Frau Barmettler, Sie haben gestern bekanntgegeben, 100'000 Unterschriften für die Volksinitiative «Raus aus der Sackgasse» (RASA) gesammelt zu haben ...
Franziska Barmettler: ... und wir sammeln weiter in den nächsten Wochen. 120'000 Unterschriften sind das Ziel.
... war's schwierig?
Nein. Wir mussten bei der Sammlung sehr wenig erklären. Die meisten Leute kannten das Begehren bereits.
Politik und Wirtschaft geizten aber mit Unterstützung.
Mit dem Wirtschaftsverband Swisscleantech und der Gewerkschaft VPOD haben sich bislang nur zwei Organisationen für RASA ausgesprochen. Unterstützung vonseiten der Parteien gab's bisher keine.
Weil der Wahlherbst vor der Türe steht und sich keine Partei mit einem möglicherweise unpopulären Vorschlag in die Nesseln setzen will?
Sicher ist, dass sich diverse Parteiexponenten nach der Lancierung in diversen Medien dezidiert skeptisch zu unserer Stossrichtung geäussert haben. Es ist jetzt nicht der Zeitpunkt, sie um Unterstützung anzufragen.
Dabei war auch in Wirtschaftskreisen das Lamento nach der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative gross.
Ich stehe mit vielen Wirtschaftsvertretern in regelmässigem Kontakt und muss sagen: Die Initiative geniesst da bereits grosse Unterstützung – sie wird einfach nicht öffentlich geäussert. In Gesprächen erfahre ich viel Sympathie. Viele trauen sich aber noch nicht, sich zu outen. Die Skepsis ist da, wegen dem oft geäusserten Anti-Demokratismus-Vorwurf.
Dieser Anwurf wird, wenn das RASA-Anliegen weiter an Fahrt gewinnt, noch vielfach multipliziert werden. Haben Sie etwas gegen Demokratie?
Nein, natürlich nicht. Im Gegenteil. Einzig das Stimmvolk kann seine eigenen Entscheide nochmals überdenken. Die Abstimmung vom 9. Februar 2014 fiel ganz knapp aus, der Initiativ-Text war schwammig formuliert – gerade was die Konsequenzen für die bilateralen Verträge angeht. Davor hatten sich die Stimmbürger ja mehrfach für die Bilateralen ausgesprochen. Das Ja zur Masseneinwanderungsinitiative war ein Zeichen wider den Status Quo in Zuwanderungsfragen, aber nicht als Front gegen die Bilateralen zu verstehen. Gerät dieser Weg in Gefahr, muss das Volks erneut gefragt werden.
Die politische Rechte wird Ihnen diesen Vorwurf mal für mal mit Verve um die Ohren hauen. Sie aber sagen: Wir sind lupenreine Demokraten.
Ja. Jeder hat das Recht, Unterschriften zu sammeln und ein Volksbegehren zu initiieren. In unserem Fall gibt es viele gute Gründe dafür.
Allgemein gefragt: Was, wenn ein anderes politisches Spektrum ein Liebkind unter den Volksinitiativen ihrer Kreise kippen wollen würde?
Wenn sich die Ausgangslage verändert hat oder es andere gute Gründe dafür gibt, bin ich da offen.
Viele Ihrer Mitstreiter entstammen dem linksliberalen Milieu. Ihnen eilt mitunter der zweifelhafte Ruf voran, einen links-elitären Habitus zu pflegen und das Stimmvolk per se für unmündig zu halten. Eine schlechte Voraussetzung für ihr Vorhaben.
Bei uns machen auch Leute aus der politischen Mitte mit. Wir haben von Anfang an mit allen geredet – wir kennen keine Berührungsängste.
Was muss passieren, dass die Wirtschaft aus der Deckung kommt?
Es muss klar sein, dass die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative mit der Personenfreizügigkeit nicht vereinbar ist. Europa verhandelt nicht über Kontingente. Aber es ist auch abhängig davon, was jetzt im Parlament und im Bundesrat passiert. Wird eine plausible Lösung präsentiert, würden wir natürlich zurückziehen.
Nochmals: Wann steigt die Wirtschaft ein?
Je länger die herrschende Unsicherheit andauert und je mehr der bilaterale Weg gefährdet wird, desto mehr werden die Unternehmer in unser Boot kommen. Viele sind in Warte-Position. Wir haben uns früh exponiert und dafür viel Kritik eingesteckt.
Viele ihrer Mitstreiter sind erfahren, wenn es darum geht, einstecken zu müssen. Das ist ein Vorteil.
Darum geht es nicht. Es ist nur verantwortungsbewusst, wenn man frühzeitig auch über womöglich unpopuläre Alternativ-Szenarien nachdenkt.
Was entgegnen sie jenen, die die ursprüngliche MEI-Abstimmung entwertet sehen und sagen: «Man kann ja jetzt immer über alles zweimal abstimmen»?
Es macht keinen Sinn, dass man die Rückgängigmachung einer Volksinitiative kategorisch ablehnt. Auch der Souverän ist nicht perfekt. Zumal der Bundesrat, die Wirtschaft und die SVP nicht ausreichend über die Konsequenzen einer Annahme aufgeklärt haben. Wir haben lange überlegt, ob es das wirklich braucht. Wir hätten uns sicherlich eine andere Lösung gewünscht als diese Form von Volksabstimmung.
Eine andere Lösung?
Wir haben über diverse Spielarten sinniert. Über andere Initiativ-Texte etwa. Der finale Text fordert ja nichts weniger als die Rückgängigmachung der Masseneinwanderungsinitiative. Wir dachten aber auch darüber nach, ob nicht einfach die Zusammenarbeit mit der EU auf diesem Weg bestätigt werden könnte.
55,8 Prozent der Stimmberechtigten gingen im Februar 2014 an die Urne. Diese ausserordentlich hohe Wahlbeteiligung könnte ihnen auch Zeichen sein, das Ergebnis einfach zu akzeptieren.
Das finde ich nicht. Viele Stimmbürger wollten wohl ein Zeichen setzen, was das Thema Zuwanderung betrifft.
Im Tessin sagten 68,2 Prozent Ja. Ihnen bei diesen verhärteten Fronten klar zu machen, dass nochmals über Kontingente abgestimmt werden soll: ein Ding der Unmöglichkeit.
Wir haben immer betont, dass wir im Bereich der Zuwanderung Massnahmen brauchen, gerade was die Grenzgänger in Kantonen wie dem Tessin betrifft. Wir müssen die Zuwanderung besser steuern, aber dürfen gleichzeitig die Bilateralen nicht gefährden.
Sie sagen, die Wirtschaft habe zuwenig über die MEI-Folgen informiert. Die Wirtschaft sind auch Sie. Sie sind Co-Geschäftsführerin des Wirtschaftverbandes SwissCleantech.
Wir haben uns damals stark engagiert, weil wir um die Wichtigkeit des Verhältnisses zu Europa wussten. Die grossen Wirtschaftsverbände waren zu inaktiv. Mittlerweile sind sie ja erwacht, wenn es um die Rettung der Bilateralen geht.
Sie kämpfen als Frau der Wirtschaft Seite an Seite mit Linken. Der gemeinsame Nenner sind ...
... die Bilateralen. Sie sind wichtig für die Schweiz, wir müssen über sie befinden können.
Philipp Burri
Baba ♀️
Definition von "in den Senkel stellen nach Duden: jemanden in den Senkel stellen (umgangssprachlich: jemanden scharf zurechtweisen; zu »Senkel« in der älteren Bedeutung »Senkblei«; eigentlich = etwas ins Lot bringen)
Sie Herr Tomaschett meinten wohl eher, keine Partei will sich "in die Nesseln setzen", "die Finger verbrennen" oder sich "zuweit aus dem Fenster lehnen" 😆?
Sorry, aber hier wurde in meinen Augen eine Redewendung so unpassend angewendet, dass ich einfach wieder mal Klugsch****en musste 😊😊😊.
Chlinae_Tigaer
Solche Zustände erinnern an ganz bestimmte Zeiten.... nur das es damals Rechte waren, die versuchten, alle Stimmen die ihnen nicht passten zum Schweigen zu bringen.
Mal darüber nachdenken?