Rufen wir uns nochmals schnell das Wichtigste in Erinnerung. Den Schutzstatus S gibt es eigentlich schon eine ganze Weile. Eingeführt wurde er bereits im Jahr 1998 als Reaktion auf die Fluchtbewegungen aus dem Balkan. Erstmals aktiviert wurde er allerdings erst im März 2022 nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine.
Seither können Schutzsuchende aus der Ukraine nach einer kurzen Befragung den Ausweis «S» erlangen. Die geflüchteten Personen dürfen damit in der Schweiz bleiben, arbeiten und haben Anspruch auf Asylfürsorge.
Das sind ziemlich viele. Bis am 7. Juli haben gemäss Staatssekretariat für Migration (SEM) 58'847 Personen einen S-Ausweis beantragt. Erhalten haben ihn 56'908. Die Zahl der Anträge ist jedoch stark zurückgegangen. Zu Spitzenzeiten waren es 1800 Gesuche pro Tag, jetzt sind es noch rund 100.
Donnerstag, 7. Juli - die aktuellen Zahlen zur ukrainischen Flüchtlingssituation in der Schweiz:
— SEM (@SEMIGRATION) July 7, 2022
58 847 Status-S-Anträge, davon haben 56 908 Personen den S-Status erhalten. #UkraineInfoCH pic.twitter.com/Kp9mSDitGB
Die Anträge sind also rückläufig. Zudem kehren auch Ukrainerinnen in ihr Heimatland zurück. «Das ist jedoch nur eine Momentaufnahme», sagte Bundesrätin Karin Keller-Sutter am Donnerstag vor den Medien. Alles könne sich schnell ändern, wenn Wladimir Putin zum Beispiel plötzlich die ganze Ukraine angreifen würde. Nur Putin wisse, was folgen werde, so die Justiz-Ministerin. «Er hat es in der Hand, diesen Krieg zu beenden.»
Die Arbeitsgruppe soll die bisher gemachten Erfahrungen mit dem Schutzstatus S in einem Bericht festhalten und Bilanz ziehen. Dafür will sie Gespräche mit den Kantonen und den Gemeinden führen. Die Justizministerin will unter anderem geklärt haben, ob mit dem Schutzstatus S der reguläre Asylprozess beeinträchtigt wurde. Es soll auch geprüft werden, ob es gesetzliche Anpassungen braucht oder ob der Bundesrat weiterhin so viel Gestaltungsfreiheit haben soll.
Mithilfe des Berichts soll der Bundesrat entscheiden können, wie es weitergeht mit dem Schutzstatus S. Der definitive Bericht soll bis Juni 2023 erscheinen. Noch für dieses Jahr ist ein Zwischenbericht geplant.
Geleitet wird die Gruppe von alt Regierungsrat Urs Hofmann (AG/SP). Mit dabei sind auch alt Ständerat Roland Eberle (SVP/ZG), Nationalrat Kurt Fluri (FDP/SO), alt Staatsrat Paolo Beltraminelli (Mitte/TI), alt Staatsrätin Béatrice Métraux (Grüne/VD), der ehemalige Staatssekretär Mario Gattiker sowie die Staatssekretärin für Migration, Christine Schraner Burgener.
Am Donnerstag haben sie in Bern das erste Mal getagt. Alle Mitglieder hätten «grosse Erfahrungen im Bereich der Migration», sagte Hofmann.
Der Ausweis «S» ist auf ein Jahr befristet, kann aber verlängert werden. Da viele Ukrainer den Schutzstatus S im März 2022 erlangt haben, muss der Bundesrat bis spätestens März 2023 entscheiden, wie es weitergeht. Deswegen will Keller-Sutter schon bald eine erste Bilanz ziehen und hat einen Zwischenbericht noch für dieses Jahr verlangt. «Es kann nicht sein, dass wir warten, bis der Schutzstatus S allfällig widerrufen ist», sagte sie am Donnerstag. «Es ist wichtig, dass wir die Erfahrungen laufend auswerten.»
Das Gesetz sieht vor, dass sie geflüchteten Personen die Schweiz wieder verlassen, sobald der Krieg vorbei ist. Die Vorbereitungen zur Auflösung des «Status S» würden bereits laufen, sagte Keller-Sutter. Sie habe dafür vor zwei Wochen beim (SEM) ein separates Projekt in Auftrag gegeben. Die Auflösung des Status S sei ein «komplexes» Thema, deshalb könne man mit den Vorbereitungen nicht warten, bis kurz vor dem Entscheid. Es gebe zahlreiche koordinatorische und logistische Fragen, man müsse «diese Szenarien jetzt entwickeln». Wann der Schutzstatus S aufgehoben wird, kann derzeit nicht gesagt werden. Das ist vom Kriegsverlauf abhängig.
Ja, die gibt es durchaus. Die SVP fordert etwa, dass der Status «S» nicht mehr «blindlings» vergeben werde. Die Kosten für den Bund, die Gemeinden und die Kantone seien «enorm». Zudem hätten bereits mindestens 1000 Personen einen Status S erhalten, die keinen ukrainischen Pass besitzen würden, so die SVP. «Darunter Afghanen, Iraker, Nigerianer und Algerier.» Man müsse den Status regelmässig überprüfen und anpassen, meint die SVP und schlägt vor, dass man einzelne Regionen der Ukraine wieder für sicher erklären könnte.
Die Bundeshausfraktion der SVP traf sich im Hinblick auf die Sommersession zu einer Sitzung in Basel. Dabei beschloss sie, in der Sommersession Vorstösse zur Vergabe des Schutzstatus S für ukrainische Kriegsvertriebene einzureichen.https://t.co/6LswEwG8tN pic.twitter.com/ggMhmHoyjF
— SVP Schweiz (@SVPch) May 20, 2022
Dann gab es auch Stimmen, die zwar nicht den Schutzstatus S infrage stellten, aber eine Anpassung des Asylrechts forderten. So wurde etwa kritisiert, dass Personen mit Schutzstatus S mehr Freiheiten haben als vorläufig Aufgenommene mit dem Status F. Wenn jemand aus Afghanistan in die Schweiz flüchtet, gelten für ihn andere Regeln, als wenn er aus der Ukraine kommt.
So sagte etwa die Sozialwissenschaftlerin Gülcan Akkaya im watson-Interview: «Es ist nicht richtig, dass diese Menschen so ungleich behandelt werden. Egal ob jemand aus Syrien, Afghanistan oder der Ukraine kommt: Alle Menschen sollten denselben Schutz bekommen. Diese Ungleichbehandlung führt auch in der Praxis zu Irritationen.»
Urs Hofmann erwähnte die «Kritik der Ungleichbehandlung» am Donnerstag ebenfalls und sagte, dass dies eine Frage sei, die man jetzt anschauen müsse. Auch die Kosten, von der die SVP gewarnt hat, werden im Bericht ein Thema sein.
Die Evaluationsgruppe macht sich nach den Sommerferien an die Arbeit. «Wir werden Ende August, Anfang September mit intensiven Anhörungen der betroffenen Kreise beginnen», verkündete Hofmann.