Es gab Zeiten, da warben Schweizer Banken auf Plakaten mit Geldkoffern, um ausländische Kundschaft anzuwerben. 50 Jahre ist das her. Besonders Deutsche brachten ihre Ersparnisse gerne in die Schweiz – und verschwiegen dies oft dem Fiskus. Jahrzehntelang war der Geldtourismus quasi eine deutsch-schweizerische Errungenschaft. Von einem «kleinen Grenzverkehr der Sparfüchse und Gierlappen» schrieb der «Spiegel» deswegen einmal.
Heute soll das alles Geschichte sein. Das Bankgeheimnis für ausländische Kunden ist gefallen, dank des automatischen Informationsaustausches können die Behörden auf Kontodaten zugreifen und Banken sollen nur noch ausländisches Geld annehmen, das nachweislich versteuert worden ist. Das Zeitalter des Geldtourismus ist vorbei.
Oder doch nicht? Neue Zahlen aus Deutschland geben Anlass zu Zweifeln. Die einen stammen vom Hauptzollamt Singen, das den Bereich zwischen Bodensee und Bad Säckingen am Hochrhein bewacht.
Im vergangenen Jahr stiessen die Zöllner auf 10.8 Millionen Euro Bargeld, das illegal über die Grenze gebracht werden sollte. Fünfmal mehr als 2017 und so viel wie seit fünf Jahren nicht mehr. Wer an einer EU-Aussengrenze mehr als 10'000 Euro dabei hat, muss dies beim Zoll anmelden. Neben Bargeld gilt die Deklarationspflicht auch für Wertschriften, Goldmünzen und Checks.
Barmittel nicht anzumelden, ist keine gute Idee. Fliegen solche Verstösse auf, werden sie mit einer Busse von 25 Prozent des mitgeführten Geldwerts geahndet. Handelt es sich um unversteuertes Vermögen, droht zudem ein Strafverfahren. 2017 zählte der deutsche Zoll insgesamt 24'000 Barmittelanmeldungen. Gesamtwert: 47 Milliarden Euro. Neuere konsolidierte Zahlen liegen noch nicht vor.
Ebenfalls bemerkenswert aus Schweizer Sicht sind Daten, die das deutsche Finanzministerium nun erstmals offengelegt hat. Ein FDP-Abgeordneter im Bundestag wollte mittels Vorstoss wissen, welche grössere Summen Deutschland in Cash verlassen und in welche Länder diese gehen. Das Ministerium präsentierte eine Liste mit den sieben umfangreichsten angemeldeten Bargeldtransfers in den vergangenen zwölf Monaten. Sie zeigt: Es werden beträchtliche Summen transportiert – vor allem in die Schweiz.
Zwar landete die höchste Bargeldsumme mit 127 Millionen Euro in Liechtenstein. Doch die sechs weiteren Transporte, die auf der Liste verzeichnet sind, gingen allesamt in die Schweiz. Der Zoll registrierte Bargeldtransporte mit stolzen Summen zwischen 75 und 99.5 Millionen Euro.
Laut deutschem Finanzministerium handelt es sich bei den grössten Bargeldtransfers über die Grenze ausschliesslich um Geldbewegungen zwischen Kreditinstituten. In wessen Auftrag die Fahrten jeweils erfolgt sind, bleibt offen. Das Ministerium hat weder «Erkenntnisse über einzelne Transaktionen» noch «Informationen über die Weitergabe der Gelder».
Deutsche Zöllner stossen an der Grenze zur Schweiz zwar immer wieder auf illegales Bargeld. Doch trotz mengenmässigem Anstieg hat der Zoll deutlich weniger Bargeldschmuggelfälle bei den deutschen Steuerbehörden angezeigt. 2018 erstattete er deswegen 209 Meldungen, im Jahr 2014 waren es noch über 1000 gewesen. Massgeblich für den Rückgang, glaubt das Hauptzollamt Singen, «ist der Umstand, dass die Schweizer Banken zu Beginn des Jahres 2015 ihre sogenannte Weissgeldstrategie umgesetzt haben».
Die Schweiz kennt übrigens keine Deklarationspflicht für Bargeldtransfers. Nur wer am Zoll danach gefragt wird, muss Auskunft darüber geben, ob und wenn ja warum er Vermögenswerte von mehr als 10'000 Franken mit sich führt. (aargauerzeitung.ch)