Herr Projer, ist in Ihren fünf Jahren bei der «Arena» mal eine Sendung dermassen in die Hose, dass Sie wünschten, sie hätte nicht stattgefunden?
Jonas Projer: Nein, ich wünsche bei keiner «Arena», sie wäre nie passiert. Aber in die Hose gingen einige Sendungen. Beispielsweise, als wir im Wahlkampf 2015 ein neues Sendungskonzept ausprobierten. Oder ganz kürzlich erst eine Sendung über Managerlöhne, die war ein richtiges «Chrüsimüsi» und nicht mal besonders spannend. Da waren die Gäste und ich uns nachher einig: Nein, heute hat’s also nicht funktioniert.
Gibt es eine Sendung, auf die Sie besonders stolz sind?
Bei der «Arena» gibt es meiner Meinung nach vor allem zwei Herausforderungen: Die Sendung darf nicht unverständlich sein, denn die Zuschauer sollen sich ja eine Meinung über das Thema bilden können. Und sie darf nicht langweilig sein, denn dann schalten die Leute aus. Ich denke, es ist uns immer wieder gelungen, spannende und inhaltlich verständliche Diskussionen zu haben. Aber eine Sendung, die mich besonders stolz macht, könnte ich nicht nennen.
Warum nicht?
Ich muss mich jeweils innerhalb kürzester Zeit auf eine Sendung vorbereiten und innerhalb einer halben Sekunde unzählige Zahlen und Fakten abrufen können. Danach kommt die nächste Sendung und die Erinnerung an die letzte verblasst schnell. Manchmal konnte ich zwei Wochen später nicht mehr sagen, was das Thema war.
Welche Sendung hat am meisten Reaktionen ausgelöst?
Das war ohne Zweifel die Sendung zum Thema «Trumps Krieg gegen die Medien» mit Daniele Ganser. Wobei man die Anzahl der Beschwerden, die beim SRG-Ombudsmann eingegangen sind, etwas relativieren muss. Im Internet wurde aktiv zu diesem Schritt aufgerufen. Das war also teilweise orchestriert. Aber wir haben mit jeder anderen Sendung auch viele Reaktionen ausgelöst – worauf ich sehr stolz bin. Wissen Sie, was ich für den grössten Erfolg der letzten Jahre halte?
Nein, verraten Sie es mir.
Dass watson jede Woche eine Rezension veröffentlicht hat.
Das ist jetzt reine Schmeichelei.
Nein. Ich finde es grossartig. Ich sehe, dass die Rezensionen viel gelesen werden und die Leute in den Kommentaren inhaltlich über das Thema diskutieren. Dann kann ich zufrieden sagen: Die «Arena» hat ihren Service-public-Auftrag erfüllt, sie hat einen kleinen Beitrag geleistet zur politischen Debatte.
Hand aufs Herz: Fragen Sie sich am Samstagmorgen manchmal, ob die watson-Redaktoren eine andere Sendung gesehen haben als die, die Sie am Vorabend geleitet haben?
Ja klar. Ständig! (lacht) Aber am Samstagmorgen habe ich immer als erstes die Rezensionen gelesen. Manchmal habe ich mich dabei geärgert, aber immer habe mich dabei auch gefreut. Nebst den Rezensionen habe ich immer auch die Kommentare der User gelesen. Meist alle, das war direkt nützliches Feedback zur Sendung. Und bei Gelegenheit habe ich sogar auch mal selber einen Kommentar geschrieben.
Wo lagen wir mit unseren Rezensionen in Ihren Augen komplett daneben?
Ich finde grundsätzlich, ihr konntet gar nicht daneben liegen. Ihr seht die «Arena» als Zuschauer – und der Zuschauer hat immer Recht. Es zählt nicht, was sich die Redaktion vorgestellt hat, sondern was auf dem Sender rüber kam.
Haben wir in Ihren Augen oft die falsche Person zum Sieger gekürt?
Spielt überhaupt keine Rolle. Cool ist, dass ihr jeweils einen Sieger gekürt habt. Das kann, soll, darf die «Arena» nicht! Aber ihr könnt das tun. Und wie ihr das jeweils inszeniert – «X schlägt Y, aber Z hat das letzte Wort» –, seid ihr sehr nahe am Kern der «Arena». Jene, die finden, es bräuchte in dieser Sendung nur die sachliche Eben, ohne eine emotionale Komponente, die erinnere ich gerne an den Titel der Sendung: Er lautet «Arena», nicht «Sternstunde Politik».
Stichwort Emotionen: Ihnen wurde unter anderem wegen Sendungstiteln wie «Blocher – auf zum letzten Gefecht!» oder «Burka – das sehen wir schwarz!» vorgeworfen, eine zu boulevardeske «Arena» zu machen. Zu Recht?
Mir war immer klar: Bei der «Arena» steht die Information im Zentrum. Die Zuschauer sollen sich eine Meinung bilden können. Aber: Jeder Journalist weiss, dass ein Titel Lust auf die Lektüre machen muss. Das ist bei unseren Sendungstiteln nicht anders. Vielleicht haben wir dabei ab und zu übertrieben, aber ich finde, die «Arena» muss an der ganzen Sendung gemessen werden. Und wir haben aus einem scharfen Titel, aus ein paar zugespitzten Fragen meiner Meinung nach oft viel Differenzierung entwickelt.
Die Linke warf der «Arena» vor, SVP-Themen zu bewirtschaften, der SVP war sie zu links und für die No-Billag-Initianten waren Sie ein Doris Leuthard verpflichteter Angestellter des Staatsfernsehens. Wer hatte Recht?
Sie sagen es ja gerade: Die Vorwürfe kamen aus allen Richtungen, immer, und oft pauschal. Das habe ich in diesem Job gelernt: Die pauschale Kritik nicht zu beachten, sich die konkrete, begründete aber sehr zu Herzen zu nehmen. Und wo ich politisch privat stehe, spielte in der Sendung eh keine Rolle.
Immer wieder versuchen Parteien, Druck auf die «Arena» auszuüben, etwa bei der Themen- oder Gästeauswahl. Knickt man da irgendwann ein?
Niemals. Es gab keinen einzigen heimlichen Deal mit den Parteien. Wenn wir aus nachvollziehbaren Gründen eine Abmachung eingegangen sind, haben wir die öffentlich gemacht. Etwa, als in der Managerlöhne-«Arena» nicht über die STAF diskutiert werden durfte, weil dafür die Gästeauswahl nicht ausgewogen gewesen wäre. Der grosse Vorteil der «Arena» ist, dass Sie ihren Zuschauern gehört, nicht den Parteien. Den Zuschauerinnen und Zuschauern ist die Sendung verpflichtet.
Und der Nachteil?
Die Parteien haben das Gefühl, wir seien ihnen zur Rechenschaft verpflichtet. Wir achten auf gleich lange Redezeit und darauf, dass die Parteien entsprechend ihrer Wählerstärke bei uns auftreten können. Aber unsere Regeln lassen wir uns nicht diktieren.
Ist Ihnen nach fünf Jahren «Arena» langweilig geworden, oder warum wechseln Sie zu Ringier, wo Sie Blick TV aufbauen sollen?
Keinesfalls, die Arbeit bei der «Arena» war nie monoton. Christian Dorer und Marc Walder fragten mich, ob ich mit ihnen Blick TV aufbauen möchte. Was für eine Chance! Ich bin SRF sehr dankbar für die grossartige Zeit. Das hat mir die Möglichkeit gegeben, mir einen Rucksack von Erfahrungen zuzulegen, die ich im neuen Job hoffentlich einsetzen kann.
Sie sind im Herbst zum fünften Mal Vater geworden und wechseln jetzt von einem belastenden und zeitintensiven Job in den nächsten. Wie vereinbaren Sie Beruf und Familie?
Zuerst einmal: Ich habe das Glück, eine wunderbare Frau zu haben, so peinlich romantisch das auch tönt. Meine Partnerin ist ebenfalls berufstätig, wir haben ein sehr volles Leben, das fordernd zu organisieren ist. Wenn du fünf Kinder hast, wird die Erziehung nicht schwieriger, sondern einfacher. Aber die Stabilität des Systems nimmt ab.
Wie meinen Sie das?
Wir stehen immer kurz vor dem Betreuungskollaps. Das ist die grösste Herausforderung: Wenn nur eines der Kinder ein bisschen Temperatur hat, kann es nicht in die Krippe oder die Schule. Und dann wird’s am Morgen mal kurz ein bisschen hektisch, bis wir eine Lösung haben. Aber wir kommen dank viel grosszügiger Hilfe immer irgendwie über die Runden. Aber klar, wenn man Familie und Beruf vereinbaren will, macht man Kompromisse. Zum Beispiel ganz besonders auch bei Freundschaften! Da reduzieren sich mehr Freundschaften, als einem lieb ist, auf einen gelegentlichen Whatsapp-Kontakt und das Versprechen, sich bald wieder mal zu treffen.
omg, warum nur..