Wenn es im Restaurant ans Bezahlen geht, kommt die Bedienung vielfach direkt mit dem Kreditkartengerät. Im Supermarkt werden auch kleine Beträge mit Karten beglichen, dasselbe geschieht in Autowerkstätten. Bargeld ist out, so scheint es.
Falsch, sagen jedoch die Autoren einer Studie des britischen Unternehmens G4S. Ganz im Gegenteil wachse global gesehen der Bedarf an Bargeld, meinen sie. Insgesamt wurden 47 Länder untersucht. Sie repräsentierten 75 Prozent der Weltbevölkerung, schreiben die Autoren.
Laut der Untersuchung stieg der Anteil des Bargeldumlaufs am Bruttoinlandprodukt (BIP) der betrachteten Länder von 8.1 Prozent 2011 auf zuletzt 9.6 Prozent. Auch absolut wachse das Geldvolumen; Bargeld bleibe das weitaus beliebteste Zahlungsmittel in der Welt.
Die Schweiz gehört nicht zu den untersuchten Ländern. Aus anderen Quellen ergibt sich aber ein Anteil von gut 11 Prozent. Dies dürfte nach Meinung von Fachleuten nicht zuletzt mit den Tausendernoten zu tun haben, die – besonders seit der Finanzkrise – in Banktresoren als Rückversicherung gehortet werden. Sie sind vieler Schweizer liebstes Kind: 62 Prozent beträgt ihr Wertanteil an den umlaufenden Banknoten.
Auch im Ausland sind die Kostbarkeiten aus Papier beliebt, und dies nicht nur bei den gerne ins Feld geführten Steuerhinterziehern: Die Wahrung der Privatsphäre reicht viel weiter. Die leichte Ausgabenkontrolle und Handhabung sind weitere Pluspunkte von Bargeld. In anderen Ländern werden Münzen und Scheine indes viel stärker zum Bezahlen genutzt, so in Lateinamerika, wo nach den Angaben von G4S weniger als die Hälfte der Leute ein Bankkonto besitzt und noch weniger eine Kreditkarte.
Kein Zweifel besteht darin, dass in den Industriestaaten der Griff ins Portemonnaie immer seltener getätigt wird. Kredit- und Debitkarten, Zahlungen mit dem Smartphone und seit neuestem mit Kryptowährungen sind auf dem Vormarsch.
In der Schweiz sind die Bargeld-Umsätze im stationären Handel seit der Jahrtausendwende von 75 auf 53 Prozent eingebrochen. Das entspricht dem Niveau in Deutschland. Aber trotz dem Trommelwirbel von Banken und Kartenunternehmen gilt bis auf Weiteres, was Fritz Zurbrügg, Direktoriumsmitglied der Nationalbank (SNB), Mitte 2017 in der Zeitschrift «Die Volkswirtschaft» schrieb: «Die vollständige Verdrängung des Bargelds scheint unwahrscheinlich.»
So gesehen bilden Länder wie Schweden und Südkorea, in denen nur noch selten bar bezahlt wird, die grossen Ausnahmen. Ironischerweise wurden ausgerechnet in dem skandinavischen Land 1661 die ersten Banknoten Europas ausgegeben. Offenbar bleibt die bargeldlose Gesellschaft vorerst ebenso ein Trugbild wie das papierlose Büro. Dazu passt, dass es in erster Linie Banker wie der ehemalige Deutsche-Bank-Chef John Cryan sind, die das baldige Ende des traditionellen Bezahlens vorhersagen – und herbeiwünschen.
Die Firma, welche die Studie herausgab, ist börsennotiert und in rund 90 Ländern aktiv. G4S bezeichnet sich als weltgrösster Dienstleister für Sicherheitsfragen, vom staatlich konzessionierten Betrieb von Gefängnissen über Wachdienste bis zur Technik des Bargeldmanagements von Firmen. Insofern flossen in die Studie wohl auch Eigeninteressen.
Doch trotzdem: Es wird geschätzt, dass immer noch mehr als zwei Milliarden Menschen auf der Welt keinen Zugang zu modernen Bankdienstleistungen besitzen. Für die Autoren ist daher Bargeld geradezu ein Akt von «financial inclusion» im Wirtschaftsleben. Sie verweisen auf den Fahrdienst Uber, der ein «exponentielles Wachstum» verzeichnete, als er in Afrika, Südamerika und Asien eine Cash-Option einführte.
Aber auch sonst hängen die Menschen an Münzen und Scheinen. In 18 von 24 untersuchten Ländern, die über Daten zur Bargeldverwendung im täglichen Leben verfügen, werden Zahlungen mehrheitlich auf diese Weise getätigt. In Europa beträgt der Anteil 60 Prozent. Dagegen dient in Nordamerika Bargeld im Wesentlichen nur noch für das Zahlen von Kleinbeträgen unter 25 Dollar.
Überhaupt zeigen sich grosse regionale Unterschiede. So betonen die Autoren der Studie, dass in vielen Ländern Asiens die Kunden bei mehr als 75 Prozent ihrer Online-Käufe die Option «Barzahlung bei Lieferung» wählen. Mittelfristig glauben sie, dass neben den modernen Zahlungsformen auch Cash durchaus eine Zukunft habe. Der Druck vieler Regierungen in Richtung bargeldlose Gesellschaft sei jedoch unübersehbar. (aargauerzeitung.ch)