Als Wladimir Putin bei seiner Ankunft auf dem Militärflughafen in Anchorage den roten Teppich und einen freundlich winkenden US-Präsidenten sah, war er überrascht und erfreut zugleich, und als ihn Trump gar in seine Limousine, ins «Beast», einlud, konnte er sich ein diebisches Lächeln nicht verkneifen.
Alles lief nach Putins Plan. Trump liess seine Forderung nach einem Waffenstillstand fallen, genauso wie die Drohungen von verschärften Sanktionen. An der Pressekonferenz überliess der amerikanische Präsident das Feld weitgehend seinem russischen Amtskollegen und stand mürrisch beiseite. In Moskau knallten die Champagner-Korken, und im russischen Staatsfernsehen wollten die Lobgesänge auf Putin kein Ende nehmen.
Was für einen Unterschied drei Tage machen können. Nur schon die Optik hat sich in ihr Gegenteil verkehrt. Ein gut gelaunter Wolodymyr Selenskyj – diesmal nicht in Kampfmontur, sondern in einer Art Anzug, aber ohne Krawatte – scherzt mit Trump und überreicht ihm einen Brief für dessen Frau.
Später versammelt ein strahlender US-Präsident die führenden Staatsköpfe an einem grossen Tisch und lässt sich dabei von Dankesbezeugungen überschütten. Friede, Freude, Eierkuchen, allenthalben. «Das sind alles meine Freunde. Sie alle wollen Frieden», schwärmte ein sichtlich überwältigter Trump.
Dabei herrschte noch Stunden zuvor beim Präsidenten der Ukraine und seinem europäischen Begleittross Angst, die an Panik grenzte. Im Vorfeld dieses Treffens, das einmal mehr mit dem Attribut «historisch» bezeichnet wurde, schien Trump noch zu hundert Prozent auf der Schiene von Moskau zu fahren.
An die Adresse von Selenskyj postete er, dieser könne «entweder sofort den Krieg beenden, falls er das will, oder weiterkämpfen». Das wurde allgemein als Aufforderung gedeutet, den Forderungen Putins nachzugeben und auch die von der russischen Armee nicht eroberten Gebiete des Donbas kampflos aufzugeben.
Nach dem Treffen vom Montag im Weissen Haus ist es jetzt Putin, der sich erklären muss. Von einem Landtausch war nicht mehr die Rede. Zu ihrer Freude vernahmen die europäischen Staatsoberhäupter, wie Trump sagte: «Das geht mich nichts an, das ist eine Sache der Ukrainer.»
Die Freude wurde noch grösser, als der US-Präsident zum ersten Mal von Sicherheitsgarantien sprach: «Wir werden der Ukraine Schutz gewähren, sehr guten Schutz», erklärte Trump. «Sie bildet den ersten Schutzwall für Europa. Wer werden ihnen helfen. Wir werden uns einmischen.»
Später schob er auf seiner Plattform Truth Social nach: «Während des Meetings haben wir Sicherheitsgarantien für die Ukraine diskutiert. Diese Garantien werden von verschiedenen europäischen Staaten in Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten von Amerika geleistet.»
Jetzt war es an den Europäern, zu jubilieren. Der deutsche Bundeskanzler sprach davon, dass seine Erwartungen «weit übertroffen» worden seien. Mark Rutte bezeichnete Trumps Äusserung gar als «Durchbruch». «Ich bin wirklich aufgeregt», erklärte der NATO-Generalsekretär und gab Fox News zu Protokoll, dass nun umgehend eine Expertengruppe eingesetzt werde, welche die Details dieser Sicherheitsgarantien klären werde.
Trump nahm nicht nur erstmals das Wort «Sicherheitsgarantien» in den Mund, er nötigte auch Putin zuerst zu einem Treffen mit Selenskyj und später zu einem Dreiergespräch mit seiner Beteiligung. Der russische Präsident dürfte darob alles andere als erfreut gewesen sein.
Sein aussenpolitischer Berater Juri Uschakow schwächte denn auch umgehend ab und erklärte, der Kreml habe bloss «direkten Gesprächen» zugestimmt. Vorerst müsse jedoch das «Niveau der russischen und ukrainischen Vertreter erhöht werden». Zu den laufenden Friedensgesprächen nach Istanbul hatte der Kreml eine bessere Pfadi-Truppe entsandt.
Die Dynamik von Anchorage hat sich damit in ihr Gegenteil verkehrt. Nicht mehr Selenskyj steht jetzt unter Druck, sondern Putin. Sicherheitsgarantieren für die Ukraine hat der Kreml bisher strikte abgelehnt, speziell, wenn sie sich dem Artikel 5 der NATO angleichen. Dieser Artikel besagt, dass jedes Mitgliedsland einem anderen zu Hilfe eilen muss, wenn dieses angegriffen wird. Die Ukraine wird zwar auf absehbare Zeit kein NATO-Mitglied werden, soll aber einen vergleichbaren Schutz erhalten.
Auch von einem Treffen mit Selenskyj wollte Putin bisher nichts wissen, ja, er bezeichnet ihn gar als illegalen Präsidenten der Ukraine. Sollte der russische Präsident jedoch weiter blockieren oder zumindest verzögern, muss er damit rechnen, dass jetzt er als derjenige dasteht, der den Frieden verhindert.
Trump hingegen ist überzeugt, seinem Ziel als Friedensstifter einen grossen Schritt näher gekommen zu sein. So postete er auf Truth Social: «Ich weiss genau, was ich tue, und ich brauche den Rat von Leuten, die sich jahrelang an diesem Konflikt abgearbeitet haben, ohne etwas zu erreichen, nicht.»
Seine Worte in Gottes Ohr. Doch wer weiss: Wegen seiner Jo-Jo-Diplomatie kann morgen alles wieder ganz anders sein.
Morgen verspricht Putin einen Trumptower im Donbass und in Kiev und schon will er nichts mehr von Friedensgarantien wissen.