Am Mittwochabend traf sich der Schweizer Bundespräsident Ignazio Cassis in New York mit dem russischen Aussenminister Sergej Lawrow. «Ich habe Russland aufgefordert, von der Durchführung sogenannter Referenden in besetzten Gebieten der Ukraine Abstand zu nehmen», so Cassis über den Austausch mit Lawrow. Zudem habe er die tiefe Besorgnis der Schweiz wegen der Drohung mit dem Einsatz mit Atomwaffen zum Ausdruck gebracht.
Beim Treffen blieb es zwischen Cassis und Lawrow aber nicht: Der FDP-Bundesrat liess sich mit dem russischen Politiker für ein Foto ablichten, welches das russische Aussenministerium am Abend auf Twitter postete.
🇷🇺🇨🇭 Russian Foreign Minister Sergey #Lavrov held talks with President of the Swiss Confederation @ignaziocassis on the sidelines of the 77th Session of the UN General Assembly.#RussiaSwitzerland #UNGA77 pic.twitter.com/QajRCW4sy4
— MFA Russia 🇷🇺 (@mfa_russia) September 21, 2022
Dieses sorgte in der Schweiz für Kontroversen – nicht nur auf Social Media, sondern auch in der Politik. Dabei musste Cassis viel Kritik einstecken.
Der Zürcher Nationalrat äusserte gegenüber Blick TV Kritik am Foto von Cassis. Es sei zwar richtig und wichtig, dass die Schweiz weiterhin mit Russland im Gespräch bleibe, sagte er. Aber die Macht der Bilder sei in einem solchen Propagandakrieg extrem wichtig.
Deshalb sei es sehr ungeschickt, dass sich der Bundespräsident hier mit einem «lächelnden Foto» habe einspannen lassen. «Es gibt Treffen, da macht man ein Foto und es gibt Treffen, wo man kein Foto macht», sagte Molina.
Die Baslerin schätzt sie Situation ähnlich wie Molina ein. Es sei grundsätzlich wichtig, dass Cassis mit Lawrow das Gespräch suche, sagte sie gegenüber «20 Minuten». Und auch, dass man danach ein Foto mache, sei nachvollziehbar.
Aber: «Solche Einzelfotos, auf denen man lächelnd posiert, werden in den jeweiligen Ländern der Autokraten instrumentalisiert und zu deren Gunsten verdreht», so Arslan. Cassis hätte in einem solchen Moment das Foto also nicht freigeben dürfen.
Der Präsident der Grünliberalen zeigte bis zu einem gewissen Grad Verständnis für Cassis. Es entspreche den Schweizer Gepflogenheiten, mit allen Parteien Gespräche zu führen, sagte er gegenüber «20 Minuten».
Auch ihn irritierte aber das Foto. Sich mit dem Vertreter eines Kriegsagressors händeschüttelnd und lächelnd ablichten zu lassen, sei «ein Fauxpas, der zurecht zu Irritationen führt.»
Auch der Walliser Mitte-Fraktionschef Matthias Bregy reagierte gegenüber dem «Blick» verärgert. Er begrüsse es zwar, dass die Schweiz mit allen Kriegsparteien das Gespräch suche, stellte er klar.
Aber dass sich Cassis mit dem Foto «von der russischen Propagandamaschinerie missbrauchen» liess, sei für ihn unverständlich. «Das zeigt wieder einmal, dass im Aussendepartement das nötige Fingerspitzengefühl fehlt.»
FDP-Chef Thierry Burkart, Parteikollege von Cassis, äusserte sich ebenfalls zum Bild. Auch er brachte leichte Kritik an, zeigte aber auch Verständnis für die Handlungen des Tessiner Bundesrats. Wenn man die Guten Dienste anbieten wolle, dann müsse man mit Lawrow sprechen und dann gehöre ein Handshake dazu, so Burkart gegenüber dem «Blick». Aber «ein Foto davon ist unglücklich, lässt sich aber manchmal nicht verhindern.»
Wie viele Parteikollegen hält sich der Luzerner Nationalrat mit Kritik zum umstrittenen Foto zurück. Dennoch ist auch er mit Cassis' Treffen mit dem russischen Politiker unzufrieden – vor allem wegen der Haltung des Bundesrats. Grüter nannte es gegenüber 20 Minuten «einen riesigen Fehler und eine verpasste Chance», dass Cassis Lawrow keine Friedensmassnahmen vorgeschlagen habe, sondern in eine verurteilende Rolle geschlüpft sei.
Der SVP-Politiker kritisierte, die Rolle der Schweiz müsste es sein, in einer solchen Lage zu vermitteln. Es schade der Schweiz, dass der Bundesrat eine derart pointierte Haltung einnehme. «Der Bundesrat spielt so Richter statt Vermittler», so seine Worte.
Das Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA), welches von Cassis geleitet wird, hat sich mittlerweile ebenfalls zum Bild geäussert. Die Reaktion auf die Kritik fiel gegenüber «20 Minuten» nüchtern aus.
Cassis habe das Treffen mit Lawrow genutzt, um Russland zum Verzicht auf die geplanten Referenden aufzufordern, heisst es. Zudem habe er seine Besorgnis über eine weitere Verschlimmerung der Situation in der Ukraine deutlich gemacht.
Bilder vom händeschüttelnden Lawrow publizierte das russische Aussenministerium auf Twitter auch mit dem Präsidenten der Uno-Generalversammlung, Csaba Körösi, dem venezolanischen Aussenminister Carlos Trotosa, dem Präsidenten Zentralafrikas, Faustin-Archange Touadera, dem ägyptischen Aussenminister Sameh Shukri und dem chinesischen Aussenminister Wang Yi und IKRK-Präsident Peter Maurer.
(dab, mit Material von Keystone-sda)
Lächelnd und Hände schüttelnd diesen Massenmördern entgegentreten? Auf keinen Fall.
* Neutralität = zu gunsten von Russland, das ist ganz im Sinne der SVP.
Ich sage Russland hat nichts zu wollen solange die Krieg führen!
Mal schauen ob Cassis einknickt .
Cassis hat wirklich kein Fingerspitzengefühl.
Aber Foto hin oder her... mich stört viel mehr das Russland die Schweiz dazu auffordert wieder eine neutrale Rolle einzunehmen.
Hallo? Ganz Europa wird mit Atomwaffen bedroht und wir sitzen mitten drinn und sollen absolut neutral bleiben???