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Interview

Eltern von Muriel Furrer sprechen über ihren Tod

Interview

«Kam mir vor wie ein Engel»: So gehen Muriel Furrers Eltern mit dem Tod ihrer Tochter um

Der Unfall bei den Weltmeisterschaften in Zürich hat ihr Leben für immer verändert. Christine und Reto Furrer sprechen über Verlust, Ohnmacht, und darüber, wie sie nach dem Tod ihrer Tochter Muriel weiterleben.
27.12.2025, 15:4827.12.2025, 20:08
Simon Häring, Pascal Ritter / ch media

Das Reiheneinfamilienhaus der Familie Furrer steht in einer Kurve der Pfannenstielstrasse in Egg, an einer beliebten Veloroute. Ein Trainingsparadies für junge Velofahrerinnen wie Muriel Furrer. Christine Furrer öffnet die Türe, Reto sahen wir schon durchs Fenster in seinem Büro im Parterre.

Durchs Treppenhaus geht es ins Hochparterre. Dort steht der Esstisch. Am Platz, wo Muriel sass, stehen Bilder von ihr. Auch am Cheminée-Sims und am Sofatischlein lehnen Bilder von ihr. Eines mit ihrer Katze, viele Bilder im Velodress. Reto und Christine Furrer haben zusammen drei Kinder: Michelle, Eric und Muriel. Reto hat noch einen Sohn aus einer früheren Beziehung. An einer Wand hängen Collagen mit Geburtstagsbildern. Auch von Muriel. Muriel als Baby mit einem Stethoskop auf dem kleinen Körper. Muriel als Kind mit Geburtstagskuchen. Muriel als Teenager. Bei ihr werden keine weiteren Bilder mehr hinzukommen.

Sie starb am 27. September 2024 im Universitätsspital Zürich an den Folgen eines Schädel-Hirn-Traumas, das sie am Vortag bei einem schweren Sturz während des Juniorinnenrennens der Strassenweltmeisterschaften in Zürich erlitten hatte. Sie wurde 18 Jahre alt. Wie macht man weiter, wenn das Undenkbare passiert? Ein Gespräch über Verlust, Schmerz, Trauer, die Freude am Leben und das Weitermachen, trotz allem.

Muriel Furrer
Muriel Furrer starb nach dem Unfall im September 2024.Bild: imago-images.de/watson

Was war Muriel für ein Mensch?
Christine: Sie war voller Tatendrang, hatte Ziele und war ehrgeizig in Schule und Sport. Schon als Kind war sie ein Sonnenschein. Mir kam sie manchmal vor wie ein Engel.

Reto: Enorm liebenswert und dankbar. Was mich enorm beeindruckt hat, war ihre Disziplin. Sie war extrem strukturiert und organisiert. Das hat mich wahnsinnig fasziniert. Mit ihr bei den Rennen unterwegs zu sein und mit ihr Zeit zu verbringen, war immer bereichernd.

Wo stehen Sie im Leben, mehr als ein Jahr nach dem Tod Ihrer Tochter Muriel?
Christine: Wir haben ein gutes Leben, im Alltag geht es uns gut. Was schwierig ist, sind Jahrestage, Feiertage wie Ostern oder Pfingsten, oder ihr Geburtstag.

Wie haben Sie den ersten Geburtstag von Muriel im Juli ohne sie erlebt?
Christine: Es war ein heisser Tag, den wir als Familie zuhause verbracht haben. Wir sind zum Grab gegangen und haben Rosen niedergelegt. Abends assen wir zusammen. Wir bestellten Sushi, weil Müri das gerne hatte. Freundinnen haben Zimtschnecken in Herzform gebacken. Wir haben sehr viele berührende Nachrichten bekommen.

Reto: Für mich war der Neujahrstag am schwierigsten, weil ich mich dann jeweils frage, wie das Jahr war und nach vorne schaue auf das, was kommt. Das zum ersten Mal ohne Muriel zu tun, war hart.

Christine: Lara Liehner, ihre beste Freundin, war, als der Todestag sich jährte, zum ersten Mal seit ihrem Tod hier. Für sie war das ein riesiger Schritt, aber es war sehr schön. Auch Nicolas, ein befreundeter Mountainbiker aus Frankreich, kam vorbei. Sie waren dann in Muriels Zimmer.

Wie ist der Kontakt mit Muriels Freundinnen und Freunden?
Reto: Anja Grossmann war schon zwei Mal hier zum Nachtessen. Ich sehe sie auch regelmässig bei Rennen. Ich helfe als Betreuer beim früheren Team von Müri mit. Dadurch fühle ich mich mit ihr verbunden. In dieser Sportfamilie fühle ich mich wohl. Das sind gute Leute, die wir seit zehn Jahren kennen. Mir geht es auch darum, etwas zurückzugeben.

Christine: Ihr Geist lebt in all diesen Athletinnen weiter. Deshalb zieht es uns zurück zu den Rennen. Dort lebt sie weiter. Wenn ich Müris Gspänli sehe, sehe ich ganz viel Muriel. Ihre Kolleginnen aus dem Nachwuchs haben alle Andenken bei sich im Zimmer.

People light candles in front of the makeshift memorial for Muriel Furrer from Switzerland, who died after a cycling crash during the 2024 UCI Road and Paracycling Road World Championships in Zurich,  ...
Nach dem Tod von Muriel Furrer trauerten Fans, Freunde und Familie.Bild: KEYSTONE

Anja Grossmann gewann in Kigali WM-Bronze und widmete die Medaille Muriel. Was lösen solche Momente bei Ihnen aus?
Christine: Es ist sehr berührend. Uns freut es natürlich sehr, dass Muriel Kraft spenden kann. Es ist schön, dass Müri in ihnen weiterlebt. Ihre Gspänli waren alle derart traumatisiert, aber sie haben alle weitergemacht. Sie sind bei uns jederzeit willkommen. Einige haben es noch nicht geschafft, uns zu besuchen, weil es für sie einfach mit so viel Traurigkeit verbunden ist. Alle, die vorbeigekommen sind, sagen uns, sie seien froh, dass sie das getan haben. Wir sind in der Trauerverarbeitung schon weit fortgeschritten und können Trost spenden.

Wo stehen Sie in diesem Prozess?
Reto: Auch wenn es oft schmerzt, ist die wichtigste Erkenntnis: Das Leben bleibt lebenswert.

Christine: Ich habe schnell das Gespräch mit einer Psychiaterin gesucht. Das hat mir das Urvertrauen zurückgegeben. Für uns als Familie ging es darum, dass wir möglichst schnell in den Alltag zurückkehren. Dieser gibt Struktur und Ablenkung. Wir wussten: Wir müssen so schnell wie möglich zurück ins Leben, auch wenn es unheimlich schmerzvoll ist.

Wie sind Sie das angegangen?
Christine: Für mich begann es mit dem Arbeitsweg, der in Zumikon über die WM-Strecke führt. Müri fuhr dort eine ihrer letzten Kurven. Das Überqueren dieser Strasse war für mich am Anfang wirklich brutal, aber mit jedem Mal ging es besser. Uns war klar, dass wir die Orte, die wir mit Erinnerungen verbinden, nicht meiden können, sonst hätten wir nirgendwo mehr hingehen können. Das war für mich versöhnlich. Heute habe ich damit meinen Frieden. Wie war es für dich, Reto?

Reto: Ähnlich. Für mich war klar, dass das Leben weitergehen muss. Ich habe vielleicht zwei Tage nicht gearbeitet und hatte keine Hilfe von aussen. Zu arbeiten und mich abzulenken, hat mir am meisten geholfen.

Die mutmassliche Unfallstelle von Muriel Furrer in der Abfahrt hinunter nach Kuesnacht in Kuesnacht, am Freitag, 27. September 2024. (KEYSTONE/Til Buergy)
Die Unfallstelle.Bild: KEYSTONE

Wie haben Sie die ersten Tage und Wochen nach Muriels Tod erlebt?
Christine: Während drei Monaten war ich in einem traumatisierten Zustand. Über allem lag ein Schleier. Manchmal hatte ich das Gefühl, Muriel komme gleich nach Hause von einem Trainingslager. Ich habe mich oft gefragt: Ist das wirklich wahr? Bis nach Weihnachten fühlte ich mich, als wäre ich in einer Wolke, geschützt vor allem Bösen. Dann ist alles abgeblättert und ich musste einsehen: Es ist tatsächlich so. Mein Herz wird immer verletzt sein. Dieser Prozess dauerte etwa drei Monate. Hattest du das auch, Reto?

Reto: Manchmal habe ich noch heute das Gefühl, das sei alles nur ein böser Traum. Dann sage ich mir: «Das kann doch gar nicht sein». Inzwischen kann ich aber damit leben. Traumatisch war für mich der erste Monat, dann wusste ich: Es gibt nichts daran zu rütteln.

«Das war für mich am brutalsten. Zu wissen: Ich kann nichts tun. Dieses Gefühl der Ohnmacht.»
Reto Furrer

Wie schwer war diese Erkenntnis?
Reto: Ich bin es gewohnt, die Dinge in der Hand zu haben oder zumindest beeinflussen zu können. Hier stand ich auf einmal vor einer Situation, in der ich nichts machen konnte. Das war für mich am brutalsten. Zu wissen: Ich kann nichts tun. Dieses Gefühl der Ohnmacht.

Wie haben Sie die Kontrolle zurückgewonnen?
Christine: Am Tag nach Muriels Tod ging ich Joggen. Ich wollte mir beweisen, dass mein Körper funktioniert. Auch wenn du am Morgen aufstehst und das Gefühl hast, dass es nicht geht. Sport und Natur hilft in jeder Lebenslage. Ich wusste: Auch wenn das Herz schwer ist, der Körper funktioniert. Diese Erfahrung, dieser Modus hat mir enorm geholfen. Der Tag wurde zum Wettkampf. Alles war mit Überwindung verbunden. Du musst dahin gehen, wo es weh tut. Sport ist eine enorme Ressource für uns, gerade in schwierigen Momenten.

Reto: Auch für mich ist der Sport die grösste Ressource. Der Krisenmodus, den ich aus dem Ausdauersport kenne, hat mir sehr geholfen. Weiterzugehen, Schritt für Schritt – das lernt man nur im Sport. Davon kann ich in schwierigen Lebenssituationen zehren.

Christine: Mir hat auch die Musik geholfen. Ich spiele Klavier und singe im Chor. Kürzlich sangen wir ein Requiem von Mozart, eine Totenmesse. Das ist natürlich schwer, aber Musik ist für mich auch etwas Hoffnungsvolles, Verbindendes zum Himmel, das mich in dieser Zeit getragen hat.

Wann kam die Lebensfreude zurück?
Reto: Relativ bald. Wir haben einfach diesen Rucksack. Wenn ich nicht daran denke, dann ist es gut. Schwierig ist es, wenn es Rennen stattfinden und ich denke: Da wären wir jetzt dabei.

Christine und Reto Furrer, Eltern von Muriel Furrer
Reto und Christine Furrer.Bild: CH Media/Severin Bigler

Christine: Uns war es wichtig, uns von der Trauer nicht erdrücken zu lassen und für unsere beiden Kinder Michelle und Eric und Retos Sohn Zeno wieder Eltern zu sein, die alles für sie geben. Sie leben und haben alles noch vor sich. Unsere Kinder sind eine riesige Motivation und der grösste Antrieb, das Leben zu gestalten, wieder zu lachen und fröhlich zu sein. Ich habe mich schon bald wieder auf die Ferien gefreut. Das ist für mich ein Geschenk.

Wie sind die Geschwister mit Muriels Tod umgegangen?
Reto: Sehr unterschiedlich. Unser Sohn hatte die eine oder andere Krise und viel geweint. Michelle hat anders getrauert. Sie hat das Studium, das sie begonnen hatte, abgebrochen und einen anderen Weg eingeschlagen. Jeder Mensch, jede Familie trauert anders.

Christine: Sie waren bald wieder mit Gspänli unterwegs und haben dort viel Anteilnahme erfahren. Unterwegs zu sein, am Leben teilzunehmen und es zu geniessen, ist enorm wichtig. Ich bin sehr stolz darauf, wie unsere Kinder mit Muriels Tod umgehen.

Was geht Ihnen beim Gedanken an den Unfalltag durch den Kopf?
Reto:
Wir waren am Start in Uster, wo wir Muriel noch gesehen haben. TeleZüri wollte einen Beitrag über Muriel und Lara (Liehner, Anm. d. Red.) drehen. Danach fuhren wir zum Zürichberg, wo Muriels Götti wartete, eine Überraschung. Doch dann ist Muriel einfach nicht gekommen.

Christine: Wir waren uns sicher, dass wir sie nicht verpasst haben. Die Fahrerinnen waren in der Steigung ja nicht schnell unterwegs, und wir hatten über die Jahre ein Auge für ihren Fahrstil entwickelt.

Was passierte dann?
Christine: Ich wartete im Ziel die letzte Fahrerin ab, während Reto zum Wohnmobil von Swiss Cycling gegangen ist. Ich hoffte, dass sie einen Defekt hatte.

Reto: Oder dass sie das Rennen abgebrochen hat und im Ziel war.

Christine: Das wäre schön gewesen.

Reto: Wir hatten keine Informationen, nichts. Keine Durchsage vom Speaker, nichts von Swiss Cycling gehört, keine Rangliste. Ich habe dann Kathrin Stirnimann (damals U19/23-Trainerin, Anm. d. Red.) und Nationaltrainer Tristan Marguet angerufen. Sie waren beide im Auto unterwegs und wussten von gar nichts. Niemand wusste Bescheid. Da waren die ersten Fahrerinnen schon im Ziel.

«Niemand hat das Schlimmste befürchtet, weshalb auch?»
Christine Furrer

Wie ging es weiter?
Reto: Irgendwann habe ich dann Edi Telser (Nationaltrainer, Anm. d. Red.) angerufen und ihm gesagt: Jetzt müsst ihr auf die Hinterbeine stehen. So geht es nicht! Dann haben sie mit der Rennleitung Kontakt aufgenommen.

Christine: Das fühlte sich wie Stunden an. Aber niemand hat das Schlimmste befürchtet, weshalb auch? Stirnimann hat dann gesagt, Muriel sei vielleicht aus Enttäuschung nach Hause gefahren.

Ist das nicht naiv?
Reto: Es ist ein Wettkampf. Da kann man mental an Grenzen stossen und reagiert vielleicht einmal irrational. Es war eine Möglichkeit, auf die ich gehofft hatte. Wie damals, als Marlen Reusser sich auf den Boden gesetzt und geweint hat. Wenn man Leistungssport gemacht hat, kann man solche extremen Reaktionen nachvollziehen.

Wie hat man Muriel letztlich gefunden?
Reto: Ein Helfer hatte per Zufall etwas in einem Waldstück gesehen. Man muss sich das mal vorstellen: Sie wurde zufällig gefunden!

«Die Ärzte haben uns gesagt, dass Muriel die Nacht vermutlich nicht überleben wird.»
Christine Furrer

Auf der gleichen Strecke lief zu dieser Zeit das Rennen der Parasportler.
Reto: Man hat den Helikopter organisiert, der ist auf einer Wiese unterhalb der Unfallstelle gelandet. Der Krankenwagen war bereits vor Ort. Muriel aus dem Waldstück zum Helikopter zu bringen, beanspruchte etwa eine halbe bis eine Dreiviertelstunde.

Christine: Als wir erfuhren, dass Muriel mit dem Helikopter transportiert wird, wusste ich: Jetzt ist es nicht mehr gut. Die Ärztin von Swiss Cycling hat uns dann ins Unispital gefahren. Die Ärzte haben uns gesagt, dass Muriel die Nacht vermutlich nicht überleben wird. Ich habe diese auf einem Klappbett bei ihr verbracht. Ich hatte Zeit mit ihr alleine und ihr ein Abendlied gesungen, das ich den Kindern immer vor dem Schlafen vorgesungen. Müris Leben ist mir dann wie ein Film vor meinem inneren Auge abgelaufen. Dabei verspürte ich eine enorm grosse Dankbarkeit. Am folgenden Tag ist Muriel am frühen Nachmittag dann verstorben.

Sie sprachen sich dafür aus, die Weltmeisterschaften fortzusetzen.
Reto: Das habe ich Swiss Cycling aus dem Spital heraus so mitgeteilt.

Christine: Für uns war schnell klar, dass wir uns wünschen, dass es weitergeht, dass die Athleten ihr Feuer entfachen können. Auch im Nachhinein finde ich, war das die beste Entscheidung. Und es wäre sicher auch in Muriels Sinn gewesen.

Machen Sie jemandem Vorwürfe?
Christine: Uns ist es ein Anliegen, dass festgestellt wird, wer seine Pflicht erfüllt hat und wer vielleicht seine Verantwortung nicht wahrgenommen hat, und ob man gewisse Dinge in Zukunft anders und besser machen kann, auch wenn uns das Muriel nicht zurückbringt.

Reto: Es geht nicht um Schuldzuweisungen. Aber unter den Tisch kehren kann man es auch nicht, dass eine Athletin anderthalb Stunden nicht gefunden wird und die Bergung so lange geht bei einem Schädelhirntrauma, wo es um Minuten geht. Wir wollen Klarheit.

Wo müsste man genauer hinschauen?
Reto: Beim Organisator und der UCI.

Wie sehen Sie die Rolle von Swiss Cycling? Die Trainer und Betreuer des Nationalteams haben ihre Fahrerin aus den Augen verloren.
Christine: Die Bestürzung beim Verband war riesig. Die Leute waren durchgeschüttelt.

Reto: Nachwuchsrennen sind manchmal chaotisch, gerade bei diesem Wetter. Ich kann mir vorstellen, dass man da eine Athletin aus dem Fokus verliert. Aber der Organisator?

Christine: Vielleicht hätte es bei einer Abfahrt mehr Helfer am Strassenrand haben müssen.

Wie ist der Kontakt mit der UCI, Swiss Cycling und Rennorganisator Olivier Senn?
Reto: Mit Swiss Cycling war der Kontakt lange eng, Präsident Thomas Peter hat uns besucht. Olivier Senn haben wir einmal getroffen. Mit der UCI hatten wir keinen direkten Kontakt, aber wohl einen Brief erhalten. Wir haben tausende Briefe und Nachrichten bekommen. Die Handys glühten zwei Monate lang, wir konnten gar nicht alles verarbeiten.

Peter Van den Abeele, UCI Sports Director speaks during a media conference regarding of the death of young Swiss cyclist Muriel Furrer at the 2024 UCI Road and Para-cycling Road World Championships in ...
UCI-Sportdirektor Peter Van den Abeele nach dem Unfall.Bild: KEYSTONE

Der Unfall und der Tod ihrer Tochter und dessen Umstände sorgte überall auf der Welt für Schlagzeilen. Wie gingen Sie mit der Berichterstattung um?
Christine: Ich habe vieles gelesen und geschaut. Und ich muss sagen: Ich empfand die Berichterstattung grösstenteils als sehr respektvoll.

Was raten Sie Eltern, die Angst haben, ihre Kinder in den Veloclub zu schicken?
Christine: Ich sage immer, das Leben ist lebensgefährlich. Wenn ein Kind eine Leidenschaft für den Sport hat, soll es diese ausleben. Es ist immer eine riesige Katastrophe, wenn ein junger Mensch stirbt. Aber es werden weiterhin junge Menschen sterben, wir verdrängen das einfach erfolgreich. Aber das alles gehört zum Leben dazu.

Welche Botschaft ist Ihnen wichtig?
Christine: Uns geht es nicht um Schuldzuweisungen, sondern darum, aus dem Unglück etwas zu Lernen und zukünftig besser zu machen.

Reto: Es braucht Ortungssysteme, die helfen, Sportlerinnen und Sportler zu finden, wenn sie stürzen.

Christine: Muriel hat ihre 18 Jahre reich gefüllt und alles aus ihnen herausgeholt: im Sport, in der Ausbildung. Sie bereicherte unser Familienleben enorm. Dafür bin ich dankbar.

Reto: Lieber wäre ich vor Muriel gegangen, wie man die Reihenfolge gewohnt ist. Aber das Leben ist immer noch lebenswert. Und aufgeben ist keine Option für uns.

Bevor wir gehen, führt uns Christine Furrer in Muriels Zimmer. An der Wand hängt ein Foto, das sie auf dem Velo vor strahlend blauem Himmel zeigt – ein Geschenk eines Amerikaners, überreicht an der Mountainbike-WM in Crans Montana. Die Bettdecke ist mit einem Bild von Muriel mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern bedruckt. Am Kopfende steht ein Foto, das Furrer beim Beten zeigt; davor liegen Kopfkissen und Kuscheltiere – ein Pinguin und ein Bärli mit grossen Augen.

Muriel Furrer
Die Schilder hat Christine Furrer am Tag vor dem Unfall gebastelt.Bild: CH Media/Severin Bigler

Daneben ausgebreitet: Trikots der Nationalmannschaft. «Wer zu Besuch kommt, soll etwas als Andenken mitnehmen», erzählt Christine. Immer wieder schauen Freundinnen und Freunde vorbei, essen gemeinsam Znacht oder verweilen still im Zimmer. In der Ecke steht ein kleiner Schreibtisch, daneben ein Bild von Muriel im Nationaldress – aufgenommen kurz vor der WM, bei der sie als Botschafterin auftrat.

An der Wand lehnen zwei selbstgemachte Kartonschilder: «Hopp Muriel» und «Go Muriel», daneben zwei kleine Schweizer Flaggen. Christine hat sie am Tag vor dem letzten Rennen gebastelt. Sie geben einen Einblick in ein Leben, das viel zu früh zu Ende gegangen ist. (aargauerzeitung.ch)

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11 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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SpitaloFatalo
27.12.2025 16:23registriert März 2020
Das hat mich jetzt mehr als einmal durchgeschüttelt beim Lesen. Viel Hoffnung spürte ich aber auch und Eltern, die nicht an Muriels Unfalltod zerbrechen. Ich wünsche Ihnen für die Zukunft alles erdenklich Gute.
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Nouvelle Mme P
27.12.2025 16:17registriert April 2024
Tragisch und doch hoffnungsvoll. Ruhe in Frieden, Muriel. Auf dass dein Tod wenigstens etwas verändert und so etwas nie wieder in ähnlicher Weise vorkommt.
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Nummy33
27.12.2025 16:44registriert April 2022
von heute auf morgen jemand zu verlieren ist krass, das eigene Kind am schlimmsten. Trotz allem hilft es natürlich positiv zu denken
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