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Was bei der Credit Suisse passiert ist – so, dass du es auch verstehst

Newton, New Jersey January 25, 2015 - One ounce gold bars on dark wood surface
Moment, was ist da los?Bild: Shutterstock/watson

Was bei der Credit Suisse passiert ist – so, dass du es auch verstehst

27.10.2022, 12:3727.10.2022, 17:17
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Du hast heute Morgen überall irgendwas von der Credit Suisse gelesen – bist aber nicht so ganz sicher, ob du's auch verstanden hast? Wir versuchen, dir die Geschehnisse, die wohl bald in die Geschichte eingehen werden, so einfach wie möglich zu erklären.

Der Credit Suisse geht es nicht gut, sogar ziemlich miserabel. Und das schon seit Längerem. Heute Donnerstag ist nun der Tag gekommen, an dem kommuniziert werden sollte, dass alles besser wird. Zumindest der Reaktion der Börse nach ist das der Grossbank nicht gelungen. Aber der Reihe nach.

Was ist die Vorgeschichte?

Hier muss man etwas ausholen. Die Finanzkrise 2007/2008 hat die Credit Suisse hart getroffen. Seitdem versucht die Grossbank, sich wieder zurückzukämpfen und an neue Regulierungen anzupassen. Sie tut dies aber in der längeren Frist mit deutlich weniger Erfolg als ihre grosse Schweizer Konkurrentin, die UBS. Zu den grossen Stolpersteinen gehören unter anderem:

  • Diverse Restrukturierungen: Nach der Finanzkrise wurde von den Grossbanken gefordert, dass die mehr Eigenkapital im Vergleich zum Fremdkapital halten sollen. Eigenkapital ist das Kapital, das einem Unternehmen selbst gehört. Es kann als Finanzpolster gegen diverse Verluste dienen. Auch weil die CS diesen Vorlagen nachkommen musste, schrieb sie teilweise Verluste.
  • Bussen in Milliardenhöhe an den amerikanischen Staat. Der Grund: Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Weitere Bussen und Schadenersatzzahlungen kamen dazu. Keine andere Bank zahlte seit der Finanzkrise soviel Bussgeld aufgrund rechtlicher Auseinandersetzungen. Insgesamt sind es laut Zählungen von SRF mehr als 11,7 Milliarden Franken.
  • Debakel bei den eigenen Investitionen: 2021 gab es gleich zwei harte Rückschläge: Die Credit Suisse erleidet einen Verlust von etwa fünf Milliarden Franken, weil Greensill Capital (ein Finanzinstitut) und Archegos (eine Gesellschaft, die Vermögen anlegte) pleite gingen. Weil die Credit Suisse bei beiden investiert war und Fonds an ihre Kunden empfahl, bei denen die Unternehmen dabei waren, musste sie betroffene Investorinnen und Investoren ausbezahlen.
  • Skandale unter den eigenen Leuten: Dazu gehören eine Beschattungsaffäre (unter dem damaligen CEO Tidjane Thiam wurde ein Top-Manager beschattet) sowie ein bekannt gewordener Quarantäne-Verstoss des eigenen Verwaltungsratspräsidenten (António Horta-Osório).
  • Abgänge von Top-Managern. Nicht nur in der Schweiz, auch zum Beispiel in Asien liefen der Credit Suisse in letzter Zeit viele Kaderleute davon. Der stetige Wechsel fand auch auf der obersten Etage statt: Innerhalb von fünf Jahren hatte die CS drei verschiedene CEOs: Ulrich Körner, der auf Thomas Gottstein (2020–2022) folgte. Gottstein kam nach Tidjane Thiam (2015–2020). Und auch beim Verwaltungsratspräsidium gab es innerhalb von gut zwei Jahren drei Wechsel.

Zusammenfassend kamen bei der Credit Suisse seit der Finanzkrise ziemlich viele Probleme zusammen – salopp gesagt.

Was ist heute passiert?

HANDOUT - FILE -- Ulrich Koerner, CEO Asset Management of Credit Suisse, undated Handout. CEO Thomas Gottstein is stepping down as the bank announced Wednesday, July 27, 2022. He will be succeeded by  ...
Credit-Suisse-CEO Ulrich Körner steht vor grossen Aufgaben.Bild: keystone

Seit August 2022 ist der deutsch-schweizerische Bankmanager Ulrich Körner an der Spitze der CS. Mit ihm sollte der lang ersehnte Wandel kommen. Die Grossbank soll befreit werden von Skandalen und Rückschlägen, die riskanten Geschäfte zurückgefahren oder abgestossen und die CS grundlegend umgebaut werden.

Angesichts der argen Schieflage wurden Anlegerinnen und Investoren nervös. Der Aktienkurs sank auf neue Tiefpunkte. Lange hörte man aber von den Plänen nichts und die Bank machte klar, dass sie erst Ende Oktober kommunizieren werde. Am Donnerstag war es nun so weit: Die Credit Suisse präsentierte ihr «Strategie-Update». Sie veröffentlichte es zeitgleich mit den Quartalszahlen. Diese werden von den meisten Unternehmen viermal im Jahr kommuniziert. Sie dienen vor allem den Anlegern dazu, die Gesundheit und den Erfolg eines Unternehmens regelmässig einschätzen zu können.

Zuerst zu den Zahlen

Die Grossbank machte im dritten Quartal 2022 (Juli bis September) 4,03 Milliarden Franken Nettoverlust. Es war der vierte Quartalsverlust in Folge. Letztmals schrieb die CS im dritten Quartal 2021 einen Gewinn – und zwar in der Höhe von 434 Millionen. Der hohe Quartalsverlust fällt insgesamt höher aus als von Analysten im Vorfeld gedacht.

Allerdings: Der Verlust vor Steuern im dritten Quartal beläuft sich auf 342 Millionen Franken. Das wiederum ist etwas weniger als Analysten befürchtet hatten.

Der Nettoverlust setzt sich aus verschiedenen Bestandteilen zusammen. Zum einen hat die CS im operativen Investmentbanking 666 Millionen Franken Verlust geschrieben. Der Grossteil des Verlusts aber resultiert aus der Kürzung des Investmentbankings – und ist vor allem buchhalterischer Natur.

Zum Verlust hinzu kommt: Ingesamt haben Kunden Mittel in der Höhe von 12,9 Milliarden Franken abgezogen, schreibt die Bank.

Und nun zum Strategie-Update

Das «Strategie-Update» tönt zwar harmlos, es kommt aber eigentlich einem ziemlich historischen, radikalen Umbau der Bank gleich. Es kann in drei wesentliche Punkte zusammengefasst werden:

  1. Abbau des Investmentbankings
  2. Kapitalerhöhung von vier Milliarden Franken
  3. Kosteneinsparungen und Stellenabbau

1. Abbau und Verlagerung des Investmentbankings

Die Credit Suisse will ihr Geschäft im Investmentbanking deutlich zurückfahren. Dazu verkauft sie signifikante Anteile am Geschäft mit «Securitized Products». Das gehört ebenfalls zum Investmentbanking. Auf Deutsch nennt man es das Geschäft mit verbrieften Produkten. Das sind Wertpapiere, die gehandelt werden können. Sie basieren aber eigentlich auf Produkten und Krediten, die ursprünglich nicht gehandelt werden können – wie zum Beispiel Hypothekarkredite. Solche Wertpapiere wurden den Banken insbesondere während der Finanzkrise zum Verhängnis: Gibt es ein Problem mit den Krediten, auf denen die Wertpapiere basieren, kann das, vereinfacht gesagt, alle diese Wertpapiere «mit in den Abgrund reissen».

Investmentbanking
Die Geschäfte einer grossen Bank wie der Credit Suisse können in zwei Funktionen eingeteilt werden: Das Commercial Banking und das Investmentbanking.
Commercial Banking ist eigentlich das, was man sich unter dem «normalen» Bankgeschäft vorstellt: Banken nehmen Einlagen entgegen, vergeben Kredite, sichern Vermögenswerte und arbeiten mit vielen verschiedenen Arten von Kunden zusammen, darunter die breite Öffentlichkeit und Unternehmen.
Investmentbanking hingegen ist das Erbringen von Dienstleistungen für grosse Unternehmen und institutionelle Anleger. Dazu gehören die Vermögensverwaltung und der Handel mit Wertpapieren. Üblicherweise ist für eine Bank in dieser Sparte deutlich mehr Geld zu verdienen im Vergleich zum Commercial Banking.

Ausserdem richtet die Credit Suisse eine sogenannte «Bad Bank» ein. Eine solche Abwicklungsbank ergibt dann Sinn, wenn sich eine Bank mit hohen Kreditrisiken konfrontiert sieht. Das kann dazu führen, dass die Bank das Vertrauen ihrer Kundschaft verliert – das wohl höchste Gut eines Finanzinstitutes.

Stark vereinfacht dargestellt werden «Bad Banks» gegründet, um Geschäfte dorthin auszulagern, die nur wenig Gewinn oder in diesem Moment viel Risiko mit sich bringen. Dadurch muss die ursprüngliche Bank diese Risiken nicht mehr tragen und wird von der Haftung dieser Geschäfte befreit. Oft läuft es darauf hinaus, dass die «Bad Bank» die Geschäfte schliesslich sukzessive abbaut.

Die Credit Suisse verlagert unter anderem Teile ihrer Geschäfte in Regionen wie Lateinamerika in die Abwicklungsbank.

Ebenfalls verkündet wurde, dass Investment Bank-Chef Christian Meissner die Grossbank per sofort verlässt.

2. Kapitalerhöhung

Die Credit Suisse nimmt eine Kapitalerhöhung von vier Milliarden vor. Das bedeutet folgendes: Die CS wird neue Aktien herausgeben, also Anteile am Unternehmen. Dadurch soll ein Erlös von vier Milliarden herausschauen. Dieser wiederum wird dringend benötigt, um das Eigenkapital zu stärken.

Besonders brisant: Ein Grossteil dieser neuen Aktien geht an die Saudi National Bank aus Saudi-Arabien. Diese wird dadurch einen Anteil von fast zehn Prozent an der Credit Suisse erwerben. Sie wäre damit eine der grössten Aktionärinnen.

3. Kosteneinsparungen und Stellenabbau

Die Credit Suisse wird per sofort rund 2700 Mitarbeitende entlassen. Das sind fünf Prozent der Beschäftigten. Dabei trifft es vor allem solche aus der Schweiz. Aufgrund des Abstossens von diversen Geschäften an andere Unternehmen (weiter unten), wird sich der Bestand des Personals aber noch weiter reduzieren, bis Ende 2025 um rund 9000 Mitarbeitende, so die Grossbank.

Unter anderem damit will die Credit Suisse ihre Kostenbasis (also die jährlichen Kosten) von 16,8 auf rund 14,5 Milliarden Franken senken.

Wie reagiert die Börse?

Nicht gut. In den letzten sechs Monaten hatte sich die Aktie der Credit Suisse zeitweise fast halbiert. Insbesondere Anfang Oktober fiel die Aktie auf ein Allzeittief auf unter vier Franken pro Stück.

Die CS-Aktie im letzten Halbjahr

Credit Suisse Aktie: sechs Monate

Wohl in der Hoffnung auf Besserung durch das Kommunizieren des Strategie-Updates stieg der Aktienkurs zuletzt wieder etwas an. Nun aber zeigt sich: Die Investorinnen und Anleger scheinen nicht zufrieden damit:

Die CS-Aktie in den letzten 5 Tagen

Credit Suisse Aktie: fünf Tage

Gleich nach Eröffnung der Börse sackte der Kurs wieder ab. Ob es der hohe Verlust ist oder ob den Analysten und Märkten die neue Strategie zu wenig weit geht, bleibt noch zu analysieren.

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72 Kommentare
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chrimark
27.10.2022 13:22registriert November 2016
Kurz zusammengefasst: Sich selbst überschätzende Wirtschaftskapitäne mit überzogenen Gehältern haben den Dampfer CS auf Grund gesetzt wie einst Schettino die Costa Concordia. Und genau wie Schettino sind sie längst von Bord wenn der Kahn untergeht.
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Sälüzäme
27.10.2022 14:29registriert März 2020
Das die CS in den letzten 10 Jahren das doppelte der Bussen an Boni ausbezahlt hat scheint kein Aktionär (jene die zustimmen müssen) und kein Politiker (jene welche die Abzockerinitiative umsetzen müssen) zu interessieren.
Jetzt wieder jammern wegen Stellenstreichungen und nebenbei die Verluste jahrelang von der Steuer absetzen.
Genau mein Humor.
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sansibar
27.10.2022 13:54registriert März 2014
666 Minus im Investmentbanking, immerhin eine Zahl mit viel Symbolkraft 😈 Teufelszeug…
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