YouTuberinnen vertreten ein Rollenbild wie in den 50ern, das zeigt eine neue Studie (watson berichtete). Die meisten weiblichen Social-Media-Stars kochen, schminken sich oder machen sich die Haare schön. Nicht so Stefanie Holenweg. Die 28-Jährige Bernerin beschäftigt sich auf YouTube mit Gaming.
watson wollte von Holenweg wissen, wie es ist, sich als Frau in einer noch immer sehr männerdominierten Szene zu bewegen.
Frau Holenweg, laut einer Studie gibt ein Grossteil der Frauen auf YouTube Schmink- oder Kochtipps. Erstaunt Sie das?
Stefanie Holenweg: Nicht wirklich. Ich kenne sehr viele Schweizer YouTuberinnen – wenige davon brechen mit den üblichen Stereotypen.
Woran liegt das?
Ich glaube das ist einerseits sehr interessengebunden. Ein Grossteil der Frauen interessieren sich nunmal mehr für Schminken, Kochen oder Basteln. Andererseits haben die USA einen sehr grossen Einfluss auf die deutschsprachige YouTube-Szene. Man schaut, was die ganz Grossen wie Kylie Jenner und Co. machen. Was gut funktioniert, wird adaptiert – YouTuber Gronkh kommentiert Games, YouTuberin Bibi macht Beauty.
Bei Ihnen sieht das anders aus. Sie haben Ihren YouTube-Kanal Cielle Noire an den Nagel gehängt und konzentrieren sich jetzt nur noch aufs Gamen …
Es war ein Befreiungsschlag. Auf Cielle Noire habe ich mich mit Alltagsthemen auseinandergesetzt. Aber das hat mir nicht wirklich Spass gemacht. Kommt hinzu, dass man mindestens alle fünf Tage ein Video auf YouTube hochladen muss, sonst wird man vom Algorithmus als irrelevant eingestuft. Da lastet ein grosser Druck auf einem. Denn die Videos sind wahnsinnig viel Arbeit und wenn man nicht hundertprozentig hinter den Videos steht, dann wird es mit der Zeit sehr anstrengend. Am liebsten habe ich Games gespielt.
Wie ist es als Gamerin in einer immer noch sehr männerdominierten Szene?
Es gibt tatsächlich noch immer sehr viel mehr Männer als Frauen in diesem Bereich. Und bei den Frauen gibt es zwei Sorten von Gamerinnen: Diejenigen, die halb nackt da sitzen und deren Facecam grösser ist als die des Spiels. Und die anderen, denen es wirklich nur um das Spiel geht.
Sexistische Kommentare gibt’s aber auch bei Ihnen?
Das kommt vor. Während Live-Streams auf Twitch gibt es schon den einen oder anderen sexistischen Spruch. Aber wer Kommentare wie «du siehst gut aus, zeig doch mal deine Beine» postet, der fliegt einfach direkt aus meinem Channel.
Gibt es deshalb nicht mehr Frauen in der Szene?
Das kann ein Grund sein. Viele Frauen haben womöglich Angst davor, verurteilt oder angefeindet zu werden. Das passiert auch. Ich selbst aber fühle mich sehr wohl in meiner Community. Für die meisten spielt es überhaupt keine Rolle, ob hier jetzt eine Frau live streamt oder ein Mann.
Stören Sie sich an der stereotypischen Aufteilung in den sozialen Netzwerken?
Es wäre es toll, wenn es zum Beispiel einen YouTube-Kanal eines Hausmanns gäbe, der richtig viel Erfolg hat. Das würde auch dazu beitragen, dass es mehr Männer gibt, die Zuhause bleiben und sich um die Kinder kümmern. Aber grundsätzlich sehe ich es nicht als problematisch. Jeder soll machen, worauf er am meisten Lust hat.
Können Sie vom Gamen leben?
Dafür reicht es nicht. Aber des Geldes wegen mache ich es auch nicht. Ich arbeite 60 Prozent als Moderatorin und Social- Media-Managerin bei eSports.ch (Plattform, die über Gaming berichtet, Anmerkung d. Redaktion). Der Job ist super und ich kann genau das machen, was mir am meisten Freude bereitet. 40 Prozent game ich auf Twitch. Wer will, kann dort seinen Lieblings-Streamern Geld spenden. Das finde ich ein gutes System, schliesslich lassen sich viele drei bis vier Mal pro Woche mehrere Stunden durch uns unterhalten und trotzdem basiert alles auf Freiwilligkeit.
Was wünschen Sie sich für die zukünftige Gamingszene?
Es gibt schon sehr viele Frauen, die gamen, aber es könnten ruhig noch mehr sein. Vor allem in der Schweiz ist das Thema noch sehr jung. Aber ich bin zuversichtlich, dass da noch viele neue Gesichter dazukommen werden.