Wie bewerten Sie den Vorschlag Emmanuel Macrons, in Genf ein Gipfeltreffen zwischen Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj auszurichten?
Vincent Subilia: Sehr positiv – und ich danke Präsident Macron dafür, dass er an die Rolle erinnert, die Genf als Wiege des Multilateralismus spielen kann. Damit hebt er die natürliche Berufung der Stadt hervor, Gipfeltreffen dieser Art auszurichten – ausgestattet mit einer beachtlichen logistischen Schlagkraft. Dies hat Genf bereits beim Gipfel zwischen Wladimir Putin und Joe Biden im Juni 2021 eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Genf und die Schweiz sind ohne Zweifel in der Lage, auch die organisatorische Herausforderung eines Treffens zwischen den Präsidenten Putin und Selenskyj zu meistern.
Wo würde ein solches Gipfeltreffen in Genf voraussichtlich stattfinden?
Es gibt zahlreiche Orte, die sich dafür eignen würden. Man könnte an historische Gebäude denken, an Bauten auf dem Gelände der Vereinten Nationen – etwa den Palais des Nations. Die Villa La Grange im gleichnamigen Park hatte bereits das Treffen zwischen Putin und Biden beherbergt. Und selbstverständlich stünde auch die gesamte Hotellerie der Stadt zur Verfügung.
Man denkt dabei an das legendäre Hôtel Intercontinental, das bereits zahlreiche internationale Gipfeltreffen beherbergt hat – darunter im November 1985 das historische Treffen zwischen US-Präsident Ronald Reagan und dem sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow.
Das ist selbstverständlich eine Möglichkeit. Das Hôtel Intercontinental profitiert von seiner unmittelbaren Nähe zu den internationalen Organisationen. Doch es ist keineswegs das einzige Hotel, das dafür infrage käme – und für die Unterbringung sämtlicher Delegationen wird man ohnehin mehr als ein Gebäude benötigen. Man darf nicht vergessen: In Genf finden jährlich rund 4000 präsidiale und ministerielle Empfänge statt. Genf ist die grösste diplomatische Hauptstadt der Welt.
Symbolisch wäre ein solches Gipfeltreffen ein grosser Erfolg für Genf – gerade nach den Ankündigungen von Donald Trump über den amerikanischen Rückzug bei der Finanzierung von NGOs und internationalen Organisationen.
Absolut. Genf ist die Stadt des Friedens.
Aber: Könnte die Übernahme der wirtschaftlichen Sanktionen der Europäischen Union gegen Russland durch die Schweiz nach dessen Invasion in die Ukraine ein Hindernis für die Organisation eines Gipfels zwischen Putin und Selenskyj in Genf darstellen?
Die entscheidende Frage ist letztlich, wie Präsident Putin die von der Schweiz übernommenen Wirtschaftssanktionen der Europäischen Union interpretiert. Dabei erscheint es mir wichtig, zwei Punkte klarzustellen. Erstens muss man die Schweiz als Staat von Genf als Gastgeberstadt unterscheiden – eine Rolle, die Genf seit jeher innehat. Ein Beispiel: Noch vor zehn Tagen empfing Genf die Nummer drei Russlands, die Vorsitzende des Föderationsrates, die mit einem grossen russischen Regierungsflugzeug auf dem Rollfeld des Flughafens Cointrin landete. All dies verlief ohne Schwierigkeiten, obwohl gegen einzelne Vertreter der russischen Führung internationale Haftbefehle vorliegen. Dennoch erhielten diese Personen problemlos Ausnahmen von der Schweiz. Gerade weil Genf die Berufung hat, Zentrum des globalen Dialogs zu sein.
Welches ist der zweite Punkt, den Sie ansprechen möchten?
Die Schweizer Neutralität besteht und bleibt bestehen – doch sie schliesst nicht aus, dass die Schweiz bestimmte wirtschaftliche Sanktionen übernimmt. Ich betone: wirtschaftliche Sanktionen. Das war beispielsweise auch gegenüber Kuba, dem Sudan oder Nordkorea der Fall. Im aktuellen Fall wird mehr darüber gesprochen, weil Russland selbstverständlich ein politisch besonders gewichtiger Partner ist. Daraus jedoch abzuleiten, die Schweiz sei ein feindliches oder gar feindlich gesinntes Land gegenüber Russland, wäre falsch. Dem ist nicht so. Genf ist eine neutrale Stadt. Sie ist die Hauptstadt des Friedens. Und genau deshalb kann ein Gipfeltreffen zwischen Putin und Selenskyj hier stattfinden.
Nein, nein, nein.
Verhaften und ab nach Den Haag.
Man kann beim Interview-Partner direkt die Dollarzeichen in seinen Augen sehen. Absolut abstossend.