Und plötzlich sind die Anrechte zum Bezug neuer Credit-Suisse-Aktien wieder richtig begehrt. Schon unmittelbar vor dem Wochenende hatte ziemlich unvermittelt eine starke Nachfrage nach den seit Wochenfrist an der Schweizer Börse unter dem Kürzel CSGN1 gehandelten Anrechten eingesetzt. Der Kurs der Credit-Suisse-Aktien wurde nach einer zwei Wochen langen Serie täglicher Allzeittiefstände nach oben gezogen.
Am Montag, am Tag vor dem Abschluss des Anrechthandels, erreichten die Papiere mit einem Kurs von rund 19 Rappen zwischenzeitlich den höchsten Stand seit Beginn der Handelsperiode von insgesamt sieben Arbeitstagen. Dies, nachdem in den vergangenen sechs Tagen rund ein Drittel aller Anrechte zu einem Durchschnittskurs von nur gerade knapp 10 Rappen gehandelt worden war. Wer die Papiere zu diesem Preis aufgesammelt hat, kann am kommenden Donnerstag Credit-Suisse-Aktien zum Preis von lediglich 2.87 Franken beziehen – deutlich billiger als zum aktuellen Börsenkurs.
Grundsätzlich hätten alle Credit-Suisse-Aktionäre am Donnerstag sogar die Möglichkeit, neue Titel zum Preis von nur 2.52 Franken zu beziehen – vorausgesetzt, sie haben ihre Anrechte in den vergangenen Tagen nicht bereits veräussert. Allen Aktionären wurde Ende November ein Anrecht pro bestehende Aktie zugesprochen. Wer sie behalten hat, kann sich am Donnerstag für sieben Anrechte zwei neue Credit-Suisse-Aktien zum Preis von 2.52 Franken zuschreiben lassen.
Viele kleinere Aktionärinnen und Aktionäre haben aber offensichtlich auf dieses Angebot verzichtet und ihre Anrechte bereits veräussert. Es gibt verschiedene Gründe, weshalb die Anrechte in den vergangenen Tagen so zahlreich auf dem Markt gelandet sind und einen schlimmen Kurseinbruch in den Credit-Suisse-Aktien bewirkten.
Die vielleicht naheliegendste, aber nicht unbedingt beste Erklärung ist der schlechte Zustand der Bank. Ende November musste sie bekannt geben, dass Kunden Einlagen im Wert von über 80 Milliarden Franken abgezogen haben, offenbar aus Angst, dass der Bank die Liquidität ausgehen könnte.
Doch es gibt auch das Argument, dass das Management mit der am 24. November angekündigten Kapitalerhöhung fatale Fehlsignale ausgesandt hat. Im Vordergrund steht zunächst der niedrige Ausgabepreis von 2.52 Franken für die neuen Aktien. Zum Zeitpunkt der Ankündigung der Kapitalerhöhung wurden die Aktien noch zu rund vier Franken gehandelt.
Zu jenem Zeitpunkt betrug der (theoretische) Wert des dannzumal noch nicht handelbaren Bezugsrechtes ganze 33 Rappen oder mehr als das Dreifache der ordentlichen Dividende aus dem Vorjahr. Kapitalmarktkenner wie Heinz Zimmermann, Professor für Finanzwirtschaft an der Universität Basel, gehen davon aus, dass viele Investoren Anrechte wie steuerfreie Dividende betrachten. Der Anreiz, die Anrechte zu verkaufen, nimmt mit dem Wert des Anrechtes zu.
Dabei hatte das Management das exakte Gegenteil erreichen und möglichst viele bestehende Aktionäre (nicht zuletzt die typischerweise besonders loyalen kleineren Aktionäre) zur Teilnahme an der Kapitalerhöhung motivieren wollen. Dies wäre vielleicht besser gelungen, wenn die Credit Suisse den Ausgabepreis für die neuen Aktien höher angesetzt hätte.
Aber das Management wollte sichergehen, dass alle Anrechte ausgeübt und die Kapitalerhöhung sicher über die Bühne gehen kann. Darum vereinbarte er mit einem Konsortium von nicht weniger als 19 Banken eine sogenannte Festübernahmegarantie. Die Banken garantierten, die neuen Aktien zum Preis von 2.52 Franken zu übernehmen, falls sich keine anderen Käufer fänden. Diese Syndikatsbanken hatten selbstredend kein Interesse an einem höheren Ausgabepreis der neuen Credit-Suisse-Aktien, weil sie sonst ein grösseres Risiko hätten übernehmen müssen.
Rein theoretisch beträgt das Gesamtrisiko dieses Bankenkonsortiums 2.24 Milliarden Franken, wenn kein bestehender Credit-Suisse-Aktionär an der Kapitalerhöhung teilnehmen würde. Praktisch ist dieses Risiko aber natürlich um ein Vielfaches kleiner. Trotzdem musste die Credit Suisse tief in die Tasche greifen, um sich die Festübernahmegarantie geben zu lassen. Langjährige Marktbeobachter sprechen von einer Gebühr von deutlich über 100 Millionen Franken.
Für den Preis der teuren Festübernahmegarantie hätte man von den involvierten Banken unter Führungen von Credit Suisse, Deutscher Bank, Morgan Stanley, RBC Capital und Société Générale auch eine geeignete Kurspflege im Handel einfordern müssen, um den anfänglichen Angebotsüberhang bei den Anrechten aufzufangen und den Kurseinbruch abzufedern, meint ein Insider. Stattdessen hat die Bank mit der erratischen Kapitalbeschaffungsaktion viele treue Aktionärinnen und Aktionäre vergrault. Diese Fehlleistung sagt mehr aus über das schwache Nervenkostüm der Credit-Suisse-Führung als über den Zustand der Bank. (aargauerzeitung.ch)