Weder Kokain noch Heroin, noch Marihuana – der Beschuldigte, der sich am Dienstag am Obergericht gegen ein erstinstanzliches Urteil wehrte, soll sich im Handel von Kratom betätigt haben. Das sind Blätter, die vor allem gekaut oder als Tee getrunken werden.
Die Wirkung ist interessant: Je nach Menge wirkt Kratom stimulierend oder dann beruhigend. Das liess den Richter laut darüber nachdenken, warum die Pharmaindustrie Kratom eigentlich noch nicht für sich entdeckt hat. In Südostasien werde das Produkt seit Jahrhunderten als Naturheilmittel genutzt, bekräftigte der Beschuldigte.
In der Schweiz ist das Kraut erst seit 2017 illegal. Der Beschuldigte begann schon vorher mit dem Handel. In Ländern wie Deutschland oder Österreich ist es immer noch erlaubt. Der 49-Jährige verschickte die Drogen denn auch aus Deutschland.
Rund 30 Pakete mit insgesamt über 12 Kilogramm Blättern wurden dabei vom Zoll abgefangen. Für ein Kilo zahlte ein Kunde bloss 165 Euro. Die Kundschaft bestellte bei einer Partner-Firma in Deutschland, diese lieferte in die Schweiz.
Der Zürcher Oberländer sagte an der Verhandlung, er sei davon ausgegangen, dass die Kunden für den Handel verantwortlich seien. Schliesslich hätten diese das Kratom eingeführt. Sein Part sei legal gewesen, weil er sich in Deutschland abgespielt habe.
Er habe auf seiner Website auch früh darauf aufmerksam gemacht, dass die Droge seit Oktober 2017 in der Schweiz nicht mehr legal sei. Ein umstrittener Fakt - die Vorinstanz hielt fest, dass dies möglicherweise erst im Dezember passiert sei.
Dass bei einer Hausdurchsuchung seiner Firma über 5 Kilogramm Kratom gefunden wurde, bestritt der 49-Jährige ebenfalls. Gefunden habe die Polizei Hirsuta, eine ähnliche Pflanze, die aber nichts Berauschendes habe. Ein Gutachten sage aber anderes, hielt ihm der Richter vor. Der illegale Wirkstoff sei nachgewiesen worden.
«Das kann eine Verunreinigung sein», antwortete der Unternehmer. Er habe beides vom selben Hersteller in Indonesien bezogen. Die Vorinstanz, das Bezirksgericht Uster, war jedoch der Staatsanwaltschaft gefolgt. Die Oberländer Richter hatten den Mann zu einer bedingten Geldstrafe von 180 mal 50 Franken verurteilt.
Der Beschuldigte forderte am Dienstag einen Freispruch. Beim Import müsse von einem Irrtum gesprochen werden, führte seine Verteidigerin aus. Er sei davon ausgegangen, dass sein Teil der Lieferung an der Grenze geendet habe.
«Ich habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt», sagte der 49-Jährige zum Schluss. Der Handel mit Kratom sei immer nur ein kleiner Teil seines Geschäftes mit Konsumgütern gewesen. Illegale Handlungen hätten sich für ihn gar nicht gelohnt.
Die Oberrichter nahmen ihm nicht alles ab, wie das schriftliche Urteilsdispositiv zeigt. Sie bestrafen ihn mit 120 Tagessätzen zu 200 Franken bedingt, aber milder als die erste Instanz. Die Probezeit liegt bei zwei Jahren. Der höhere Ansatz ist auf sein mittlerweile höheres Einkommen zurückzuführen.
In einem Punkt, der Aufbewahrung von Kratom, sprechen sie den Beschuldigten frei. Die Argumente der Verteidigerin, dass das Gutachten nicht genügt hatte, um die Droge nachzuweisen, drangen wohl durch.
Wegen des Teilfreispruchs wird dem 49-Jährigen eine Prozessentschädigung von 7300 Franken zugesprochen. Der Entscheid kann noch ans Bundesgericht weitergezogen werden. (saw/sda)
Könnte es verbotenerweise ein teures MS-Medikament ersetzen?
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