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Diese Strafe droht der mutmasslichen Täterin (14) von Berikon

Ein Teddybaer liegt neben Blumen und Kerzen bei einer Gedenkstaette an einem Waldrand in der Naehe des Schutzenhaus Berikon, am Dienstag, 13. Mai 2025 in Berikon AG. Eine 14-Jaehrige soll am Sonntagna ...
Ein Teddybär liegt neben Blumen und Kerzen bei einer Gedenkstätte an einem Waldrand in der Nähe des Schützenhaus Berikon.Bild: keystone

Mädchen tötet Mädchen: Diese Strafe droht der mutmasslichen Täterin (14) von Berikon

Das tragische Tötungsdelikt im Aargau befeuert die Debatte um ein schärferes Jugendstrafrecht. Welche Höchststrafe ist bei Minderjährigen möglich – und ist das genug? 6 Fragen und Antworten.
13.05.2025, 16:1713.05.2025, 18:22
Lea Hartmann / ch media
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Warum werden Jugendliche anders bestraft als Erwachsene?

Während bei erwachsenen Straftätern die Bestrafung und Resozialisierung im Vordergrund stehen, hat das Jugendstrafrecht vor allem zwei Ziele: den Schutz und die Erziehung von Kindern und Jugendlichen.

Der Grund dafür sei, dass Persönlichkeit und Gehirn bei Jugendlichen noch nicht fertig entwickelt sind, sagt Gian Ege, Assistenzprofessor für Strafrecht an der Uni Zürich. Durch Sanktionen und Massnahmen wird versucht, die Jugendlichen auf die rechte Bahn zu lenken.

Wie sehen diese Sanktionen und Massnahmen aus?

Am häufigsten werden jugendliche Straftäterinnen und Straftäter zu einer sogenannten persönlichen Leistung verurteilt. Das heisst, sie müssen einen gemeinnützigen Arbeitseinsatz leisten, der je nach Alter maximal drei Monate dauert. Bei über 15-Jährigen sind zudem Bussen möglich und Gefängnisstrafen. Teilweise bleibt es aber auch bei einem Verweis.

Daneben kann die Justiz verschiedene Schutzmassnahmen aussprechen. Das geht von der Aufsicht der Eltern bis hin zu einer stationären Therapie in einer geschlossenen Einrichtung. Auch Rayon- und Kontaktverbote sind möglich.

Die Kreisschule Mutschellen, aufgenommen am Dienstag, 13. Mai 2025 in Berikon AG. Eine 14-Jaehrige soll am Sonntagnachmittag in Berikon AG eine 15-Jaehrige getoetet haben. Sie fuegte dem Opfer gemaess ...
Die Kreisschule Mutschellen, wo eines der beiden Mädchen zur Schule ging.Bild: keystone

Ab welchem Alter kann ein Kind bestraft werden?

Das Jugendstrafrecht gilt für Kinder ab 10 Jahren. Vorher sind Kinder nicht strafmündig. Begeht ein jüngeres Kind eine Straftat, kann die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) Massnahmen anordnen.

Welche Strafe droht der mutmasslichen Täterin (14) von Berikon?

Da das Mädchen noch nicht 15 Jahre alt ist, ist die höchstmögliche Strafe im Falle einer Verurteilung ein maximal zehntägiger Arbeitseinsatz, sagt Jugendstrafrechtsexperte Gian Ege. «Sollte sich zeigen, dass eine Entwicklungsstörung oder eine psychische Erkrankung vorliegt und eine Rückfallgefahr besteht, ist zudem eine Schutzmassnahme möglich», sagt er. Diese kann bis zum 25. Geburtstag der Täterin dauern.

Was passiert jetzt mit dem Mädchen?

Generell gilt: Obwohl eine Gefängnisstrafe erst ab 15 Jahren erlaubt ist, können schon Kinder ab 10 Jahren in Untersuchungshaft genommen werden, sagt Gian Ege. Voraussetzung dafür wären ein dringender Tatverdacht sowie beispielsweise Wiederholungs- oder Fluchtgefahr. Ebenfalls denkbar wäre, dass das Mädchen stationär platziert wird, um abzuklären, ob es eine Schutzmassnahme braucht.

Bald tritt eine Verschärfung des Jugendstrafrechts in Kraft. Was ändert sich?

Das Parlament hat beschlossen, dass künftig auch verurteilte Jugendliche nach Absitzen einer Strafe verwahrt werden können. Die Verwahrung ist möglich bei Jugendlichen, die im Alter zwischen 16 und 18 einen Mord begangen haben und bei denen ernsthafte Gefahr besteht, dass sie erneut morden. Die neue Bestimmung tritt am 1. Juli in Kraft.

Für den Moment dürfte der neue Gesetzesartikel aber toter Buchstabe bleiben, sagt Gian Ege. Denn die Voraussetzungen seien so formuliert, dass sie gar nie erfüllt sein könnten. Auch andere Juristen halten die Verschärfung für nicht umsetzbar.

Und nun?

Das mutmassliche Tötungsdelikt in Berikon AG wird die Diskussion um eine Verschärfung des Jugendstrafrechts erneut anheizen. Die Zürcher SVP-Nationalrätin Nina Fehr Düsel fordert in einem Vorstoss höhere Maximalstrafen für jugendliche Straftäter. Der Nationalrat hat ihn eben erst – wenn auch knapp – angenommen.

Nina Fehr Duesel, SVP-ZH, stellt eine Frage, an der Sondersession des Nationalrats, am Montag, 5. Mai 2025 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)
SVP-Nationalrätin Nina Fehr Düsel.Bild: keystone

Fehr Düsel, selbst Juristin, will beispielsweise, dass 16-Jährige zu bis zu sechs statt vier Jahren Gefängnis verurteilt werden können und sie in besonders schweren Fällen nicht nach Jugend-, sondern Erwachsenenstrafrecht beurteilt werden. Fachpersonen wie Gian Ege sehen die Forderungen kritisch. «Die Erhöhung der Höchststrafen wirkt auf Jugendliche kaum abschreckend», sagt er. Das zeigten Untersuchungen.

Die SVP-Politikerin hingegen findet, dass sich die Strafen auch im Jugendstrafrecht stärker an der Schwere einer Tat orientieren müssen: «Der Fall Berikon zeigt, dass wir für besonders schwere Fälle eine bessere Handhabe brauchen.» Resozialisierung wie auch Abschreckung seien wichtig.

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Simon85
13.05.2025 16:45registriert Oktober 2020
10 Tage Arbeitseinsatz für ein Menschenleben, finde den Fehler. Mord ist Mord und gehört bestraft, egal ob jemand 14,15, 30 oder 60 Jahre alt ist. Mit 14 weiss man auch, dass man niemanden töten darf.
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ABWESEND
13.05.2025 17:00registriert September 2024
da stirbt ein Mensch, Familie und Bekannte leiden unter diesem Verlust.

da ist eine 10-tägige Strafe doch einfach nur noch blanker Hohn.

man kann ja bei kleinen Delikten mit Jugendlichen anders verfahren. aber kommt schon bei einem Tötungsdelikt sind die 10 Tage gemeinnützige Arbeit lächerlich.
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Chalbsbratwurst
13.05.2025 16:40registriert Juli 2020
Zitat Gian Ege: «Die Erhöhung der Höchststrafen wirkt auf Jugendliche kaum abschreckend»

Das evtl. nicht aber denkt auch mal an die Angehörigen der Opfer! Die erwarten eine angemessene Strafe für den Täter.

Wenn der Täter wie in diesem Fall mit ein paar Sozialstunden davon kommt ist das für die Hinterbliebenen wie ein Schlag ins Gesicht. Auch die Chance das einem Angehörigen eine Sicherung durch brennt und er zu Selbstjustiz greifft steigt dadurch gefährlich an.

Mord und Todschlag darf nicht mit ein paar Sozialstunden abgegolten werden auch wenn der Täter erst 12 ist!
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