«Auf Drohkulissen der EU sollte man nicht hereinfallen. Die Griechen tun das ja auch nicht»
Herr Blocher, ein Wort zur Vernehmlassungsvorlage betreffend MEI-Umsetzung des
Bundesrates? 
Christoph Blocher: Vier Worte: Wie erwartet und befürchtet. 
 
Sie müssten froh sein, jetzt können Sie rechtzeitig zu den Wahlen weiter auf den Bundesrat 
und die Classe Politique schiessen. 
Ich wünschte, man müsste das nicht tun. Aber es wird wohl so kommen. Der Bundesrat will 
den Verfassungsartikel nicht umsetzen. 
Falsch. Er will schon, aber er kann nicht, ohne dass die EU einer Änderung des 
Personenfreizügigkeitsabkommen zustimmt. Und das will die nicht. Dann könnte ja jeder 
kommen. 
Das ist doch nicht unser Problem. Entscheidend ist, dass man der EU nicht sagen will, dass 
der Vertrag angepasst werden muss. Und so kapituliert man schon, bevor man überhaupt zu 
verhandeln anfängt. Wenn man schon im verabschiedeten Verhandlungsmandat nicht bereit ist, 
allenfalls eine Kündigung des Personenfreizügigkeitsabkommens in Kauf zu nehmen, dann 
ist man natürlich erpressbar. Das kommt einer Kapitulation auf Vorrat gleich. 
Wie gross schätzen Sie die Chancen ein, von der EU Zugeständnisse in Sachen 
Personenfreizügigkeit zu erhalten? 
100 Prozent. Die EU will die bilateralen Verträge nicht fallen lassen. 
Woher wollen Sie das wissen? Haben Sie mit Herrn Juncker gesprochen? 
Mit Juncker nicht, aber ich habe mit vielen Leuten in der EU geredet. Das ist aber nicht der 
Punkt. Der Punkt ist, dass die Interessenlage glasklar ist. Warum soll die EU ein 
Landverkehrsabkommen kündigen, mit dem wir ihre Lastwagen im Nord-Süd-Transit für 300 
Franken abfertigen, obwohl wir dreimal so hohe Kosten haben? Bundeskanzlerin Angela 
Merkel persönlich liess sich einen Tag nach dem 9. Februar 2014 damit zitieren, dass man 
doch nicht Verträge fallen lasse, an denen man derart grosses Interesse habe. Auf 
Drohkulissen sollte man nicht hereinfallen. Die Griechen tun das ja auch nicht. 
Was ist mit den Griechen? 
Die befinden sich ja in einer ähnlichen Situation. Die EU will Griechenland vorschreiben, wo 
wieviel gespart werden muss. Die neue Regierung aber hat begriffen, dass sich die EU den 
Staatsbankrott Griechenlands nicht leisten kann und setzt Brüssel nun massiv unter Druck. 
Ich gehe davon aus, dass Griechenland in der Auseinandersetzung mit der EU einiges 
erreichen kann.
Sollte es nicht gelingen, die EU zu einer Anpassung des Personenfreizügigkeitsabkommens 
zu bewegen, bringen Sie dann die Kündigungs-Initiative? 
Ja. Das wird immer wahrscheinlicher. 
Das wird dann ein Grundsatzentscheid im Inland. Für oder gegen die Bilateralen, für oder 
gegen die EU. Sind Sie sicher, dass sie damit noch durchkommen nach zwei oder mehr 
Jahren intensiver Debatte? Die MEI haben Sie nur knapp gewonnen. 
Da habe ich überhaupt keine Angst. Zwei Drittel der Kantone und mehr als die Hälfte des 
Volkes… 
… beziehungsweise vielmehr die Hälfte der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, die abgestimmt haben… 
... von mir aus. Mehr als die Hälfte der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger hat zugestimmt. 
Und die interessieren sich nicht für die Theorie der bilateralen Verträge. Bei den einfachen 
Leuten brodelt es und das wird nicht besser, wenn die Frankenstärke ihre schädliche 
wirtschaftliche Wirkung entfaltet. Wir haben bereits jetzt bei gewissen Bevölkerungsgruppen 
Arbeitslosenzahlen von über 10 Prozent. 
Ja, saisonal bedingt. Bei den klassischen Bauarbeiter-Nationalitäten. 
Die saisonalen Ausschläge werden sich verfestigen, wenn die Wirtschaft sich 
weiterentwickelt wie in den letzten Jahren. Die Pro-Kopf-Einkommen steigen nicht, die 
Teuerung geht weiter. Unter dem Strich geht es den Leuten schlechter. Ich habe deshalb 
keine Angst vor so einer Entscheidungsabstimmung. Die gewinnen wir noch einmal. 
Allerdings ist es nicht sehr demokratisch. 
Bitte, was? 
Von mir aus könnten wir alle zwei Wochen abstimmen. Es ist einfach nicht sehr 
demokratisch, nur weil man verloren hat, jeden Volksentscheid im Parlament und in den 
Kommissionen wieder so zu verwässern, dass man erneut darüber abstimmen muss, um 
den Willen des Souveräns umzusetzen. 
Wenn Sie von vornherein gewusst haben, dass die Regierung den Verfassungsartikel nicht 
umsetzen will, was er de facto wegen der Abhängigkeit vom 
Personenfreizügigkeitsabkommen gar nicht kann, warum haben Sie denn nicht gleich über 
die Aufkündigung des Personenfreizügigkeitsabkommens abstimmen lassen? 
In diesem Vertrag gibt es Anpassungsklauseln. Man kündigt nicht einfach einen Vertrag, 
ohne vorher über eine Anpassung zu verhandeln, wenn es solche Klauseln gibt. Das ist 
unanständig. Bloss kann man mit dem jetzigen Verhandlungsmandat aus oben genannten 
Gründen gar nicht in Verhandlungen eintreten. Fakt ist: Man kann dieses Abkommen 
anpassen und wenn es sein muss halt durch einseitige Kündigung. Das ist auch eine 
Anpassung. Das ist nicht anders als bei jedem x-beliebigen Mietvertrag. 
Das Gewerbe hätte keine Freude daran. Spielt das keine Rolle in Ihren Überlegungen? 
Natürlich ist es für die Unternehmen ein bisschen unangenehm, wenn man nicht mehr 
unbesehen EU-Bürger einstellen kann. Es gibt ein bisschen Bürokratie, das stimmt. Aber die 
Nachteile der kompletten Personenfreizügigkeit wiegen schwerer, insbesondere, wenn die 
Wirtschaft nicht gut läuft, was für die nächsten Jahre zu erwarten ist. Ausserdem haben wir 
37 Jahre Erfahrung mit dem Kontingent-System…
… oder Saisonnier-Statut… 
… nennen Sie es, wie Sie wollen. Auf jeden Fall hat es funktioniert. Die Kontingente wurden 
nach den Bedürfnissen der Wirtschaft jährlich festgelegt und ausser 1989 nicht einmal ganz 
ausgeschöpft. 
Auch das wäre eine Lösung für den Bundesrat. Was tun Sie, wenn er inoffiziell beschliesst, 
die Kontingente formal per Verordnung so hoch anzusetzen, dass die Personenfreizügigkeit 
de facto gewährt bliebe? Ein guteidgenössischer Kompromiss, einfach mit der EU?  
Das wäre eine Missachtung des Volkswillens. Ein Bundesrat, der so etwas gutheisst, muss 
und wird abgewählt werden.



