Schweiz
Justiz

Klima-Urteil: Schweizer EGMR-Richter zum Erfolg der Klimaseniorinnen

Schweizer Richter verurteilt die Schweiz am EGMR – jetzt spricht er über das Klima-Urteil

Ein Schweizer Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt die Schweiz. Das sagt er.
12.04.2024, 08:2412.04.2024, 12:56
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Die einen jubelten, die anderen bekamen Schnappatmung: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verurteilt die Schweiz wegen ungenügendem Engagement gegen den Klimawandel. Nun spricht Andreas Zünd, einer der Richter, der selbst Schweizer ist.

Beim Entscheid handle es sich um ein Leiturteil für alle Mitgliedstaaten des Europarats, sagte Zünd am Freitagmorgen zu Radio SRF. Der Anstoss für das Leiturteil sei mit den Klimaseniorinnen einfach aus der Schweiz gekommen.

Massgebend für den Entscheid sei das Pariser Klimaabkommen gewesen, sagte der Schweizer EGMR-Richter. Die Inhalte seien Teil des hiesigen Rechts, weil das Abkommen von der Schweiz ratifiziert wurde.

«Unserer Meinung nach erfüllt die Schweiz das Abkommen nicht.»
Andreas Zünd

Kein Eingriff in die Klimapolitik

Wie genau die Schweiz die Ziele des Pariser Klimaabkommens einhalten soll, schreibe das Gericht nicht vor. Zünd sagte mit Bezug auf das Urteil:

«Die Mittel unterliegen der demokratischen Auseinandersetzung.»

In den politischen Prozess greife der Gerichtshof nicht ein. Es liege nun in der Verantwortung der Schweiz, wie die Politik das Urteil umsetzen wolle. Nach dem Urteil sei es Aufgabe des Mitgliedstaates, «das begangene Unrecht wieder gutzumachen» und zu verhindern, dass sich das gleiche Unrecht in Zukunft wiederhole.

Zünd reagierte damit auch auf die Kritik der SVP, Mitte und FDP, die nach dem Urteil aufkam, wonach Richter keine Klimapolitik betreiben sollen. Das Gericht verstehe die Schweizer Demokratie nicht, hiess es etwa von Seiten FDP. GLP, Grüne und SP sahen sich in ihren Forderungen bestätigt. Die SP deutete das Urteil als Ohrfeige für den Bundesrat.

Verzögerte Schäden

Auf die Frage, weshalb das Klima ein einklagbares Menschenrecht sei, antwortete Zünd:

«Dabei haben wir uns an der Menschenrechtskonvention orientiert.»

Zwei Artikel hätten einen Bezug zum Klimawandel zugelassen: das Recht auf Leben und das Recht auf Privatsphäre. Zu Letzterem gehöre auch das körperliche Wohlbefinden, sagte Zünd.

Die Menschheit bewege sich auf ein Momentum zu, wo ein Kippeffekt zu erwarten sei. Es zeichne sich ab, dass der Klimawandel Menschen in ihrem Wohlbefinden stark beeinträchtigen werde und bis zum Tod führen könne. «Der Klimawandel stellt eine neue Herausforderung dar, denn die Schäden treten nicht unmittelbar ein», sagte der Richter.

Mit Material der Nachrichtenagentur SDA

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144 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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du_bist_du
12.04.2024 09:16registriert Mai 2020
Schade für das uninspirierte Interview, zumindest so wie es sich hier liest.
Mich hätte interessiert, wo das Gericht bei "Recht auf Leben" und "Recht auf Privatsphäre" die Grenzen zieht. Wenn das so weit gedehnt wird, könnte man dann nicht im Prinzip alles, was nicht direkt dem Gemeinwohl dient einklagen? Wo ziehen sie die Grenze? Ohne diese Erklärungen wirkt es weiterhin arg politisch auf mich...
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FACTS
12.04.2024 08:42registriert April 2020
Eher schwaches Interview. So hatte der EGMR entgegen dem Artikel die Anwendbarkeit von Art. 2 EMRK (Recht auf Leben) gerade abgelehnt und nur die Berufung auf das Recht auf Privatleben (EMRK) zugelassen. Und die zentrale Frage, wie der EGMR von dieser Bestimmung den weiten Bogen zu den verfehlten Klimazielen der Schweiz geschlagen hat, wird auch kaum erläutert, zumal der EGMR lediglich zusttändig ist, eine Verletzung der EGMR selbst festzustellen, sich hier aber weit darüberhinausgehende Kompetenzen anmasst, die kaum mehr durch den Vertragstext gedeckt sind.
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Schneider Alex
12.04.2024 09:08registriert Februar 2014
Kaum sind die Freudentränen der Klimagrosis getrocknet, wirkt das Urteil aus Strassburg bereits auf den Gesetzgebungsprozess in Bundesbern ein. Der Entscheid des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), den Verein der Klimaseniorinnen als Beschwerdeführer überhaupt zuzulassen, könnte bereits am Donnerstag erste Auswirkungen haben. Bürgerliche Mitglieder der nationalrätlichen Rechtskommission zeigen sich fest entschlossen, sich weiterhin gegen die Einführung von Sammelklagen in der Schweiz zu stellen. Jetzt – nach dem Urteil des EGMR – erst recht.
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