Die weltweite Weinproduktion ist im vergangenen Jahr um zehn Prozent zurückgegangen. Es war laut der internationalen Organisation für Rebe und Wein (OIV) die weltweit schlechteste Weinernte seit 1961.
«Extreme Umweltverhältnisse» wie Dürren, Brände und andere klimabezogene Probleme seien hauptsächlich für den grössten Rückgang der letzten sechs Jahrzehnte verantwortlich, erklärte OIV. Zwar seien Klimaprobleme nicht allein verantwortlich für den drastischen Rückgang, der Klimawandel sei aber «die wichtigste Herausforderung» für die Branche. Die Weinrebe sei «stark vom Klimawandel betroffen».
Am schlimmsten waren demnach Italien und Australien betroffen, wo die Produktion um 23 beziehungsweise 26 Prozent fiel. Spanien verlor mehr als fünf Prozent seiner Produktion, Chile und Südafrika mehr als zehn Prozent. In Frankreich entwickelte sich die Weinproduktion entgegen dem Trend positiv und wuchs um vier Prozent. Aufgrund des grossen Produktionsrückgangs in Italien war Frankreich im letzten Jahr mit Abstand der weltweit grösste Weinproduzent.
In der Schweiz wurden im vergangenen Jahr 1,01 Millionen Hektoliter Liter Wein produziert. Gegenüber dem Vorjahr entspricht das einer Zunahme von rund zwei Millionen Litern oder zwei Prozent. Aufgrund der hohen Temperaturen und einem geringen Niederschlag während der Reifung war der Zuckergehalt höher als üblich.
Insgesamt wurden laut OIV weltweit 237,3 Millionen Hektoliter Wein produziert. 2022 waren es noch 262,6 Millionen Hektoliter gewesen. Doch nicht nur die Produktion geht zurück, sondern auch der Konsum: Laut der OIV wurde 2023 drei Prozent weniger Wein getrunken als im Vorjahr.
Welcher Einfluss diese Umstände auf die Schweizer Wein-Zukunft hat, hat watson mit Christof Zeller, Strategieberater der Weinvogel SA, Weinakademiker und Inhaber des WSET Certificate in Wines and Spirits, besprochen.
Das vergangene Jahr führte weltweit zur schlechtesten Weinernte seit 62 Jahren. Geht uns bald der Wein aus?
Christof Zeller: Nein, unser regelmässiges Glas Wein ist wegen dieses Ernteausfalls nicht unmittelbar bedroht. Aber auch der Konsum geht zurück und viele Weintrinker wechseln von Rot- auf Weisswein – wegen der Klimaerwärmung. In Teilen Europas werden Weinbauern Prämien bezahlt, dass sie Reben ausreissen und auf andere Landwirtschaftsprodukte wechseln. In Australien erhält Geld, wer seine roten Reben ausreisst und durch weisse Sorten ersetzt.
Als Hauptgrund für die miserable Ernte wurden extreme Umweltverhältnisse genannt wie Dürren oder Brände. Bedeutet das, dass in den nächsten Jahren das Problem zunimmt?
Es gab in der Geschichte des Weinbaus immer wieder extreme Umweltverhältnisse und Wettersituationen. Fachleute gehen jedoch davon aus, dass sich diese Wetterextreme aufgrund des Klimawandels häufen und akzentuieren werden. Im Weinbau herrscht deshalb heute schon weitgehend Einigkeit darüber, dass sich die Erntezeitpunkte durch die Erhöhung der Durchschnittstemperaturen bis zu einem Monat nach vorne geschoben haben und dieser Trend geht weiter.
Kann man sagen, dass eine schlechte Ernte auch schlechteren Wein hervorbringt oder hat das nichts miteinander zu tun?
Die Qualität der Weine ist zum Glück nicht betroffen. Denn wenig Regen in der Reifephase der Traubenbeere kann zu dickschaligen, kleinbeerigen Traubenbündeln führen und dadurch einzigartige Weinqualitäten hervorbringen. Die Aromen, Tannine und Farbstoffe der Trauben sind mehrheitlich in den Schalen konzentriert. Ertragsarme Jahre entwickeln sich daher oft zu einzigartigen Wein-Jahrgängen mit astronomischen Preisen.
Im Gegensatz zum weltweiten Schnitt nahm die Schweizer Weinproduktion um zwei Prozent zu. Was unterscheidet die Schweiz vom Rest?
Da muss ich spekulieren. Die Schweiz hat vielleicht noch ein leicht milderes Klima als in mediterranen und maritimen Klimazonen, die etwas mehr durch Wetter- und Klimaextreme gekennzeichnet sind. Zudem wird Schweizer Wein oft an Hügeln und Bergflanken angebaut, die als Wettersperren dienen.
Hohe Temperaturen und geringere Niederschläge haben beim Wein dafür gesorgt, dass der Zuckergehalt höher als üblich ist. Kann man das im Wein schmecken?
Die komplizierte Antwort ist: Hier muss man zwischen Einfach- und Mehrfachzucker sowie zwischen Fructose und Glucose unterscheiden, welche alle unterschiedliche Auswirkungen auf die Weinaromatik haben. Auch Fehlaromen können mit dem Stehenlassen von Restzucker überblendet, wie auch eine aromatisch fehlende Dichte im Gaumen kompensiert werden.
Und die einfache Antwort?
Zucker spezifisch zu schmecken ist nicht ganz einfach, da er quasi das Vorhandensein von Aromen ‹vortäuscht›. Spüren kann man ihn im Gaumen und auf der Zungenspitze jedoch, mit ein wenig Übung, sehr gut!
Das Interview wurde schriftlich geführt.
(kma/sda/afp)
Das wären dann genau 101 Liter. Da fehlt wohl noch ein "Millionen"... Bitte korrigieren