Hösch
Da kommt doch auch ei Harst Flüchtlinge her.
Und die hat man in der CH so gar nicht auf dem Schirm? - Keine weiteren Worte mehr.
Okbaab Tesfamariam ist wütend. Er fühlt sich im Stich gelassen von den Schweizer Behörden. Dutzende Briefe mit Warnungen hat er versendet. «Doch niemand wollte uns helfen. Niemand fühlte sich zuständig.»
Tesfamariam ist Mediensprecher des Eritreischen Medienbunds Schweiz und Mitglied des Kollektivs der eritreischen Gemeinschaft Schweiz. Seit Wochen kämpft er gegen das «Eritrea-Festival», das diesen Samstag stattfinden soll.
Bei dem Festival handelt es sich um eine Propagandaveranstaltung. Es soll den Bürgerkrieg in der äthiopischen Provinz Tigray verherrlichen, an dem sich auch Eritrea beteiligt. Hauptorganisator soll der berühmte eritreische Schauspieler und Sänger Awel Seid sein. Gegner werfen dem eritreischen Regime vor, diese Veranstaltungen mitzufinanzieren.
Das Eritrea-Festival befindet sich zurzeit auf einer Art Europa-Tournee. Im Juli fand es in Schweden statt. Awel Seid, ein regimetreuer Freund des eritreischen Diktators Isaias Afwerki, moderierte den Anlass in Militäruniform. Auf Videos ist zu hören, wie Seid sich kriegsverherrlichend äussert und Russland seine Unterstützung für die Ukraine-Invasion zusichert. Weiter wurde dazu aufgerufen, in Europa lebende Geflüchtete aus der äthiopischen Provinz Tigray zu attackieren.
Die niederländische Gemeinde Rijswijk hat das Festival daraufhin verboten. Im deutschen Giessen scheiterte ein Verbotsversuch. Erst als Protestierende das Festivalgelände stürmten und es zu wüsten Auseinandersetzungen kam, wurde das «Kulturfestival» von der Polizei abgebrochen.
Nun soll das Festival am Samstag in der Schweiz stattfinden. Wo genau, ist nicht bekannt. «Über WhatsApp-Gruppen wird den Teilnehmenden am Samstagmorgen mitgeteilt, wo sie hinsollen. In allen Teilen der Schweiz werden Busse bereitstehen, die zum Veranstaltungsort fahren», sagt Okbaab Tesfamariam. Erst wer in den Bus einsteigt, soll erfahren, wo die Reise hingeht.
watson hat Einsicht in diese WhatsApp-Gruppen und konnte mit dem Koordinator für die Region Zürich sprechen. Der in Winterthur wohnhafte Mann bestätigte die Durchführung des Festivals, wollte aber keine näheren Angaben dazu machen. Er gab lediglich zu Protokoll, dass das Festival keine politischen Absichten hege. Es gehe nur um Musik und Kultur.
Tesfamariam sieht das anders: «Man hat es gesehen in Schweden. Ihr Ziel ist es, Hass zu verbreiten und Krieg gegen Tigray zu propagieren». Er fürchtet zudem, dass Jugendliche für den Krieg in Äthiopien rekrutiert werden sollen.
In Schweden und Deutschland wurde zudem ersichtlich, an wen sich die Veranstaltungen richten. Es sind hauptsächlich Eritreer, die sich in den 1990er-Jahren im nationalen Befreiungskampf gegen Äthiopien engagierten und dann in die Schweiz flüchteten. «Sie wollen nicht wahrhaben, dass die Befreiungsbewegung zu einer Diktatur verkommen ist», sagt Tesfamariam. Ihren Kindern hätten sie ihr Weltbild nun weitergegeben.
Diverse kantonale Polizeistellen bestätigten gegenüber watson, von der Veranstaltung gehört zu haben. Wo genau sie stattfinden soll, wusste jedoch niemand. Im Kanton Aargau sei ein Gesuch eingereicht worden. Die zuständige Gemeinde hätte es jedoch abgelehnt.
Tesfamariam wirft den Behörden vor, untätig zu sein. «Wir fühlen uns alleingelassen.» Selbst der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren habe man einen Brief geschrieben. «Sie haben uns mitgeteilt, dass sie dafür nicht zuständig seien», sagt Tesfamariam. Er fürchtet nun, dass es am Samstag zu Ausschreitungen wie in Deutschland kommen wird. «Wir wollen keinen Streit, deswegen haben wir versucht, die Veranstaltung im Vorfeld zu verhindern.»
Dass an der Veranstaltung zur Vernichtung der oppositionellen Diaspora aufgerufen wird, werde jedoch unweigerlich eine Gegenreaktion auslösen. Tesfamariam hofft, dass die Polizei ihnen den Platz geben wird, um zu demonstrieren. Oder die Veranstaltung bei Bekanntwerden des Ortes gleich ganz verbietet. Ansonsten könnte es wieder zu Ausschreitungen kommen. Er ruft jedoch beide Seiten dazu auf, friedlich zu bleiben.
Den jungen Teilnehmenden des Festivals will er zudem ans Herz legen, sich nicht von der Propaganda blenden zu lassen. «Jeder kann seine politische Meinung haben, aber Hetze und Hass gehen zu weit. Wir können auch zusammen, mit gegenseitigem Respekt, unsere Probleme lösen.»