Die Verhandlungen in Genf über ein internationales Abkommen gegen Plastikverschmutzung sind wegen einem fehlenden Konsens gescheitert. Der Vorsitzende der Gespräche, Luis Vayas Valdivieso, und mehrere Delegationen berichteten am Freitag darüber.
Bereits am späten Donnerstagabend hatten sich Probleme angedeutet. Der Konferenzvorsitzende Valdivieso vertagte die Verhandlungen der 185 Staaten um kurz vor Mitternacht auf Freitag. Das löste bei den Anwesenden Verwirrung aus, wie ein Korrespondent der Nachrichtenagentur Keystone-SDA berichtete.
Valdivieso sah sich gezwungen, vor Ablauf der Mitternachtsfrist eine Plenarsitzung zu eröffnen, um in völliger Verwirrung anzukündigen, dass die Gespräche am Freitag fortgesetzt würden. Das nächste Treffen in diesem Format werde «zu einer noch festzulegenden Zeit» stattfinden, fügte der Konferenzvorsitzende hinzu, bevor er den Saal eilig verliess.
Die Ankündigung führte zu einer enormen Verwirrung unter den Delegationen. Einige wussten nicht, ob die Gespräche in der Nacht in kleinen Gruppen fortgesetzt würden oder nicht. Die meisten verliessen schliesslich den Völkerbundpalast. Ein gutes Viertel der Teilnehmenden blieb noch lange im Saal.
Zuvor hatte sich eine Menschenmenge um den dänischen Umweltminister Magnus Heunicke versammelt, dessen Land zurzeit dem Rat der Europäischen Union vorsteht. Einige Delegierte äusserten ihr Unverständnis: «So etwas habe ich noch nie gesehen», sagte sie zu Keystone-SDA. Später kündigten übereinstimmende Quellen ein Treffen der Delegationsleiter um 02.00 Uhr oder vielleicht 03.00 Uhr an.
Die Kritik an Valdiviesos Vorgehensweise häufte sich. Nichtregierungsorganisationen (NGO) sprachen von einer «Beleidigung» der Zivilgesellschaft. Einige südamerikanische Delegierte machten keinen Hehl aus ihrer Verärgerung über den ecuadorianischen Botschafter, der mit einem wenig ambitionierten überarbeiteten Textentwurf am Mittwoch bei den meisten Ländern enorme Wut ausgelöst hatte. Von Bundesrat und Umweltminister Albert Rösti über den französischen Präsidenten Emmanuel Macron bis hin zu vielen Entwicklungsländern wurde dieser als «inakzeptabel» bezeichnet.
Chefunterhändler Felix Wertli sprach am Freitagmorgen über die Enttäuschung seiner Delegation. Er forderte eine Pause, um über den weiteren Verlauf der Verhandlungen nachzudenken.
«Es ist eine schwierige Zeit», sagte der Chef für internationale Angelegenheiten des Bundesamtes für Umwelt (Bafu) vor den anderen Staaten. Es habe nicht an mangelndem Engagement gelegen, fügte er hinzu.
«Wir haben Fortschritte erzielt», sagte der Umweltbotschafter, doch die entscheidenden Schritte für ein Abkommen seien ausgeblieben. Trotz des Scheiterns dürften die Bemühungen nicht aufhören, betonte Wertli. Nach drei Jahren Verhandlungen bei verschiedenen Treffen sei nun jedoch eine Pause nötig, um über den zukünftigen Ansatz zu entscheiden.
Der Streit über den Text fand zwischen zwei Gruppen statt: Mehr als 100 weitere Länder wollten die Plastikproduktion auf ein nachhaltiges Niveau begrenzen, Einwegplastik wie Besteck, Becher und Verpackungen aus dem Verkehr ziehen und auf wiederverwendbare Produkte, Recycling und Kreislaufwirtschaft setzen. Dagegen standen Länder, die den Rohstoff für das Plastik haben: Öl. Darunter sind Saudi-Arabien, der Iran und Russland. Diese Länder taten alles, um Produktionsbeschränkungen zu verhindern.
(dab/sda)