«Das ist der Rechtsstaat, wie er funktionieren muss» – für Stefan Blättler (65) ist es eine Selbstverständlichkeit, aber er wiederholt es trotzdem, auch an der Jahresmedienkonferenz in seinem dritten Amtsjahr als Bundesanwalt. Er sagt: «Auch in Zweifelsfällen klagen wir an.» Es ist dann am Gericht, über Schuld oder Unschuld zu entscheiden.
Unter seinem Vorgänger Michael Lauber war das nicht immer so klar. Da wurde manchmal mehr darauf geschaut, wie im Einzelfall die Erfolgsaussichten vor Gericht waren.
Klare Ansagen macht Blättler auch in Bezug auf «zeitgemässe Instrumente», die er brauche, um die schwere Kriminalität erfolgreich und effizient zu bekämpfen. Er widerspricht dabei offen und anscheinend ungerührt dem Bundesrat und dem Parlament.
Beispiel Kronzeugenregelung. «Bedauerlicherweise», schrieb Blättler in den Tätigkeitsbericht, habe sich «die Exekutive wiederum gegen die Einführung einer Kronzeugenregelung ausgesprochen». Das war letztes Jahr, als der Bundesrat das Postulat von Alex Farinelli (FDP, TI) «zur Einführung einer Regelung für Kronzeuginnen und Kronzeugen der Mafia» ablehnte.
Noch unter der seither zur Innenministerin mutierten Justiz- und Polizeiministerin Elisabeth Baume-Schneider (SP) beschied der Bundesrat dem Postulanten: «Letztlich käme es einer Kapitulation unseres Staates vor der Mafia gleich, wenn er sich Informationen durch Zusicherung von Straffreiheit genau jener Personen erkaufen müsste, die er eigentlich einer gerichtlichen und gerechten Beurteilung zuführen sollte.»
Blättler sprach es nicht aus, aber Strafverfolgern stehen die Haare zu Berge ob solcher Ausführungen. Die gefährlichsten kriminellen Strukturen lassen sich ohne Kronzeugen, die gegen ihre Mittäter aussagen, nicht wirklich bekämpfen, Drahtzieher und Bosse lassen sich oft nicht überführen. Sie bleiben oft sogar unentdeckt, gerade in der Schweiz.
Zudem erhielten Kronzeugen nicht Straffreiheit, wie der Bundesrat meint, sondern Strafrabatt. Vorgesehen wären sie nur in den Feldern «kriminelle Organisationen» und «Terror». Immerhin, so Blättler, habe die Rechtskommission des Ständerats nach seiner Intervention ein Postulat für eine Kronzeugenregelung überwiesen. Er gebe nicht auf, er werde sich in den politischen Gremien weiter dafür einsetzen. Hoffnung lastet jetzt auch auf dem neuen Justizminister Beat Jans (SP).
Nicht lockerlassen will der Bundesanwalt auch bei anderen Instrumenten: Bei einem besseren Schutz von Whistleblowern, höheren Bussen im Unternehmensstrafrecht (heute maximal 5 Millionen, was als lächerlich gilt) sowie der Einführung der Möglichkeit für Unternehmen, sich selbst anzuzeigen und einen Vergleich mit den Strafverfolgungsbehörden zu finden. Die Amerikaner nennen dies Deferred Prosecution Agreement (DPA), die Franzosen Convention judiciare d'interêt public (CJIP). Der Bundesanwalt hält im Tätigkeitsbericht fest, dass dieses Vergleichsverfahren «bedauerlicherweise» in der revidierten Strafprozessordnung keinen Eingang gefunden habe.
Vorgesehen sei, dass Unternehmen sich «zur Zahlung eines Betrags in Höhe der Geldbusse und zur Rückzahlung der unrechtmässig erzielten Gewinne verpflichten». Zudem sollen sie den verursachten Schaden wiedergutmachen und die Unternehmensstruktur so reformieren, dass eine Wiederholung des Verstosses nicht möglich wäre. Die Dauer der Verfahren würden dank solcher Instrumente verkürzt und effizienter, Ressourcen könnten anderswo eingesetzt werden, sagte im Gespräch auch Blättlers Stellvertreter Jacques Rayroud.
«Der Rechtsstaat, wie er funktionieren muss.» Blätter machte vor den Medien deutlich, dass er nicht im Sinn hat. zu schweigen, wenn er überzeugt ist, dass die Politik Instrumente zur Bekämpfung der Kriminalität und damit zum Schutz der Gesellschaft anpassen müsste. Erneut wies er auch darauf hin, dass die Bundeskriminalpolizei mehr Personal brauche. Die Ressourcen genügten nicht, um «die neuen Verfahren insbesondere im Bereich organisierte Kriminalität zu bewältigen».
So warf er auch die Frage auf, wie die Strafjustiz mit den teils minderjährigen Terrorverdächtigen umzugehen habe. Es sei in gewisser Hinsicht «ein Handicap», dass nicht die Bundesanwaltschaft, sondern die Jugendanwaltschaft für diese Personen zuständig sei, es geht um «Sanktions- und Sicherheitsfragen». Er habe kein fertiges Rezept, aber hier brauche es Antworten. Im Bereich Terror sind die Fallzahlen laut Tätigkeitsbericht letztes Jahr auf über 100 hängige Verfahren gestiegen; 21 (Vorjahr: 13) neue kamen dazu. Intensiv beschäftigt ist die Behörde auch mit Bancomatsprengungen: Ende 2023 liefen rund 80 Verfahren.
Über das ganze Spektrum hinweg hat die Bundesanwaltschaft letztes Jahr 318 (Vorjahr: 256) neue Strafuntersuchungen eröffnet. Erledigt wurden 849 (Vorjahr: 1146). 257 Vollzeitstellen (Vorjahr: 243) umfasste die Behörde Ende letzten Jahres. Ihr Globalbudget betrug 2023 83,1 Millionen Franken, wovon 56 Prozent Personalausgaben sind. (aargauerzeitung.ch/lyn)
Die Justiz braucht Möglichkeiten, um auch schwere Verbrechen verfolgen zu können.
Ihnen scheint nicht klar zu sein, dass die Bundesanwaltschaft lediglich als Feigenblatt der Schweiz da ist.
Die Schweiz als Hort jedwelches Kapital will vor allem eines: Ruhe
Die Schweiz kann man sich wie einen schönen Weiher mit Blümlein und Fröschen vorstellen, darunter die ganze Kloake an Kohle von jedwelchen zwielichtigen Personen und Organisationen.
Sie wollen doch diesen Frieden nicht stören, Herr Blättler? Denn die Kernaufgabe der Bundesanwaltschaft ist nicht ermitteln sondern verjähren.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.