Du hast heute Morgen überall irgendwas von der Credit Suisse gelesen – bist aber nicht so ganz sicher, ob du's auch verstanden hast? Wir versuchen, dir die Geschehnisse, die wohl bald in die Geschichte eingehen werden, so einfach wie möglich zu erklären.
Der Credit Suisse geht es nicht gut, sogar ziemlich miserabel. Und das schon seit Längerem. Heute Donnerstag ist nun der Tag gekommen, an dem kommuniziert werden sollte, dass alles besser wird. Zumindest der Reaktion der Börse nach ist das der Grossbank nicht gelungen. Aber der Reihe nach.
Hier muss man etwas ausholen. Die Finanzkrise 2007/2008 hat die Credit Suisse hart getroffen. Seitdem versucht die Grossbank, sich wieder zurückzukämpfen und an neue Regulierungen anzupassen. Sie tut dies aber in der längeren Frist mit deutlich weniger Erfolg als ihre grosse Schweizer Konkurrentin, die UBS. Zu den grossen Stolpersteinen gehören unter anderem:
Zusammenfassend kamen bei der Credit Suisse seit der Finanzkrise ziemlich viele Probleme zusammen – salopp gesagt.
Seit August 2022 ist der deutsch-schweizerische Bankmanager Ulrich Körner an der Spitze der CS. Mit ihm sollte der lang ersehnte Wandel kommen. Die Grossbank soll befreit werden von Skandalen und Rückschlägen, die riskanten Geschäfte zurückgefahren oder abgestossen und die CS grundlegend umgebaut werden.
Angesichts der argen Schieflage wurden Anlegerinnen und Investoren nervös. Der Aktienkurs sank auf neue Tiefpunkte. Lange hörte man aber von den Plänen nichts und die Bank machte klar, dass sie erst Ende Oktober kommunizieren werde. Am Donnerstag war es nun so weit: Die Credit Suisse präsentierte ihr «Strategie-Update». Sie veröffentlichte es zeitgleich mit den Quartalszahlen. Diese werden von den meisten Unternehmen viermal im Jahr kommuniziert. Sie dienen vor allem den Anlegern dazu, die Gesundheit und den Erfolg eines Unternehmens regelmässig einschätzen zu können.
Die Grossbank machte im dritten Quartal 2022 (Juli bis September) 4,03 Milliarden Franken Nettoverlust. Es war der vierte Quartalsverlust in Folge. Letztmals schrieb die CS im dritten Quartal 2021 einen Gewinn – und zwar in der Höhe von 434 Millionen. Der hohe Quartalsverlust fällt insgesamt höher aus als von Analysten im Vorfeld gedacht.
Allerdings: Der Verlust vor Steuern im dritten Quartal beläuft sich auf 342 Millionen Franken. Das wiederum ist etwas weniger als Analysten befürchtet hatten.
Der Nettoverlust setzt sich aus verschiedenen Bestandteilen zusammen. Zum einen hat die CS im operativen Investmentbanking 666 Millionen Franken Verlust geschrieben. Der Grossteil des Verlusts aber resultiert aus der Kürzung des Investmentbankings – und ist vor allem buchhalterischer Natur.
Zum Verlust hinzu kommt: Ingesamt haben Kunden Mittel in der Höhe von 12,9 Milliarden Franken abgezogen, schreibt die Bank.
Das «Strategie-Update» tönt zwar harmlos, es kommt aber eigentlich einem ziemlich historischen, radikalen Umbau der Bank gleich. Es kann in drei wesentliche Punkte zusammengefasst werden:
Die Credit Suisse will ihr Geschäft im Investmentbanking deutlich zurückfahren. Dazu verkauft sie signifikante Anteile am Geschäft mit «Securitized Products». Das gehört ebenfalls zum Investmentbanking. Auf Deutsch nennt man es das Geschäft mit verbrieften Produkten. Das sind Wertpapiere, die gehandelt werden können. Sie basieren aber eigentlich auf Produkten und Krediten, die ursprünglich nicht gehandelt werden können – wie zum Beispiel Hypothekarkredite. Solche Wertpapiere wurden den Banken insbesondere während der Finanzkrise zum Verhängnis: Gibt es ein Problem mit den Krediten, auf denen die Wertpapiere basieren, kann das, vereinfacht gesagt, alle diese Wertpapiere «mit in den Abgrund reissen».
Ausserdem richtet die Credit Suisse eine sogenannte «Bad Bank» ein. Eine solche Abwicklungsbank ergibt dann Sinn, wenn sich eine Bank mit hohen Kreditrisiken konfrontiert sieht. Das kann dazu führen, dass die Bank das Vertrauen ihrer Kundschaft verliert – das wohl höchste Gut eines Finanzinstitutes.
Stark vereinfacht dargestellt werden «Bad Banks» gegründet, um Geschäfte dorthin auszulagern, die nur wenig Gewinn oder in diesem Moment viel Risiko mit sich bringen. Dadurch muss die ursprüngliche Bank diese Risiken nicht mehr tragen und wird von der Haftung dieser Geschäfte befreit. Oft läuft es darauf hinaus, dass die «Bad Bank» die Geschäfte schliesslich sukzessive abbaut.
Die Credit Suisse verlagert unter anderem Teile ihrer Geschäfte in Regionen wie Lateinamerika in die Abwicklungsbank.
Ebenfalls verkündet wurde, dass Investment Bank-Chef Christian Meissner die Grossbank per sofort verlässt.
Die Credit Suisse nimmt eine Kapitalerhöhung von vier Milliarden vor. Das bedeutet folgendes: Die CS wird neue Aktien herausgeben, also Anteile am Unternehmen. Dadurch soll ein Erlös von vier Milliarden herausschauen. Dieser wiederum wird dringend benötigt, um das Eigenkapital zu stärken.
Besonders brisant: Ein Grossteil dieser neuen Aktien geht an die Saudi National Bank aus Saudi-Arabien. Diese wird dadurch einen Anteil von fast zehn Prozent an der Credit Suisse erwerben. Sie wäre damit eine der grössten Aktionärinnen.
Die Credit Suisse wird per sofort rund 2700 Mitarbeitende entlassen. Das sind fünf Prozent der Beschäftigten. Dabei trifft es vor allem solche aus der Schweiz. Aufgrund des Abstossens von diversen Geschäften an andere Unternehmen (weiter unten), wird sich der Bestand des Personals aber noch weiter reduzieren, bis Ende 2025 um rund 9000 Mitarbeitende, so die Grossbank.
Unter anderem damit will die Credit Suisse ihre Kostenbasis (also die jährlichen Kosten) von 16,8 auf rund 14,5 Milliarden Franken senken.
Nicht gut. In den letzten sechs Monaten hatte sich die Aktie der Credit Suisse zeitweise fast halbiert. Insbesondere Anfang Oktober fiel die Aktie auf ein Allzeittief auf unter vier Franken pro Stück.
Wohl in der Hoffnung auf Besserung durch das Kommunizieren des Strategie-Updates stieg der Aktienkurs zuletzt wieder etwas an. Nun aber zeigt sich: Die Investorinnen und Anleger scheinen nicht zufrieden damit:
Gleich nach Eröffnung der Börse sackte der Kurs wieder ab. Ob es der hohe Verlust ist oder ob den Analysten und Märkten die neue Strategie zu wenig weit geht, bleibt noch zu analysieren.
Jetzt wieder jammern wegen Stellenstreichungen und nebenbei die Verluste jahrelang von der Steuer absetzen.
Genau mein Humor.