Bei BYD zeigen sämtliche Zahlen steil nach oben. Chinas grösster Autobauer produzierte 2024 107,7 Milliarden Dollar Umsatz – ein Plus von fast 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Seit 2022 ist BYD auch Chinas grösster privater Arbeitgeber. Die neuen Werke schiessen nur so aus dem Boden: in China, aber auch in Südamerika und Europa. Auf dem alten Kontinent entstehen in den nächsten Jahren im Minimum zwei Werke: eins in Ungarn und eins in der Türkei. Ein möglicher dritter Standort ist noch geheim.
Und nun gibt es BYD auch in der Schweiz. Der Markteintritt erfolgt in einer turbulenten Zeit. Branchencoolio Tesla hat sich als Ekelpaket enttarnt. Gleichzeitig fährt die US-Regierung einen konsequenten Anti-Europa-Kurs. Dies hat dazu geführt, dass Europa wieder näher zusammensteht. Beispielhaft dafür ist das Subreddit r/BuyFromEU, das innerhalb von wenigen Tagen in die Liste der grössten Subreddits aufgenommen wurde. Auch in der Kommentarspalte von watson stösst BYD mehrheitlich nicht auf viel Gegenliebe.
Dies alles wird auch BYD-Vizepräsidentin und Europachefin Stella Li bewusst sein. Li gilt als entscheidender Motor hinter dem Erfolg von BYD. Sie wurde kürzlich zur «World Car Person of the Year» gewählt. Eine Ehre, die 2024 noch einem gewissen Adrian Newey zuteilwurde. Als watson Li im Interview fragt, weshalb Schweizer ein chinesisches und kein europäisches Auto kaufen sollen, weicht sie selbstbewusst aus: «Sie kaufen die beste Technologie und die beste Qualität. Im Vergleich mit der chinesischen Konkurrenz, und auch derjenigen aus Amerika und Europa, schneiden wir am besten ab. Wir lassen das Produkt für uns sprechen – testen Sie unsere Fahrzeuge und sie werden es sehen.»
Überzeugende Fahrzeugtests werden BYDs einzige Chance sein. Die Aura der Coolness, die einst Tesla umgab, fehlt BYD. Die Preise der drei Modelle sind okay, aber bei Weitem keine Kampfansage. Und die blosse Behauptung von guter Qualität steht konträr zum generellen Image von Produkten aus China – hierzulande auch gerne als Chinaschrott abgekanzelt.
Richtig schwer wiegt aber, dass der Autokauf aktuell wieder sehr stark als politisches Statement wahrgenommen wird. Als wir Li darauf ansprechen, deutet sie die Frage geschickt um: «Die Schweiz ist bekannt für die Schönheit ihrer Landschaft und dafür, der Natur Sorge zu tragen. Wir verfolgen dieselben Ziele – den Kampf gegen den Klimawandel. Wenn die Leute BYD erst einmal besser kennenlernen, die Fahrzeuge auf der Strasse sehen, dann werden sie beginnen, uns zu vertrauen. Gerade in den Bergen. Im Winter, das zeigen die Tests, haben wir die beste Performance.»
Erfolg hat BYD aktuell in England. Dort wurden im ersten Quartal mehr BYD-Autos verkauft als im gesamten letzten Jahr. Ähnliches berichtet Li von Spanien und Deutschland. Doch in diesen Ländern bietet BYD auch günstigere Modelle an. Etwa den Atto 3. Dieser erhielt vom ADAC ein ansprechendes, aber bei weitem kein überragendes Testergebnis. BYD wird seine Gründe haben, weshalb der Wagen mit einem Anschaffungspreis unter 40’000 Euro (in China kostet er 25’000) hierzulande (noch) nicht erhältlich ist.
Hoffnung wird BYD die Geschichte Skodas in der Schweiz machen. Die einst belächelten Tschechen bauten langsam, aber stetig ihr Image als «gut, günstig und zuverlässig» auf. So mauserten sie sich innerhalb von nur einem Jahrzehnt zu Switzerlands Darling. Einen ähnlichen Weg wird auch BYD gehen wollen. Dafür sind die Preise aktuell aber noch zu hoch. Und da wäre noch der Elefant im Raum.
Die Preispolitik hat BYD selbst in der Hand. Sie dürfte noch gewisse Anpassungen erfahren. Nicht in der Hand hat aber auch die Car Person of the Year nicht, was China in den nächsten Jahren mit Taiwan vorhat. Kommt es zu einer Invasion, dürfte die Marke ähnlich abgestraft werden wie aktuell Tesla. Und nur schon die offenen Drohgebärden dürften viele potenzielle Kunden hierzulande abschrecken.
Was mich persönlich überrascht, ist, dass sogar die Chinesen denken: Bei uns kann man alles zu überzogenen Preisen verkaufen.
Weil aus China. Mehr oder andere Gründe braucht man gar nicht.