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Wie weiter mit dem Schutzstatus S? Die 6 wichtigsten Antworten

Bundesraetin Karin Keller-Sutter, Mitte, spricht an der Seite von Alt-Staenderat Roland Eberle, links, und Nationalrat Kurt Fluri, rechts, kurz vor des Erstes Treffen der Evaluationsgruppe Status S, a ...
Bundesrätin Karin Keller-Sutter am Donnerstag in Bern. Bild: keystone

Wie weiter mit dem Schutzstatus S? Die 6 wichtigsten Fragen und Antworten

Welche Erfahrungen wurden mit dem Schutzstatus S gemacht? Wie soll es weitergehen? Um diese Fragen zu klären, hat Bundesrätin Karin Keller-Sutter eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Das Wichtigste dazu in 6 Punkten.
08.07.2022, 05:3508.07.2022, 14:31
Corsin Manser
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Was ist der Schutzstatus S schon wieder?

Rufen wir uns nochmals schnell das Wichtigste in Erinnerung. Den Schutzstatus S gibt es eigentlich schon eine ganze Weile. Eingeführt wurde er bereits im Jahr 1998 als Reaktion auf die Fluchtbewegungen aus dem Balkan. Erstmals aktiviert wurde er allerdings erst im März 2022 nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine.

Seither können Schutzsuchende aus der Ukraine nach einer kurzen Befragung den Ausweis «S» erlangen. Die geflüchteten Personen dürfen damit in der Schweiz bleiben, arbeiten und haben Anspruch auf Asylfürsorge.

Okay. Und wie viele Personen haben den Schutzstatus S beantragt?

Das sind ziemlich viele. Bis am 7. Juli haben gemäss Staatssekretariat für Migration (SEM) 58'847 Personen einen S-Ausweis beantragt. Erhalten haben ihn 56'908. Die Zahl der Anträge ist jedoch stark zurückgegangen. Zu Spitzenzeiten waren es 1800 Gesuche pro Tag, jetzt sind es noch rund 100.

Die Anträge sind also rückläufig. Zudem kehren auch Ukrainerinnen in ihr Heimatland zurück. «Das ist jedoch nur eine Momentaufnahme», sagte Bundesrätin Karin Keller-Sutter am Donnerstag vor den Medien. Alles könne sich schnell ändern, wenn Wladimir Putin zum Beispiel plötzlich die ganze Ukraine angreifen würde. Nur Putin wisse, was folgen werde, so die Justiz-Ministerin. «Er hat es in der Hand, diesen Krieg zu beenden.»

Wofür hat Karin Keller-Sutter eine Arbeitsgruppe eingesetzt?

Die Arbeitsgruppe soll die bisher gemachten Erfahrungen mit dem Schutzstatus S in einem Bericht festhalten und Bilanz ziehen. Dafür will sie Gespräche mit den Kantonen und den Gemeinden führen. Die Justizministerin will unter anderem geklärt haben, ob mit dem Schutzstatus S der reguläre Asylprozess beeinträchtigt wurde. Es soll auch geprüft werden, ob es gesetzliche Anpassungen braucht oder ob der Bundesrat weiterhin so viel Gestaltungsfreiheit haben soll.

Mithilfe des Berichts soll der Bundesrat entscheiden können, wie es weitergeht mit dem Schutzstatus S. Der definitive Bericht soll bis Juni 2023 erscheinen. Noch für dieses Jahr ist ein Zwischenbericht geplant.

Wer sitzt in dieser Arbeitsgruppe?

Geleitet wird die Gruppe von alt Regierungsrat Urs Hofmann (AG/SP). Mit dabei sind auch alt Ständerat Roland Eberle (SVP/ZG), Nationalrat Kurt Fluri (FDP/SO), alt Staatsrat Paolo Beltraminelli (Mitte/TI), alt Staatsrätin Béatrice Métraux (Grüne/VD), der ehemalige Staatssekretär Mario Gattiker sowie die Staatssekretärin für Migration, Christine Schraner Burgener.

Am Donnerstag haben sie in Bern das erste Mal getagt. Alle Mitglieder hätten «grosse Erfahrungen im Bereich der Migration», sagte Hofmann.

Alt-Regierungsrat Urs Hoffmann, links, und Bundesraetin Karin Keller-Sutter, rechts, sprechen kurz vor des Erstes Treffen der Evaluationsgruppe Status S, am Donnerstag, 7. Juli 2022, im Bernerhof, in  ...
Urs Hofmann tauscht sich mit Karin Keller-Sutter aus.Bild: keystone

Wann verlieren die Ukrainer den Schutzstatus S?

Der Ausweis «S» ist auf ein Jahr befristet, kann aber verlängert werden. Da viele Ukrainer den Schutzstatus S im März 2022 erlangt haben, muss der Bundesrat bis spätestens März 2023 entscheiden, wie es weitergeht. Deswegen will Keller-Sutter schon bald eine erste Bilanz ziehen und hat einen Zwischenbericht noch für dieses Jahr verlangt. «Es kann nicht sein, dass wir warten, bis der Schutzstatus S allfällig widerrufen ist», sagte sie am Donnerstag. «Es ist wichtig, dass wir die Erfahrungen laufend auswerten.»

A woman from Ukraine reacts as she receives a hug after her arrival with her mother at Zurich's central station, following Russia's invasion of Ukraine, in Zurich, Switzerland on March 9, 20 ...
Ukrainische Flüchtlinge kommen im März 2022 im Hauptbahnhof Zürich an. Ihr Ausweis S ist aktuell nur bis März 2023 gültig.Bild: keystone

Das Gesetz sieht vor, dass sie geflüchteten Personen die Schweiz wieder verlassen, sobald der Krieg vorbei ist. Die Vorbereitungen zur Auflösung des «Status S» würden bereits laufen, sagte Keller-Sutter. Sie habe dafür vor zwei Wochen beim (SEM) ein separates Projekt in Auftrag gegeben. Die Auflösung des Status S sei ein «komplexes» Thema, deshalb könne man mit den Vorbereitungen nicht warten, bis kurz vor dem Entscheid. Es gebe zahlreiche koordinatorische und logistische Fragen, man müsse «diese Szenarien jetzt entwickeln». Wann der Schutzstatus S aufgehoben wird, kann derzeit nicht gesagt werden. Das ist vom Kriegsverlauf abhängig.

Gibt es Kritik am Schutzstatus S?

Ja, die gibt es durchaus. Die SVP fordert etwa, dass der Status «S» nicht mehr «blindlings» vergeben werde. Die Kosten für den Bund, die Gemeinden und die Kantone seien «enorm». Zudem hätten bereits mindestens 1000 Personen einen Status S erhalten, die keinen ukrainischen Pass besitzen würden, so die SVP. «Darunter Afghanen, Iraker, Nigerianer und Algerier.» Man müsse den Status regelmässig überprüfen und anpassen, meint die SVP und schlägt vor, dass man einzelne Regionen der Ukraine wieder für sicher erklären könnte.

Dann gab es auch Stimmen, die zwar nicht den Schutzstatus S infrage stellten, aber eine Anpassung des Asylrechts forderten. So wurde etwa kritisiert, dass Personen mit Schutzstatus S mehr Freiheiten haben als vorläufig Aufgenommene mit dem Status F. Wenn jemand aus Afghanistan in die Schweiz flüchtet, gelten für ihn andere Regeln, als wenn er aus der Ukraine kommt.

So sagte etwa die Sozialwissenschaftlerin Gülcan Akkaya im watson-Interview: «Es ist nicht richtig, dass diese Menschen so ungleich behandelt werden. Egal ob jemand aus Syrien, Afghanistan oder der Ukraine kommt: Alle Menschen sollten denselben Schutz bekommen. Diese Ungleichbehandlung führt auch in der Praxis zu Irritationen.»

Urs Hofmann erwähnte die «Kritik der Ungleichbehandlung» am Donnerstag ebenfalls und sagte, dass dies eine Frage sei, die man jetzt anschauen müsse. Auch die Kosten, von der die SVP gewarnt hat, werden im Bericht ein Thema sein.

Die Evaluationsgruppe macht sich nach den Sommerferien an die Arbeit. «Wir werden Ende August, Anfang September mit intensiven Anhörungen der betroffenen Kreise beginnen», verkündete Hofmann.

Video zeigt, wie Russland ganze Städte dem Erdboden gleich macht

Video: watson/Aya Baalbaki
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26 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Drachäfudi
08.07.2022 08:38registriert Oktober 2019
Die Kantone rechnen mittlerweile mit 100'000 Flüchtenden aus der Ukraine bis März 2023. Dann sind auch die Möglichkeiten der Unterbringung langsam erschöpft und es muss auf weniger komfortable Lösungen zurückgegriffen werden. Auch führt der Krieg in der Ukraine zu einer Zunahme anderer Flüchtlingsströme aus ärmeren arabischen oder afrikanischen Ländern. Da kommt also definitiv noch was auf uns zu. Ich bezweifle, dass die Solidarität der Schweizer Bevölkerung bis dahin gleichbleibend hoch ist...
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Nummy33
08.07.2022 08:16registriert April 2022
leider haben auch Ukrainer/innen aus Ländern wie Italien oder Deutschland Status S bekommen.
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