Schweiz
Interview

Ist ein Gipfeltreffen zwischen Putin und Selenskyj in Genf möglich?

Un sommet Poutine Zelensky à Genève? L'idée lancée par Macron.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat vorgeschlagen, das Gipfeltreffen zwischen Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj in Genf abzuhalten. Image: watson/agences
Interview

Möglicher Russland-Ukraine-Gipfel in der Schweiz: «Genf ist die Hauptstadt des Friedens»

Vincent Subilia, Generaldirektor der Genfer Handels-, Industrie- und Dienstleistungskammer, begrüsst die Idee eines Gipfeltreffens zwischen Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj in Genf. Im Interview erklärt er seine Gründe.
19.08.2025, 13:3619.08.2025, 13:57
Antoine Menusier
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Wie bewerten Sie den Vorschlag Emmanuel Macrons, in Genf ein Gipfeltreffen zwischen Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj auszurichten?
Vincent Subilia: Sehr positiv – und ich danke Präsident Macron dafür, dass er an die Rolle erinnert, die Genf als Wiege des Multilateralismus spielen kann. Damit hebt er die natürliche Berufung der Stadt hervor, Gipfeltreffen dieser Art auszurichten – ausgestattet mit einer beachtlichen logistischen Schlagkraft. Dies hat Genf bereits beim Gipfel zwischen Wladimir Putin und Joe Biden im Juni 2021 eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Genf und die Schweiz sind ohne Zweifel in der Lage, auch die organisatorische Herausforderung eines Treffens zwischen den Präsidenten Putin und Selenskyj zu meistern.

epa09276477 US President Joe Biden (L) and Russian President Vladimir Putin (R) talk during their meeting at the US - Russia summit at the Villa La Grange, in Geneva, Switzerland, 16 June 2021. US Pre ...
Joe Biden und Wladimir Putin bei ihrem Treffen im Jahr 2021 in Genf.Bild: keystone

Wo würde ein solches Gipfeltreffen in Genf voraussichtlich stattfinden?
Es gibt zahlreiche Orte, die sich dafür eignen würden. Man könnte an historische Gebäude denken, an Bauten auf dem Gelände der Vereinten Nationen – etwa den Palais des Nations. Die Villa La Grange im gleichnamigen Park hatte bereits das Treffen zwischen Putin und Biden beherbergt. Und selbstverständlich stünde auch die gesamte Hotellerie der Stadt zur Verfügung.

A police officer sits on a bench in in front of the 'Villa la Grange' ahead of the meeting of US President Joe Biden and Russian President Vladimir Putin at the villa, in Geneva, Switzerland ...
Die Villa La Grange in Genf.Bild: keystone

Man denkt dabei an das legendäre Hôtel Intercontinental, das bereits zahlreiche internationale Gipfeltreffen beherbergt hat – darunter im November 1985 das historische Treffen zwischen US-Präsident Ronald Reagan und dem sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow.
Das ist selbstverständlich eine Möglichkeit. Das Hôtel Intercontinental profitiert von seiner unmittelbaren Nähe zu den internationalen Organisationen. Doch es ist keineswegs das einzige Hotel, das dafür infrage käme – und für die Unterbringung sämtlicher Delegationen wird man ohnehin mehr als ein Gebäude benötigen. Man darf nicht vergessen: In Genf finden jährlich rund 4000 präsidiale und ministerielle Empfänge statt. Genf ist die grösste diplomatische Hauptstadt der Welt.

A handout image released by Ronald Reagan Presidential Library dated 19 November 1985 shows US President Ronald Reagan and Soviet General Secretary Mikhail Gorbachev (R) at the first Summit in Geneva, ...
Ronald Reagan und Michail Gorbatschow 1985 in Genf.Bild: EPA

Symbolisch wäre ein solches Gipfeltreffen ein grosser Erfolg für Genf – gerade nach den Ankündigungen von Donald Trump über den amerikanischen Rückzug bei der Finanzierung von NGOs und internationalen Organisationen.
Absolut. Genf ist die Stadt des Friedens.

Aber: Könnte die Übernahme der wirtschaftlichen Sanktionen der Europäischen Union gegen Russland durch die Schweiz nach dessen Invasion in die Ukraine ein Hindernis für die Organisation eines Gipfels zwischen Putin und Selenskyj in Genf darstellen?
Die entscheidende Frage ist letztlich, wie Präsident Putin die von der Schweiz übernommenen Wirtschaftssanktionen der Europäischen Union interpretiert. Dabei erscheint es mir wichtig, zwei Punkte klarzustellen. Erstens muss man die Schweiz als Staat von Genf als Gastgeberstadt unterscheiden – eine Rolle, die Genf seit jeher innehat. Ein Beispiel: Noch vor zehn Tagen empfing Genf die Nummer drei Russlands, die Vorsitzende des Föderationsrates, die mit einem grossen russischen Regierungsflugzeug auf dem Rollfeld des Flughafens Cointrin landete. All dies verlief ohne Schwierigkeiten, obwohl gegen einzelne Vertreter der russischen Führung internationale Haftbefehle vorliegen. Dennoch erhielten diese Personen problemlos Ausnahmen von der Schweiz. Gerade weil Genf die Berufung hat, Zentrum des globalen Dialogs zu sein.

Welches ist der zweite Punkt, den Sie ansprechen möchten?
Die Schweizer Neutralität besteht und bleibt bestehen – doch sie schliesst nicht aus, dass die Schweiz bestimmte wirtschaftliche Sanktionen übernimmt. Ich betone: wirtschaftliche Sanktionen. Das war beispielsweise auch gegenüber Kuba, dem Sudan oder Nordkorea der Fall. Im aktuellen Fall wird mehr darüber gesprochen, weil Russland selbstverständlich ein politisch besonders gewichtiger Partner ist. Daraus jedoch abzuleiten, die Schweiz sei ein feindliches oder gar feindlich gesinntes Land gegenüber Russland, wäre falsch. Dem ist nicht so. Genf ist eine neutrale Stadt. Sie ist die Hauptstadt des Friedens. Und genau deshalb kann ein Gipfeltreffen zwischen Putin und Selenskyj hier stattfinden.

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Die beliebtesten Kommentare
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Randnotiz
19.08.2025 13:54registriert Februar 2023
Einen Kriegsverbrechen auf Schweizer Boden?

Nein, nein, nein.

Verhaften und ab nach Den Haag.

Man kann beim Interview-Partner direkt die Dollarzeichen in seinen Augen sehen. Absolut abstossend.
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