Zwei Todesfälle erschütterten den Schweizer Radsport in den letzten zwei Jahren. Im Sommer 2023 verunglückte Gino Mäder während der Tour de Suisse. Im vergangenen Jahr stürzte die Juniorin Muriel Furrer im Rahmen der Rad-WM in Zürich. Sie lag wohl rund eine Stunde schwer verletzt und unbemerkt in einem Waldstück.
Olivier Senn erlebte beide Dramen hautnah mit, bei Mäder als Direktor der Tour de Suisse und bei Furrer als Organisator der Weltmeisterschaften. Gerade bei Furrer geriet der Aargauer dabei ins Kreuzfeuer der Kritik.
«Rückblickend wäre es eine perfekte Lösung gewesen», sagte Senn zur Frage, weshalb die Fahrerinnen und Fahrer keine GPS-Tracker mitführten. Mit diesen wäre Furrer schneller gefunden und versorgt worden. Ob das ihr Leben gerettet hätte, ist allerdings fraglich.
Zugleich versprach Senn, sich beim Radweltverband UCI mit Vehemenz für mehr Sicherheit einzusetzen. «Wichtig ist, dass sich im Radsport grundsätzlich etwas ändert. Zum Glück haben das alle Beteiligten realisiert», sagte Senn Ende des vergangenen Jahres im Interview.
Nun lässt Senn seinen Worten Taten folgen. Bei der Tour de Suisse (15. bis 22. Juni) kommt ein Tracking zum Einsatz. Jedes Velo wird mit einem Tracker ausgestattet, der bei Auffälligkeiten Alarm schlägt, etwa wenn sich das Rad 30 Sekunden lang nicht bewegt, die Strecke verlässt, oder sich abrupt die Geschwindigkeit verändert.
Trifft ein solches Szenario ein, werden die Organisatoren sofort benachrichtigt und können reagieren. Genutzt werden die Tracker im Konvoi, jedes Funkgerät wird mit einem Tracker ausgerüstet. Die gesammelten Informationen laufen in einer Sicherheitszentrale zusammen, wo die Situation überwacht und bei Bedarf eingegriffen werden kann.
Senn setzt sich damit wohl auch gegen Widerstände beim Radweltverband UCI durch. Dieser untersagte in WM-Rennen den Einsatz von Funk und Trackern. Wegen Signalunterbrüchen sei ein GPS-Tracking aktuell nicht in der Lage, alle Fahrer eines Rennens jederzeit zu lokalisieren, behaupteten die Radbosse. Experten bezeichnen das als falsch.
Offenbar äusserte der Radweltverband in den Diskussionen mit Senn auch Bedenken, die Tour de Suisse könnte die Daten kommerziell nutzen. Die Nutzung der Tracker dürfe nicht verpflichtend vorgeschrieben werden, sagt Senn in einem Beitrag auf der Website der Tour de Suisse.
Doch ihnen gehe es ausschliesslich um die Sicherheit des Rennens, nicht um die Vermarktung. Der Kompromiss ist eine sogenannte Opt-out-Regelung. Teams, die nicht teilnehmen möchten, können sich explizit abmelden – aber nehmen dann auf eigenes Risiko teil.
Das Tracking ist nicht die einzige neue Massnahme. Externe Fachpersonen analysieren Dokumente und Prozesse aus einer unabhängigen Perspektive.
Zudem organisiert die Tour de Suisse die Risikoanalyse neu. Früher war dafür eine Person, manchmal auch zwei zuständig. Heute ist es ein Team aus fünf Fachleuten. Sie befahren alle acht Etappen, identifizieren Gefahrenstellen und definieren gezielte Massnahmen.
Vor heiklen Kurven werden mehr Streckenposten aufgestellt, die die Fahrer und Fahrerinnen warnen und zum Bremsen auffordern. Zudem werden Schutzmatten platziert und die Teams im Vorfeld detailliert über Gefahrenstellen informiert.
Die Velos haben sich in den letzten Jahren stark weiterentwickelt: Höhere Felgen, Scheibenbremsen und noch schmalere Lenker machen sie schneller, leichter und anspruchsvoller in der Handhabung. Zudem wird aggressiver und rücksichtsloser gefahren.
Welche Kosten diese Massnahmen zeitigen, ist nicht bekannt. Über Details wie diese will Olivier Senn erst am kommenden Dienstag im Panorama Restaurant in Küssnacht sprechen
Weil er unter freiem Himmel stattfindet, ist der Radsport unberechenbaren Einflüssen wie Wind und Wetter ausgesetzt. Starker Regen, glatte Strassen, Seitenwind oder extreme Hitze erhöhen die Gefahren. Stürze lassen sich auch mit diesen Massnahmen nicht verhindern. Aber die möglichen Folgen werden abgefedert.
Immerhin das haben die Todesfälle von Gino Mäder und Muriel Furrer bewirkt.