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Russland publiziert Foto von Cassis und Lawrow – kritische Reaktionen

Cassis lässt sich beim Handshake mit Lawrow ablichten – so reagiert die Schweizer Politik

22.09.2022, 17:0622.09.2022, 17:22
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Am Mittwochabend traf sich der Schweizer Bundespräsident Ignazio Cassis in New York mit dem russischen Aussenminister Sergej Lawrow. «Ich habe Russland aufgefordert, von der Durchführung sogenannter Referenden in besetzten Gebieten der Ukraine Abstand zu nehmen», so Cassis über den Austausch mit Lawrow. Zudem habe er die tiefe Besorgnis der Schweiz wegen der Drohung mit dem Einsatz mit Atomwaffen zum Ausdruck gebracht.

Beim Treffen blieb es zwischen Cassis und Lawrow aber nicht: Der FDP-Bundesrat liess sich mit dem russischen Politiker für ein Foto ablichten, welches das russische Aussenministerium am Abend auf Twitter postete.

Dieses sorgte in der Schweiz für Kontroversen – nicht nur auf Social Media, sondern auch in der Politik. Dabei musste Cassis viel Kritik einstecken.

Fabian Molina (SP)

Der Zürcher Nationalrat äusserte gegenüber Blick TV Kritik am Foto von Cassis. Es sei zwar richtig und wichtig, dass die Schweiz weiterhin mit Russland im Gespräch bleibe, sagte er. Aber die Macht der Bilder sei in einem solchen Propagandakrieg extrem wichtig.

Deshalb sei es sehr ungeschickt, dass sich der Bundespräsident hier mit einem «lächelnden Foto» habe einspannen lassen. «Es gibt Treffen, da macht man ein Foto und es gibt Treffen, wo man kein Foto macht», sagte Molina.

Nationalrat Fabian Molina, SP-ZH, spricht waehrend der Fruehlingssession der Eidgenoessischen Raete, am Donnerstag, 10. Maerz 2022 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
Fabian Molina spricht im Parlament.Bild: keystone

Sibel Arslan (Grüne)

Die Baslerin schätzt sie Situation ähnlich wie Molina ein. Es sei grundsätzlich wichtig, dass Cassis mit Lawrow das Gespräch suche, sagte sie gegenüber «20 Minuten». Und auch, dass man danach ein Foto mache, sei nachvollziehbar.

Aber: «Solche Einzelfotos, auf denen man lächelnd posiert, werden in den jeweiligen Ländern der Autokraten instrumentalisiert und zu deren Gunsten verdreht», so Arslan. Cassis hätte in einem solchen Moment das Foto also nicht freigeben dürfen.

Nationalraetin Sibel Arslan spricht an der Delegiertenversammlung der Gruenen Schweiz am Samstag, 20. August 2022, in Zug. (KEYSTONE/Alexandra Wey)
Grüne-Politikerin Sibel Arslan.Bild: keystone

Jürg Grossen (GLP)

Der Präsident der Grünliberalen zeigte bis zu einem gewissen Grad Verständnis für Cassis. Es entspreche den Schweizer Gepflogenheiten, mit allen Parteien Gespräche zu führen, sagte er gegenüber «20 Minuten».

Auch ihn irritierte aber das Foto. Sich mit dem Vertreter eines Kriegsagressors händeschüttelnd und lächelnd ablichten zu lassen, sei «ein Fauxpas, der zurecht zu Irritationen führt.»

Juerg Grossen, Parteipraesident GLP Schweiz, spricht an der 49. Delegiertenversammlung der Gruenliberalen Partei Schweiz (GLP), am Samstag, 20. August 2022 in Solothurn. (KEYSTONE/Anthony Anex)
Jürg Grossen ist seit 2017 Präsident der GLP.Bild: keystone

Matthias Bregy (Mitte)

Auch der Walliser Mitte-Fraktionschef Matthias Bregy reagierte gegenüber dem «Blick» verärgert. Er begrüsse es zwar, dass die Schweiz mit allen Kriegsparteien das Gespräch suche, stellte er klar.

Aber dass sich Cassis mit dem Foto «von der russischen Propagandamaschinerie missbrauchen» liess, sei für ihn unverständlich. «Das zeigt wieder einmal, dass im Aussendepartement das nötige Fingerspitzengefühl fehlt.»

Mitte Fraktionschef Philipp Matthias Bregy, Mitte-VS, rechts, spricht vor der Nationalratspraesidentin Irene Kaelin, GP-AG, zur Grossen Kammer, an der Sommersession der Eidgenoessischen Raete, am Donn ...
Mitte-Fraktionschef Matthias Bregy.Bild: keystone

Thierry Burkart (FDP)

FDP-Chef Thierry Burkart, Parteikollege von Cassis, äusserte sich ebenfalls zum Bild. Auch er brachte leichte Kritik an, zeigte aber auch Verständnis für die Handlungen des Tessiner Bundesrats. Wenn man die Guten Dienste anbieten wolle, dann müsse man mit Lawrow sprechen und dann gehöre ein Handshake dazu, so Burkart gegenüber dem «Blick». Aber «ein Foto davon ist unglücklich, lässt sich aber manchmal nicht verhindern.»

Le president du PLR Thierry Burkart, gauche, et Ignazio Cassis, president de la Confederation, droite, parlent lors de l'assemblee des delegues du PLR Les Liberaux-Radicaux suisse ce samedi 12 fe ...
Burkart gemeinsam mit seinem Parteikollegen Cassis im Februar.Bild: keystone

Franz Grüter (SVP)

Wie viele Parteikollegen hält sich der Luzerner Nationalrat mit Kritik zum umstrittenen Foto zurück. Dennoch ist auch er mit Cassis' Treffen mit dem russischen Politiker unzufrieden – vor allem wegen der Haltung des Bundesrats. Grüter nannte es gegenüber 20 Minuten «einen riesigen Fehler und eine verpasste Chance», dass Cassis Lawrow keine Friedensmassnahmen vorgeschlagen habe, sondern in eine verurteilende Rolle geschlüpft sei.

Der SVP-Politiker kritisierte, die Rolle der Schweiz müsste es sein, in einer solchen Lage zu vermitteln. Es schade der Schweiz, dass der Bundesrat eine derart pointierte Haltung einnehme. «Der Bundesrat spielt so Richter statt Vermittler», so seine Worte.

Nationalrat Franz Grueter, Vizepraesident SVP Schweiz, SVP-LU, spricht am Delegiertenversammlung die Schweizerische Volkspartei der Schweiz (SVP Schweiz), am Samstag, 24. Oktober 2020, in Bern. Mit Bl ...
SVP-Nationalrat Franz Grütter.Bild: keystone

Das EDA

Das Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA), welches von Cassis geleitet wird, hat sich mittlerweile ebenfalls zum Bild geäussert. Die Reaktion auf die Kritik fiel gegenüber «20 Minuten» nüchtern aus.

Cassis habe das Treffen mit Lawrow genutzt, um Russland zum Verzicht auf die geplanten Referenden aufzufordern, heisst es. Zudem habe er seine Besorgnis über eine weitere Verschlimmerung der Situation in der Ukraine deutlich gemacht.

Russland publizierte weitere Fotos

Bilder vom händeschüttelnden Lawrow publizierte das russische Aussenministerium auf Twitter auch mit dem Präsidenten der Uno-Generalversammlung, Csaba Körösi, dem venezolanischen Aussenminister Carlos Trotosa, dem Präsidenten Zentralafrikas, Faustin-Archange Touadera, dem ägyptischen Aussenminister Sameh Shukri und dem chinesischen Aussenminister Wang Yi und IKRK-Präsident Peter Maurer.

(dab, mit Material von Keystone-sda)

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199 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Eraganos
22.09.2022 17:16registriert September 2019
Gespräche suchen: ja.
Lächelnd und Hände schüttelnd diesen Massenmördern entgegentreten? Auf keinen Fall.
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Hadock50
22.09.2022 17:12registriert Juli 2020
Lawrow will «Schweizer Rückkehr zur Neutralität*».

* Neutralität = zu gunsten von Russland, das ist ganz im Sinne der SVP.
Ich sage Russland hat nichts zu wollen solange die Krieg führen!
Mal schauen ob Cassis einknickt .
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Chalbsbratwurst
22.09.2022 17:26registriert Juli 2020
Ja mir kam auch fast der Kaffee obsi als ich das Bild sah.
Cassis hat wirklich kein Fingerspitzengefühl.

Aber Foto hin oder her... mich stört viel mehr das Russland die Schweiz dazu auffordert wieder eine neutrale Rolle einzunehmen.

Hallo? Ganz Europa wird mit Atomwaffen bedroht und wir sitzen mitten drinn und sollen absolut neutral bleiben???
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