Yen, der 2014 das verschlüsselte E-Mail-Programm ProtonMail gegründet hat, erklärte im Gespräch mit der «SonntagsZeitung», dass Europa lange durch seine historisch starke Industrie führend gewesen sei. Seit den 2000er-Jahren sei jedoch Tech zum entscheidenden Wirtschaftsmotor geworden – ein Wandel, den Europa verpasst habe.
Europa habe zudem die Prioritäten falsch gesetzt, indem es anstatt selbst zu investieren, ausländische Technologien zu niedrigen Kosten einkaufte, um kurzfristige Kosteneinsparungen zu erzielen. «Tech-Überflieger wie OpenAI oder Deepseek entstehen nicht in Europa, sondern in den USA oder in China», sagte Yen weiter.
Ein weiteres Problem sei die Abhängigkeit von amerikanischen Technologien. Europäische Institutionen und Regierungen bezögen ihre Cloud-Infrastruktur und Software weitgehend von Unternehmen wie Microsoft, Google und Amazon. «Die Schweiz und Europa sind heute Kolonien der USA», wird der Proton-Gründer weiter zitiert.
Das hänge auch damit zusammen, dass in den USA und in China eine ganz andere Mentalität herrsche. Die beiden Staaten würden Europa nicht fair behandeln, wenn es um Marktzugänge und Privilegien von einheimischen Unternehmen gehe. In China gelte seit jeher «China first», europäische Firmen könnten in gewissen Wirtschaftsbereichen gar nicht am chinesischen Markt teilnehmen.
Und in den USA mit Präsident Trump sei nun ebenfalls wieder der Protektionismus und damit «USA first» auf dem Vormarsch. Die Europäer würden irrigerweise glauben, dass die beiden Grossmächte sie «fair behandeln» würden, wenn sie das ihrerseits täten. Das sei «nicht naiv, sondern dumm», so Yen unmissverständlich.
Yen sieht für die Schweiz in der aktuellen Situation aber eine Chance, durch konsequente Förderung lokaler Tech-Produkte eine führende Rolle einzunehmen:
(con/sda)