Schweiz
Justiz

Bundesgerichtspräsident äussert sich abfällig über Richterkollegin

«Eine Magersüchtige»: Oberster Richter äussert sich abfällig über Richterkollegin

10.06.2020, 22:0410.06.2020, 22:40
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Ausgerechnet am Rande einer Untersuchung wegen mutmasslichem Mobbing und Sexismus am Bundesstrafgericht hat sich Bundesgerichtspräsident und Aufsichts-Mitglied Ulrich Meyer abfällig über eine Bundesstrafrichterin geäussert. Dieser bedauerte den Vorfall.

Am Mittwoch machte die SRF-TV-Sendung «Rundschau» eine Audioaufnahme publik, in der sich der Präsident des höchsten Schweizer Gerichts negativ über die abwesende Bundesstrafrichterin geäussert hatte. Die Frau «quassle», habe «einen giftigen Blick», sei «eine Magersüchtige», und er könne «sie nicht länger als zwei Sekunden anschauen», sagte der 66-jährige Meyer demnach.

Le President du Tribunal federal Ulrich Meyer parle lors d'une conference de presse commune du Tribunal federal, du Tribunal penal federal, du Tribunal administratif federal et du Tribunal federa ...
Bundesgerichtspräsident Ulrich Meyer hat sich abfällig über eine Bundesstrafrichterin geäussert.Bild: KEYSTONE

Das Bundesgericht teilte in einer Stellungnahme mit, Meyer habe die Aussagen im engsten Personenkreis gemacht, und er bedauere diese. Der Bundesgerichtspräsident bat den Angaben zufolge bei der betreffenden Richterin «in aller Form» um Entschuldigung.

Meyer erklärte in einem online publizierten Interview mit den Tamedia-Zeitungen, dass kein Mensch ohne Fehler sei, das gelte auch für ihn. Die Äusserungen seien im Anschluss an eine Einvernahme eines anderen Bundesstrafrichters gemacht worden, während dieser kurz den Saal verlassen habe. Die Aussagen seien aufgenommen worden, weil alle Einvernahmen zwecks späterer Protokollierung aufgezeichnet würden. Die Aufzeichnung sei in der Pause unabsichtlich weitergelaufen. Wer diese an das Fernsehen weitergegeben habe, sei nicht bekannt.

Die Verwaltungskommission des Bundesgerichts hatte im Frühjahr mutmassliche Missstände am Bundesstrafgericht in Bellinzona untersucht. Medien hatten zuvor unter Berufung auf Insider von Machtkämpfen, Günstlingswirtschaft, Spesenexzessen, Mobbing und Sexismus berichtet. Die Verwaltungskommission des Bundesgerichts, der unter anderem Bundesgerichtspräsident Meyer angehört, eröffnete Anfang Januar ein aufsichtsrechtliches Verfahren.

Der im April veröffentlichte Untersuchungsbericht kam zum Schluss, dass es in der Vergangenheit am Bundesstrafgericht zu mehreren zweifelhaften Vorfällen gekommen war. Das Bundesgericht empfahl als härteste Folge die Entlassung der Generalsekretärin. (sda)

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15 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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gesetzesbecher
10.06.2020 23:38registriert Juli 2016
Absolut inakzeptables Verhalten für den Präsidenten des höchsten Gerichts der Schweiz. Ein sofortiger Rücktritt ist die einzige Option.


Und nein, Herr Meyer, mit einem Entschuldigungsschreiben an die Person ist das Fehlverhalten nicht aus der Welt geschafft. Wenn Entschuldigungen alles Fehlverhalten ungeschehen machen würden, bräuchten wir gar keine Richter mehr.
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c_meier
11.06.2020 05:29registriert März 2015
ich denke mit 66 Jahren ist es Zeit definitiv zurückzutreten.
merci
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Einstürzende_Altbauten *
11.06.2020 07:01registriert Dezember 2014
"Das Bundesgericht teilte in einer Stellungnahme mit, Meyer habe die Aussagen im engsten Personenkreis gemacht..."

Ich verstehe das nicht. Ist die Aussage weniger schlimm, wenn sie im engsten Personenkreis gemacht wird oder wie soll ich das interpretieren?

Seine Gesinnung bleibt doch die gleiche.

Ich bin entsetzt und wünsche mir, dass solche Menschen keine Anstellung in einem Bundesbetrieb erhalten, niemals, egal welche Stufe.
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