Schweiz
Interview

Insektenforscher über Ausbreitung Asiatischer Hornisse in der Schweiz

Eine Asiatische Hornisse als Stockbild.
Bedrohlicher Eindringling: Die Asiatische Hornisse breitet sich in der Schweiz aus.Bild: Shutterstock
Interview

Insekten-Invasion: «Bienen sind für die Asiatische Hornisse Fast Food»

Sie ist eine geschickte Räuberin, baut Nester mit tausenden Bewohnerinnen und bedroht unsere Honigbienen. Die Asiatische Hornisse ist ein ernsthaftes Problem für unser Ökosystem. Ein Insektenforscher sagt, was die Schweiz gegen sie tun kann.
31.08.2025, 16:5501.09.2025, 10:23
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Herr Seehausen, seit 2017 ist die Asiatische Hornisse in der Schweiz. Was lässt sich für diesen Sommer über ihre Verbreitung sagen?
Lukas Seehausen: Die Invasion läuft ungebremst weiter. Die Anzahl der Nester in der Schweiz steigt exponentiell an. Seit dem Frühjahr haben wir viele Meldungen, sodass sich dieser Trend bestätigt. Letztes Jahr waren es schon über 700 Nester. Ich gehe davon aus, dass wir dieses Jahr auf jeden Fall über 1000 Nester haben werden.

Anfang August wurde in Genf ein Mann mehrfach gestochen, verlor das Bewusstsein und musste ins Spital. Wie gefährlich ist die Asiatische Hornisse für den Menschen?
Nicht gefährlicher als die Europäische Hornisse. Aggressiv ist sie nur in unmittelbarer Nähe des Nests. Aber sie verursacht noch andere schwerwiegende Probleme.

Welche denn?
Die Asiatische Hornisse macht Jagd auf Fliegen, Wespen, Wildbienen und Honigbienen. Diese sind wichtig für unser Ökosystem, weil sie Pflanzen bestäuben. Für den Obst- und Ackerbau sind diese Bestäuber zentral. Mit invasiven Arten wie der Asiatischen Hornisse geraten sie noch mehr unter Druck, als sie es aufgrund von Insektiziden, Klimawandel oder Milbenbefall ohnehin bereits sind.

Zur Person
Lukas Seehausen ist Insektenforscher und arbeitet am Forschungszentrum CABI in Delémont im Kanton Jura. Dieses ist auf die Erforschung und Bekämpfung invasiver Arten spezialisiert. Seehausen hat in Kanada einen Doktortitel in Waldwissenschaften erworben und ist einer der Experten für die Asiatische Hornisse in der Schweiz. Im Auftrag des BAFU hat Seehausen ein Monitoring-System mit aufgebaut und leitet derzeit mehrere Projekte zur Bekämpfung der Asiatischen Hornisse, die vom BLW, BAFU und der Loterie Romande finanziert sind.
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Die Imker und Imkerinnen sorgen sich um ihre Bienenvölker. Warum?
Die Asiatische Hornisse ist eine sehr geschickte Räuberin. Auch unsere heimische Europäische Hornisse erbeutet hin und wieder ein paar Bienen, aber sie braucht dafür viel länger. Für die Asiatische Hornisse ist die Jagd auf eine Biene eine Sache von wenigen Sekunden, Honigbienenstöcke sind für sie Fast Food.

Asiatische Honigbienen müssen mit dieser Bedrohung ja auch klarkommen. Werden sich unsere Honigbienen auch anpassen?
Das ist unwahrscheinlich. Asiatische Honigbienen sind viel aggressiver, sie greifen die Hornissen zum Beispiel direkt an und bilden einen Hitzeball, so dass die Hornisse überhitzt wird. Die Europäischen Bienen sind da viel friedfertiger. Das ist auch ein Zuchtproblem: Unsere Honigbienen wurden so gezüchtet, dass sie für den Menschen möglichst einfach zu handhaben sind. Der Nachteil: Gegen Räuber wie die Asiatische Hornisse kann sie sich nicht mehr wehren, so wie andere Honigbienenarten.

Was ist die Konsequenz davon?
Es sterben vermehrt ganze Bienenvölker, die, durch die verschiedenen Bedrohungen völlig geschwächt, nicht mehr durch den Winter kommen.

Exponentielle Zunahme der Asiatischen Hornisse in der Schweiz
Die Anzahl der Nester der Asiatischen Hornisse steigt in der Schweiz exponentiell an.Bild: asiatischehornisse.ch

Wird es gelingen, die Asiatische Hornisse in der Schweiz auszurotten?
Nein, da dürfen wir uns nichts vormachen. Die Asiatische Hornisse ist gekommen, um zu bleiben. Wir müssen lernen, mit ihr zu leben. Aber mit ihr zu leben, heisst eben auch: Nester suchen und wenn immer möglich vernichten.​

Wie gelingt es, Nester aufzuspüren?
Da gibt es verschiedene Methoden. Im Auftrag des Bundesamts für Landwirtschaft versuchen wir, die Hornissen mit Peilsendern zu tracken. Eine andere Variante, die wir aus Frankreich kennen, funktioniert mit Dochtgläsern. Wir locken die Hornisse an, fangen sie und markieren sie. Wir machen das an verschiedenen Orten und beobachten dann die Flugrichtung der Hornissen. In der Nähe, wo sich diese kreuzen, befindet sich das Nest. Wir starten zudem bald einen Versuch per Bluetooth.

Wie kam die Asiatische Hornisse nach Europa?
Wir müssen uns vor Augen halten, dass wir selbst schuld sind. Die Asiatische Hornisse hat die Strecke nach Europa nicht selbst zurückgelegt. Sie wurde über Warentransporte eingeschleppt und ist eine Folge unseres engen Handels mit Asien, vor allem mit China. Die Invasion der Asiatischen Hornisse ist ein hausgemachtes Problem, wofür wir jetzt bezahlen und Lösungen finden müssen.

So kam die Asiatische Hornisse nach Europa
Mindestens 5000 Kilometer Luftlinie müsste man zurücklegen, um die Heimat der Asiatischen Hornisse zu erreichen. Ihr natürliches Verbreitungsgebiet liegt zwischen Afghanistan, Ostchina, Indochina und Indonesien. Wissenschaftliche Studien erlauben es, ihre Ankunft in Europa mittels DNA-Analysen auf eine einzige Königin zurückzuführen; sie wurde 2004 mit einer Lieferung chinesischer Keramik nach Bordeaux eingeschleppt. Seitdem verbreitet sie sich ungebremst in Frankreich, Spanien, Italien. In Frankreich ist sie für bis zu 50 Prozent der Bienentode verantwortlich. 2017 wurde sie erstmals in der Schweiz im Jura gesichtet. Im Jahr 2024 haben Schädlingsbekämpfer bereits in 14 Kantonen Nester zerstört, nämlich in Aargau, Bern, Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Fribourg, Genf, Jura, Luzern, Neuenburg, St.Gallen, Solothurn, Waadt, Wallis und Zürich.

Sie haben schon geschildert, dass es wichtig ist, die Nester der Asiatischen Hornisse zu zerstören. Gibt es andere Ansätze, das Problem in den Griff zu kriegen?
Im Jura führen wir gerade ein Pilotprojekt mit sogenannten elektrischen Harfen durch. Die werden vor dem Bienenstock platziert. Da sind Drähte dran, einer ist positiv, der andere negativ geladen. Sie sind so weit auseinander platziert, dass eine durchfliegende Biene höchstens einen Draht berührt. Die deutlich grössere Hornisse berührt hingegen zwingend beide Drähte. Sie bekommt einen elektrischen Schock ab und fällt in ein Wasserbad, wo sie ertrinkt.

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32 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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El_Chorche
31.08.2025 17:29registriert März 2021
KI könnte die Lösung sein.

Kleiner Laserturm mit Wespenerkennungskamera auf das Bienenhüsli und zack - das Bienimperium schlägt zurück!

*zappzapp
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