alles daran, die Situation zu verbessern.

Reservieren wird Pflicht

Als jüngste Massnahme habe die Wartefrist von verspäteten Zügen aus Deutschland in St. Margrethen erhöht werden können. Auch wenn sie bis zu 10 Minuten zu spät eintreffen, behalten sie nun ihr Trassee nach Zürich. Bisher hatte die Frist bei fünf Minuten gelegen. Ist die Verspätung grösser, erhalten die Eurocitys ein neues Trassee, was meistens eine Verspätung von 30 Minuten am Ziel bedeutet.

Weitere Massnahmen sind geplant. Gut unterrichtete Kreise gehen davon aus, dass die Züge ab dem Jahr 2025 auf dem Abschnitt St.Gallen-Zürich nicht mehr im Fahrplan auftauchen, sondern dass der Halt in St.Gallen nur noch zum Aussteigen von Deutschland her genutzt werden kann. Dafür sollen weitere IC5-Züge zwischen St.Gallen und Zürich verkehren, sodass innerschweizerische Pendler nicht mehr unter der schlechten Pünktlichkeit der Züge leiden, aber keine Angebotsreduktion in Kauf nehmen müssen. Sabrina Schellenberg kommentiert dies nicht, sagt aber, die Eurocity sollen auch weiterhin in ihrer aktuellen Takttrasse verkehren. Varianten mit einer Fahrzeitverlängerung seien geprüft worden, würden aber nicht weiterverfolgt.

Bereits kurzfristiger kommt es zu einer Premiere im Bahnverkehr mit Deutschland: Zwischen 1. Juni und 5. Oktober dieses Jahres wird es für internationale Reisende zwischen Zürich und München und umgekehrt erstmals eine Reservationspflicht geben. Diese soll eine zu hohe Auslastung der Züge während der Fussball-EM in Deutschland, der Ferienzeit im Sommer und dem Oktoberfest in München verhindern. SBB-Sprecherin Schellenberg sagt, es handle sich um einen Test.

Vom 1. Juni bis 31. August gilt die Reservationspflicht auch zwischen Deutschland und den Niederlanden. Das betrifft laut Schellenberg auch die ICE-Züge Basel SBB-Amsterdam und die Sitzwagen in den Nachtzügen von Zürich nach Amsterdam, wenn die Grenze zwischen Deutschland und den Niederlanden überschritten wird. Für Reisen innerhalb der Schweiz sowie zwischen der Schweiz und Deutschland bestehe aber keine Reservationspflicht auf diesen Zügen.

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47 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Knut Knallmann
17.01.2024 15:23registriert Oktober 2015
Die Elektrifizierung der Strecke ändert halt leider nichts daran, dass der Grossteil der Strecke zwischen Lindau und München einspurig und ausgelastet ist. Zudem mangelt es an Kreuzungsmöglichkeiten. Ein einzelner verspäteter Zug kann den Fahrplan für den Rest des Tages zur Makulatur verkommen lassen. Die einzig wirklich nachhaltige Lösung wäre der Ausbau der Strecke auf eine durchgehende Doppelspur. Dank der deutschen „Gründlichkeit“ rechne ich aber spätestens mit einer Inbetriebnahme im Jahr 2076…
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Aruma
17.01.2024 14:53registriert Januar 2020
Die Strecke Zürich - München ist notorisch unzuverlässig. Für Geschäftsreisende unbrauchbar.
Empfehle, einen Rucksack voll Bücher und Sandwiches mitzunehmen.
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Demetria
17.01.2024 15:10registriert März 2020
Und genau dafür machen ein gute Jurist:Innen Konventionalstrafen wenn sie Verträge aushandeln: wenn die Schweiz die längst überfällige Elektrifizierung bezahlt, aber die Deutschen dann immer noch nicht liefern wollen, dann soll die Strecke halt mal für 10 Jahre an die SBB fallen.
Ich mach jede Wette der Protest aus der deutschen Bevölkerung dürfte eher klein sein.
Wär vielleicht eh die bessere Lösung, wenn BadenWürtenberg von der SBB bedient würde, Bayern von der ÖBB und der Norden von den Niederländern und Franzosen. Es würde das Chaos beenden. Das mit der DB wird ja eh nix mehr.
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