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Trumps Jo-Jo bringt jetzt Putin in Nöte

Trumps Yo-Yo Diplomatie. Fotomontage zeigt Donald Trump mit einem Yo-Yo spielen in der Mitte zwischen einem Bild von Wladimir Putin links und Wolodymyr Selenskyj rechts
Bild: watson/keystone/imago
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Trumps Jo-Jo bringt jetzt Putin in Nöte

Plötzlich steht der russische Präsident mit dem Rücken zur Wand.
19.08.2025, 12:0419.08.2025, 12:36
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Als Wladimir Putin bei seiner Ankunft auf dem Militärflughafen in Anchorage den roten Teppich und einen freundlich winkenden US-Präsidenten sah, war er überrascht und erfreut zugleich, und als ihn Trump gar in seine Limousine, ins «Beast», einlud, konnte er sich ein diebisches Lächeln nicht verkneifen.

Alles lief nach Putins Plan. Trump liess seine Forderung nach einem Waffenstillstand fallen, genauso wie die Drohungen von verschärften Sanktionen. An der Pressekonferenz überliess der amerikanische Präsident das Feld weitgehend seinem russischen Amtskollegen und stand mürrisch beiseite. In Moskau knallten die Champagner-Korken, und im russischen Staatsfernsehen wollten die Lobgesänge auf Putin kein Ende nehmen.

epa12303523 US President Donald Trump (R) welcomes Russian President Vladimir Putin during their meet to negotiate at Joint Base Elmendorf-Richardson in Anchorage, Alaska, USA, 15 August 2025. EPA/SER ...
Gemeinsam auf dem roten Teppich: Wladimir Putin und Donald Trump.Bild: keystone

Was für einen Unterschied drei Tage machen können. Nur schon die Optik hat sich in ihr Gegenteil verkehrt. Ein gut gelaunter Wolodymyr Selenskyj – diesmal nicht in Kampfmontur, sondern in einer Art Anzug, aber ohne Krawatte – scherzt mit Trump und überreicht ihm einen Brief für dessen Frau.

Später versammelt ein strahlender US-Präsident die führenden Staatsköpfe an einem grossen Tisch und lässt sich dabei von Dankesbezeugungen überschütten. Friede, Freude, Eierkuchen, allenthalben. «Das sind alles meine Freunde. Sie alle wollen Frieden», schwärmte ein sichtlich überwältigter Trump.

Dabei herrschte noch Stunden zuvor beim Präsidenten der Ukraine und seinem europäischen Begleittross Angst, die an Panik grenzte. Im Vorfeld dieses Treffens, das einmal mehr mit dem Attribut «historisch» bezeichnet wurde, schien Trump noch zu hundert Prozent auf der Schiene von Moskau zu fahren.

epa12308766 United States President Donald J Trump (R) meets Ukrainian President Volodymyr Zelensky in the Oval Office of the White House in Washington, DC, USA, 18 August 2025. European Leaders are a ...
Diesmal harmonisch: Selenskyj und Trump im Oval Office.Bild: keystone

An die Adresse von Selenskyj postete er, dieser könne «entweder sofort den Krieg beenden, falls er das will, oder weiterkämpfen». Das wurde allgemein als Aufforderung gedeutet, den Forderungen Putins nachzugeben und auch die von der russischen Armee nicht eroberten Gebiete des Donbas kampflos aufzugeben.

Nach dem Treffen vom Montag im Weissen Haus ist es jetzt Putin, der sich erklären muss. Von einem Landtausch war nicht mehr die Rede. Zu ihrer Freude vernahmen die europäischen Staatsoberhäupter, wie Trump sagte: «Das geht mich nichts an, das ist eine Sache der Ukrainer.»

Die Freude wurde noch grösser, als der US-Präsident zum ersten Mal von Sicherheitsgarantien sprach: «Wir werden der Ukraine Schutz gewähren, sehr guten Schutz», erklärte Trump. «Sie bildet den ersten Schutzwall für Europa. Wer werden ihnen helfen. Wir werden uns einmischen.»

Später schob er auf seiner Plattform Truth Social nach: «Während des Meetings haben wir Sicherheitsgarantien für die Ukraine diskutiert. Diese Garantien werden von verschiedenen europäischen Staaten in Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten von Amerika geleistet.»

KEYPIX - European Commission President Ursula von der Leyen, from left, British Prime Minister Keir Starmer, Finland's President Alexander Stubb, Ukrainian President Volodymyr Zelenskyy, Presiden ...
Alle versammelten sich um «Daddy»-Trump.Bild: keystone

Jetzt war es an den Europäern, zu jubilieren. Der deutsche Bundeskanzler sprach davon, dass seine Erwartungen «weit übertroffen» worden seien. Mark Rutte bezeichnete Trumps Äusserung gar als «Durchbruch». «Ich bin wirklich aufgeregt», erklärte der NATO-Generalsekretär und gab Fox News zu Protokoll, dass nun umgehend eine Expertengruppe eingesetzt werde, welche die Details dieser Sicherheitsgarantien klären werde.

Trump nahm nicht nur erstmals das Wort «Sicherheitsgarantien» in den Mund, er nötigte auch Putin zuerst zu einem Treffen mit Selenskyj und später zu einem Dreiergespräch mit seiner Beteiligung. Der russische Präsident dürfte darob alles andere als erfreut gewesen sein.

Sein aussenpolitischer Berater Juri Uschakow schwächte denn auch umgehend ab und erklärte, der Kreml habe bloss «direkten Gesprächen» zugestimmt. Vorerst müsse jedoch das «Niveau der russischen und ukrainischen Vertreter erhöht werden». Zu den laufenden Friedensgesprächen nach Istanbul hatte der Kreml eine bessere Pfadi-Truppe entsandt.

NATO Secretary General Mark Rutte speaks during an interview with Fox News at the White House, Monday, Aug. 18, 2025, in Washington. (AP Photo/Julia Demaree Nikhinson)
Trump Russia Ukraine War
Sprach von «Durchbruch»: NATO-Generalsekretär Mark Rutte.Bild: keystone

Die Dynamik von Anchorage hat sich damit in ihr Gegenteil verkehrt. Nicht mehr Selenskyj steht jetzt unter Druck, sondern Putin. Sicherheitsgarantieren für die Ukraine hat der Kreml bisher strikte abgelehnt, speziell, wenn sie sich dem Artikel 5 der NATO angleichen. Dieser Artikel besagt, dass jedes Mitgliedsland einem anderen zu Hilfe eilen muss, wenn dieses angegriffen wird. Die Ukraine wird zwar auf absehbare Zeit kein NATO-Mitglied werden, soll aber einen vergleichbaren Schutz erhalten.

Auch von einem Treffen mit Selenskyj wollte Putin bisher nichts wissen, ja, er bezeichnet ihn gar als illegalen Präsidenten der Ukraine. Sollte der russische Präsident jedoch weiter blockieren oder zumindest verzögern, muss er damit rechnen, dass jetzt er als derjenige dasteht, der den Frieden verhindert.

Trump hingegen ist überzeugt, seinem Ziel als Friedensstifter einen grossen Schritt näher gekommen zu sein. So postete er auf Truth Social: «Ich weiss genau, was ich tue, und ich brauche den Rat von Leuten, die sich jahrelang an diesem Konflikt abgearbeitet haben, ohne etwas zu erreichen, nicht.»

Seine Worte in Gottes Ohr. Doch wer weiss: Wegen seiner Jo-Jo-Diplomatie kann morgen alles wieder ganz anders sein.

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Ukraine Gipfel im Weissen Haus
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Ukraine Gipfel im Weissen Haus

In Washington fand am Montag, dem 18. August 2025 ein Sondergipfel zum Ukraine-Krieg statt. Mit dabei waren neben Gastgeber Trump der ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Begleitet wurde Selenskyj von zahlreichen europäischen Staatschefs sowie EU- und Nato-Vertretern:

quelle: keystone / alex brandon
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Trump teilt seine vertrauliche Einschätzung über Putin, während sein Mikrofon noch an ist
Video: watson
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83 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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I bims, der neue Alte
19.08.2025 12:32registriert August 2025
Tut mir leid aber ich teile diese Euphorie nicht, denn morgen oder übermorgen hat sich das stabile Genie schon wieder umentschieden. Wo sind denn die harten Sanktionen, weil kein Waffenstillstand zustande gekommen ist? Die sekundären Sanktionen in Form von Zöllen für diejenigen Länder, welche weiterhin Öl und Gas von Russland kaufen? Der Druck auf Putin ist leider minimal, der Gipfel in Alaska ein Desaster, welcher Putin statt als Kriegsverbrecher als respektiertes Staatsoberhaupt präsentierte, welchem man den roten Teppich ausrollte.
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Clife
19.08.2025 12:26registriert Juni 2018
Kann sich jederzeit ändern. Immer auf der Hut bleiben. Bei Trömp weiss man nie
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Eat.Sleep.Work.Repeat
19.08.2025 13:14registriert März 2022
Trump das Fähnchen im Wind, da wird jeder Büroventilator neidisch.

Morgen verspricht Putin einen Trumptower im Donbass und in Kiev und schon will er nichts mehr von Friedensgarantien wissen.
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Weshalb die positiven Gespräche in Washington einen Haken haben
Auf den pro-russischen Freitag in Alaska folgt der pro-ukrainische Montag in Washington: Der amerikanische Präsident drängt auf einen Frieden für die Ukraine. Unklar bleibt, ob der Kreml-Herrscher eine konstruktive Rolle spielen wird.
Eine der prägendsten Charaktereigenschaften von Donald Trump ist seine Unberechenbarkeit. Davon scheint für einmal die Ukraine zu profitieren.
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