Ricardo, Tutti und Co. am Pranger: Schweizer Secondhand-Start-up reicht Beschwerde ein
Eine mehrfach getragene Levis-Jeans für 18 Franken, eine Apple-Smartwatch fast wie neu oder zwei gebrauchte Essstühle für 60 Franken. Diese und viele weitere Artikel finden Kundinnen und Kunden auf der Secondhand-Plattform Marko. Das Start-up mit Sitz in Zürich ging vor zwei Jahren an den Start. «Inzwischen haben wir fast eine halbe Million Artikel online, zählen 15 Angestellte und in den letzten 12 Monaten war Marko die meistheruntergeladene Secondhand-App in der Schweiz», sagt Co-Gründer und Geschäftsführer Alexander Sutter.
Damit steht Marko in direktem Wettbewerb mit der Plattform Ricardo, die seit vier Jahren Teil der Swiss Marketplace Group (SMG) ist. Die SMG ist ein Joint-Venture der Medienhäuser TX Group und Ringier, sowie der Mobiliar und der US-Investmentfirma General Atlantic. Ihr Geschäft ist jenes mit Kleinanzeigen, von Autos, über Möbel bis zu Lingerie. Denn nebst Ricardo ist die SMG auch bekannt für die Online-Plattformen Homegate, Immoscout 24, Autoscout 24, Tutti, Moneyland und Anibis.
Seit dem Zusammenschluss all dieser Plattformen im Jahr 2021 hat sich laut Sutter viel geändert. «Seitdem Ricardo, Tutti und Anibis unter demselben Dach sind, kontrollieren sie praktisch den gesamten Secondhand-Onlinemarkt.» Als Folge würden Wettbewerber ausgeschlossen – so Sutters Vorwurf. «Wir sind der Meinung, dass die SMG, insbesondere mit ihren drei Secondhand-Marktplätzen Ricardo, Tutti und Anibis, ihre marktbeherrschende Stellung unfair ausnutzt und gegen das Kartellgesetz verstosst.» Deshalb habe er bei der Wettbewerbskommission (Weko) vor drei Monaten eine Beschwerde eingereicht. Der Zeitpunkt ist pikant. Denn diesen Freitag geht die SMG-Gruppe an die Börse.
Gebühr bei Ricardo-Verkäufen
Konkret werden laut Sutter Kundinnen und Kunden, die ihre gebrauchten Turnschuhe oder Shirts beispielsweise auf Tutti inserieren, seit vergangenem Jahr darauf hingewiesen, dass sie mit nur einem Klick ihre Annonce auch auf Ricardo platzieren können. Zudem erscheinen Ricardo-Inserate auch auf Anibis und Tutti, zum Beispiel in den Suchresultaten oder als Empfehlungen.
Das Ziel ist es, die Nutzer und Transaktionen der verschiedenen Plattformen auf Ricardo zu konzentrieren. Denn während auf Anibis und Tutti viele Verkäufe von den Inserenten privat abgewickelt werden, zwackt die SMG bei Käufen via Ricardo eine Gebühr ab. Und diese wurde seit dem Zusammenschluss zur SMG schon mehrere Male erhöht.
«Anfang Jahr haben wir bei der SMG angefragt, ob eine solche Verlinkung auch für unseren Marktplatz möglich wäre», sagt Marko-Chef Sutter. Dabei habe man der SMG klar zu verstehen gegeben, dass man bereit wäre, dieselben Konditionen wie Ricardo dafür zu bezahlen. «Über Monate mussten wir um Antworten kämpfen, bis uns letztlich kommuniziert wurde, dass die SMG nicht beabsichtige, diese Funktion für Wettbewerber anzubieten», sagt Sutter.
Weko untersucht Marktmacht
Die SMG ist für die Weko kein Neuland. Sie geht der Frage nach der marktbeherrschenden Stellung bereits nach in Bezug auf die Immobilienplattformen der SMG, wie das Portal «Inside Paradeplatz» vergangene Woche berichtete. Man prüfe, ob dieses Angebot «eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung darstellt», sagt Weko-Vizedirektorin Carole Söhner-Bührer auf Anfrage. Entsprechende Ermittlungen sind am Laufen. Noch befindet sich das Verfahren in einem sogenannten «informellen Stadium».
Zudem haben Beschwerden zur Preissetzung der SMG zu einer Verfahrenseröffnung des Preisüberwachers geführt. Man kläre derzeit ab, ob die Preise von SMG gemäss Preisüberwachungsgesetz «für Immobilieninserate missbräuchlich» seien, sagt Sprecherin Jana Josty. Und ob diese in einem solchen Fall durch eine einvernehmliche Lösung oder eine Verfügung gesenkt werden könnten.
Wie die Weko auf die Marko-Beschwerde reagiert, verrät deren Sprecher Frank Stüssi auf Anfrage nicht. Doch er fügt an: «Wir haben bezüglich SMG mehrere Anzeigen erhalten.»
Der Facebook-Vergleich
Sutter sieht für seine Beschwerde derweil gute Chancen, auch weil er Parallelen zieht zu einem Fall auf internationalem Niveau. So gab der kalifornische Social-Media-Konzern Meta – bekannt für Facebook, Whatsapp und Instagram – Anfang Jahr bekannt, seinen bisher abgeschotteten «Facebook Marketplace» für konkurrierende Anbieter von Kleinanzeigen zu öffnen.
Diesen Schritt vollzog der von Mark Zuckerberg geführte Konzern allerdings erst, nachdem die EU im Herbst Meta eine Busse in der Höhe von rund 800 Millionen Euro auferlegt hatte. Denn die europäischen Wettbewerbshüter waren zum Schluss gekommen, dass Facebook den hauseigenen Marketplace rechtswidrig gegenüber der Konkurrenz bevorzugte.
Und was sagt die SMG zur Marko-Beschwerde? Man stehe regelmässig im Dialog mit den Behörden, darunter auch mit der Weko, sagt Sprecherin Roswitha Brunner. «Wir sind überzeugt, im Einklang mit allen geltenden Regeln zu handeln.» Zu möglichen individuellen Beschwerden von Wettbewerbern nehme man keine Stellung. (aargauerzeitung.ch)