Der Schweizer Spion Daniel M., der im Auftrag des Schweizer Nachrichtendienstes (NDB) deutsche Steuerfahnder ausspioniert haben soll, hat eine Staatsaffäre ausgelöst. Gestern bestellte das deutsche Aussenministerium die Schweizer Botschafterin Christine Schraner Burgener ein. Die Deutsche Regierung will eine Erklärung von der Schweiz für die Spionageaktivitäten.
Gegen den Spion und gegen «Unbekannt» laufe ein Verfahren wegen «Verdachts geheimdienstlicher Agententätigkeit», berichtet am Mittwoch die «Nordwestschweiz», die Einblick in den Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs hatte.
Die Affäre erhält somit eine ganz neue Dimension. Die Schweiz und Deutschland sind zwei befreundete Staaten, ihre Geheimdienste arbeiten eng zusammen. Doch jetzt wird die Beziehung auf die Probe gestellt.
An der gestrigen Pressekonferenz zum NDB-Jahresbericht herrschte trotz der angespannten Lage gute Laune. Weder der zuständige Verteidigungsminister Guy Parmelin noch NDB-Chef Markus Seiler wollten zur Spionage-Affäre etwas sagen. Stattdessen lobten sie die Arbeit des NDB, der «in unsicheren Zeiten für Sicherheit und Souveränität» sorgen würde.
Er könne und wolle nicht zum konkreten Fall Stellung nehmen, sagte Verteidigungsminister Guy Parmelin mit Verweis auf die laufenden Verfahren. Er habe die Ausführungen der deutschen Generalbundesanwaltschaft zur Kenntnis genommen, sagte er lediglich.
Festhalten könne er nur Grundsätzliches: So könne er sagen, dass die Schweiz und Schweizer Banken regelmässig Opfer von Spionage würden. Die Aufgabe des Nachrichtendienstes sei es, dies aufzudecken, damit die Schweiz rechtzeitig handeln könne.
NDB-Chef Markus Seiler ergänzte, dass der Nachrichtendienst generell in der Schweiz und im Ausland aktiv sei. Zu den Aufgaben gehöre auch die Spionageabwehr. Es gelte zu verhindern, dass «jemand mit illegalen Mitteln Geheimnisse stiehlt».
Die Arbeit des NDB geschehe teilweise verdeckt. «Die nachrichtendienstliche Arbeit ist kein Streichelzoo», sagte Seiler. Jeder Nachrichtendienst handle im Interesse des jeweiligen Landes und der jeweiligen Regierung. Mehr könne und wolle er zum vorliegenden Fall nicht sagen. Der NDB wolle zwar sichtbar sein, aber nicht transparent, denn: «Ein transparenter Nachrichtendienst ist tot.»
Der NDB und die Schweizer Regierung geben sich bedeckt. Konkreter wurde hingegen Valentin Landmann, der Anwalt von Daniel M. Gegenüber «Blick» sagte er: «Mein Mandant sollte gemäss Schweizer Recht legal im Auftrag des Nachrichtendienstes Informationen über in der Schweiz illegal tätige deutsche Steuerfahnder beschaffen.»
Ein Doppelagent ist per Definition ein Spion, der gleichzeitig für zwei gegeneinander arbeitende Nachrichtendienste tätig ist.
Soll das also heissen, dass Daniel M. auch schon für den deutschen Bundesnachrichtendienst (BND) gearbeitet hat? Das ist unklar.
Sicher hingegen ist: Der ehemalige UBS-Mitarbeiter wurde bereits 2015 verhaftet. Und zwar in der Schweiz, am Zürcher Paradeplatz. Der Vorwurf lautete damals, er habe sich selber als Datenhändler betätigt und Bankkundendaten an Deutschland verkauft. Als Käufer traten damals zwei ehemalige Mitarbeiter des BND an, was die «Bild» dazu veranlasste, ihn als Doppelagent zu bezeichnen.
Aber vielleicht liessen die deutschen Behörden Daniel M. auch bewusst ins Messer laufen. Denn: Das Datenmaterial, das der Schweizer damals verkaufte, stellte sich als gefälscht heraus. Laut Rechtsanwalt Valentin Landmann fiel der Schweizer damals sehr wahrscheinlich auf einen «Agent provocateur» herein. Eine Person, die, üblicherweise im Auftrag eines anderen Staates, jemanden zu einer gesetzeswidrigen Handlung zwingen soll.
Das Verfahren, welches die Bundesanwaltschaft 2015 eingeleitet hatte, läuft immer noch. Auch sie gibt sich zum Thema bedeckt.
Daniel M. soll bereits seit 2012 für den NDB arbeiten, berichtet die «NZZ». Dies würde mit dem Strafverfahren zusammenfallen, das die Schweizer Bundesanwaltschaft im März 2012 gegen drei Steuerfahnder aus Deutschland eröffnete.
Experten taxierten dies damals nur als Warnung für die deutschen Steuerfahnder, die in der Schweiz Steuer-CDs erwerben wollten. Doch die Schweizer Behörden meinten es mit der Verpflichtung von Daniel M. offenbar ernster, als zunächst gedacht. Er wurde wohl tatsächlich darauf angesetzt, mehr über die deutschen Steuerfahnder herauszufinden.
Nein. Wie sein Anwalt Landmann gegenüber «Blick» sagt, habe er die meiste Zeit von der Schweiz aus gearbeitet.
Zur Festnahme von Daniel M. kam es am Freitag in einem Frankfurter Hotel. Mittlerweile sitzt er in Karlsruhe in Untersuchungshaft. Doch weshalb wussten die deutschen Behörden von den Tätigkeiten des Schweizer Spions? Der Spion soll sich selber ans Messer geliefert haben, schreibt der «Tages Anzeiger» am Mittwoch.
Während der Befragungen der Bundesanwaltschaft, die im Jahr 2015 eingeleitet wurden, soll Daniel M. seine Tätigkeit für den Nachrichtendienst geltend gemacht haben, sagt sein Anwalt Valentin Landmann. M. soll nie damit gerechnet haben, dass seine Aussagen in die Hände der deutschen Ermittler gelangen würden, aber genau dies passierte.
Gemäss Landmann sei die deutsche Justiz sehr genau über die Kontakte zwischen dem NDB und Daniel M. informiert. Sie wisse sogar über die Honorierung des Spions Bescheid.
Landmann gehe von einer «Retourkutsche» der Deutschen aus, weil die Schweiz 2012 Haftbefehle gegen drei deutsche Steuerfahnder erliess, heisst es im «Blick».
Nein. Im Jahr 2008 wurde ein 36-jähriger Elektromonteuer fälschlicherweise für zehn Monate in Untersuchungshaft gesteckt. Er wurde beschuldigt, einen Anschlag auf dem Rütli geplant zu haben. Die Informationen stammten von NDB-Mitarbeitern, welche den Mann zu Unrecht verdächtigt hatten.
(cma)