Die Entwicklungen der Fallzahlen und Hospitalisationen nehmen in Israel bei der gefährdetsten Gruppe der Ü60-Jährigen weiterhin ab. Im Vergleich zu Mitte Januar, also kurz nach dem Start der 2. Dosis bei dieser Altersgruppe, nahmen die Fallzahlen um 64 Prozent ab, 48 Prozent weniger erleiden schwere Verläufe und die Todesfälle haben sich halbiert.
Seit Anfang Februar haben auch andere Altersgruppen die zweite Dosis erhalten. Die Auswirkungen werden wir erst in den nächsten Tagen sehen. Zumindest in Sachen Fallzahlen stimmt die Richtung:
Israel: Drop in 55-59 y/o, next to vaccinate after 60+
— Eran Segal (@segal_eran) February 14, 2021
Further drop in 60+
Since the mid-Jan. peak:
60+ y/o:
64% fewer cases
48% fewer critically ill
50% fewer deaths
55-59 y/o:
52% fewer. cases
30% fewer critically ill
54 & under:
35% less cases
20% **more** critically ill pic.twitter.com/5DvfixzWwS
Wir haben mit Christoph Berger über die Entwicklung in Israel gesprochen und was dies für die Schweiz bedeuten könnte. Berger ist Leiter der Abteilung Infektiologie und Spitalhygiene am Kinderspital in Zürich und als Präsident der Eidgenössischen Kommission für Impffragen sozusagen der oberste Impfexperte des Landes.
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Christoph Berger, was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie die aktuellen Entwicklungen in Israel beobachten?
Christoph Berger: Das ist eindrücklich. Zum einen das Impftempo, bei welchem wir so nicht mithalten können, und zum anderen auch die Entwicklungen in den Altersgruppen, die schon zu über 80 Prozent die zweite Impfung erhalten haben.
Tatsächlich zeigen die Entwicklungen bei den Ü60-Jährigen in eine erfreuliche Richtung. Aber liegt das tatsächlich nur an den Impfungen?
Es ist immer multifaktoriell. Die Lockdown-Massnahmen spielen da natürlich auch mit rein. Aber die schnellere und markantere Abnahme bei der Risikogruppe deutet darauf hin, dass die Impfung gut wirkt.
Was, wenn Israel nicht so ein hohes Impftempo hingelegt hätte?
Das kann niemand mit Bestimmtheit sagen. Aber die aktuellen Daten deuten sehr darauf hin, dass die Abnahme mit den Impfungen zusammenhängt.
Als «oberster Impfer der Schweiz» wussten Sie, dass die Entwicklung so ablaufen würde?
Ich hoffe jeweils, dass es so läuft. Die Voraussetzungen mit der Wirksamkeit des Impfstoffes von 95 Prozent ab rund einer Woche nach der zweiten Dosis liess dies erwarten. Und die Kurven zeigen genau dies.
In anderen Ländern wie Schweden und Kanada gehen die Fallzahlen ähnlich zurück – oder sogar noch schneller. Die beiden Länder impfen aber sehr wenig und haben auch weniger strikte Shutdowns. Was sagen Sie dazu?
Es geht um die Altersverteilung. In Israel nehmen die Fälle in der meistgeimpften Altersgruppe gegenüber Jüngeren deutlich ab. Das ist in den anderen Ländern weniger so. Es zeigt für mich eher auch noch, dass die Lockdown-Massnahmen – so strikt sie auch waren – vielleicht nicht so gut wie erwartet eingehalten wurden oder die Mutationen diesen die Wirkung etwas nahm.
Was können wir aus den Entwicklungen in Israel für die Schweiz mitnehmen?
Israel zeigt uns, dass dieser Weg der richtige ist. Aber wir müssen Geduld haben und beständig den Weg gehen.
Wieso?
Das Impftempo war enorm. Seit Impfstart in Israel sind jetzt dann zwei Monate vergangen, bis sich die Auswirkungen zeigen. Wir haben bisher rund 500'000 Impfdosen verimpft, rund 50'000 Personen erhielten die zweite Dosis. Ich denke, dass man bei uns ab dem zweiten Quartal einen Effekt bei der besonders gefährdeten Gruppe sehen wird.
Nach der ersten Dosis ist der Effekt noch zu klein?
Ja, das war auch so erwartet worden und Israel zeigt dies jetzt in der risikoreichsten Gruppe. Es braucht hier dringend zwei Piekser.
Wann glauben Sie, dass Auswirkungen in der breiten Bevölkerung zu sehen sein werden?
Momentan sieht es gut aus, dass wir im 2. Quartal genügend Impfstoffe erhalten. Auf den Sommer hin gehe ich da von Effekten bei der breiten Bevölkerung aus.
Leider müssen wir aber auch hier noch über die Mutationen sprechen. Diese können die Impfwirkung abschwächen. In Israel sei die britische Variante (B.1.1.7) bei rund 70 Prozent der Neuansteckungen gefunden worden.
Die britische Variante sollte die Impfwirkung nicht gross beeinflussen. Bei anderen Mutationen ist die Gefahr grösser. Aber auch dann: Wir starten mit Impfstoffen, die rund 95 Prozent Schutz gewähren. Wenn Mutationen diese Wirkung beeinträchtigen, dann sind wir – ich sage eine Zahl – vielleicht noch bei 60 oder 70 Prozent Wirkung. Das ist immer noch gut.
Sie wirken entspannt.
Man darf das nicht unterschätzen. Ich sehe diese Probleme mit den Mutationen kommen. Aber da können wir darauf reagieren und etwas anpassen. Würde der Impfstoff von Anfang an bei nur rund 60 Prozent liegen, wäre das schlimmer mit den Mutationen. Wir haben keinen besseren Plan, als den, dem wir jetzt folgen.
In keiner Bevölkerungsgruppe sind die Ansteckungen und Todesfällen seit dem höchsten Peak so stark gefallen, wie bei Ü-80 Personen.
Warum denn nicht? Was bremst uns? Ist es die beobachtende, lügende Politik, der heilige Föderalismus, unser ausgeprägter Spartrieb, die unantastbaren Corona- und Impfskeptiker oder einfach unsere Trägheit, die uns Tag für Tag Menschenleben kostet? Was ist es was uns bremst?