Lebenslange Freiheitsstrafe oder Freispruch: das Regionalgericht in Thun muss im Fall eines Tötungsdelikts an einer jungen Baselbieterin ein nicht einfaches Urteil fällen. Die Frau wurde im Januar 2021 von einem ehemaligen Sex-Partner getötet und die Leiche im Thunersee versenkt.
Mit Kabelbindern an einen Baustellenklotz gefesselt, fanden Taucher die Frauenleiche am 17. Januar 2021 bei Gunten im Thunersee. Die Spur führte die Ermittler zu einem ehemaligen Sex-Partner der Frau. Nach seiner Verhaftung gestand der 39-jährige Baselbieter, die Frau an den Betonsockel gebunden und im Thunersee versenkt zu haben.
Zuvor habe er sie an einem abgelegenen Ort bei Münchenstein getroffen, in der Hoffnung auf Sex. Sie habe das aber abgelehnt. Er habe seinen Wagen abgestellt, worauf die Frau ausgestiegen und plötzlich gestürzt sei. Er habe bei ihr keinen Puls mehr gefühlt und sie für tot gehalten. Dabei sei er in Panik geraten und habe beschlossen, die Frauenleiche in einem Gewässer «zu entsorgen».
Der Mann habe seine sexuellen Gewaltphantasien mit seiner Bekannten ausleben wollen, diese habe jedoch abgelehnt. Es sei zum Streit gekommen, in dessen Verlauf der Mann ihr mit einem stumpfen, hammerähnlichen Gegenstand auf den Kopf geschlagen habe.
Die nicht tödlich verletzte Frau sei dann ein leichtes Opfer gewesen, gerade so wie die Frauen in den Gewaltporno-Filmen, die sich der Mann angeschaut hatte. «Er wollte sie sterben sehen», betonte die Staatsanwältin. Das habe ihn vermutlich erregt.
Der Angeklagte habe die Frau an Händen und Füssen mit Kabelbindern gefesselt, wogegen sie sich heftig gewehrt habe. Darauf deuteten entsprechende Abwehrverletzungen hin. Rund eine halbe Stunde später müsse er ihr auch einen Kabelbinder um den Hals gelegt und zugezogen haben. Dieser sei so angebracht gewesen, dass er der Frau während des Erstickens habe ins Gesicht sehen können.
Die Staatsanwältin forderte das Gericht auf, den Mann wegen Mordes, Störung des Totenfriedens, Pornographie und Gewaltdarstellungen zu einer lebenslangen Strafe zu verurteilen. Ausserdem sei eine ambulante therapeutische Massnahme im Strafvollzug angezeigt. Stelle sich der Angeklagte keiner Therapie, stehe die Frage einer Verwahrung im Raum.
Der Verteidiger des Angeklagten forderte das Gericht auf, dem Grundsatz «im Zweifel für den Angeklagten» nachzuleben. Es gebe «erhebliche Zweifel» an den Ausführungen der Staatsanwaltschaft.
Sein Mandant habe zweifellos eine Vorliebe für sadistisch-masochistische Sexualpraktiken. Dies habe er aber stets in konsensualen Verhältnissen ausgelebt. Also dann, wenn beide Sexualpartner das auch wollten.
Es sei nicht auszuschliessen, dass die Frau sich tatsächlich beim Sturz verletzt habe. Am Tatort stehe nämlich ein Steinkreuz auf einem scharfkantigen Betonsockel.
Ausserdem fehle auch eine Tatwaffe. Keiner der beim Angeklagten gefundenen Hämmer könnten mit dem Verletzungsbild vollständig in Einklang gebracht werden, argumentierte der Verteidiger.
Sein Mandant habe die Frau nach dem Sturz für tot gehalten. Tatsächlich könnte eine Unterkühlung in dieser Januarnacht dafür gesorgt haben, dass die drogenabhängige Frau länger nicht aus einer Ohnmacht erwacht sei.
Aus Angst vor Konsequenzen habe sein Mandant die vermeintliche Leiche verschwinden lassen wollen. Er sei planlos durch die Gegend gefahren, habe irgendwo einen Baustellensockel behändigt und die Frau mit Kabelbindern an den Sockel gebunden. Dabei müsse sie erstickt sein. In Gunten warf er die Leiche in den Thunersee.
Sein Mandant sei vom Vorwurf des Mordes freizusprechen, forderte der Verteidiger. Zu verurteilen sei er wegen Störung des Totenfriedens, Pornographie und Gewaltdarstellungen. Weil der Angeklagte aber schon länger in Haft ist, als diese Strafe ausfallen würde, sei er unverzüglich in Freiheit zu entlassen und für die sogenannte Überhaft zu entschädigen. Das Urteil fällt das Gericht am Freitagnachmittag. (saw/sda)